Papst in Ungarn: „Sprache der Nächstenliebe sprechen“
Anne Preckel – Vatikanstadt
Um die 1.500 Menschen waren am Samstagmorgen in der Sankt-Elisabeth-Kirche und auf dem Rosenplatz versammelt, um Papst Franziskus zu sehen. Aus dem ganzen Land waren Mitwirkende kirchlicher Sozialorganisationen gekommen, anwesend waren zudem Obdachlose und Arme, ungarische Roma und Flüchtlinge aus dem Nachbarland Ukraine, aus Nahost, Afrika und anderen Ländern. Die Elisabeth-Kirche ist übrigens der Sitz der deutschsprachigen Gemeinde in Budapest.
Elisabeth von Thüringen gilt als Heilige der Caritas und Patronin der Bettler, Kranken und Waisen. Ausgehend von Lebenszeugnis der beliebten Heiligen rief der Papst in Ungarn zu Nächstenliebe und Barmherzigkeit gegenüber Bedürftigen auf. Sie stünden „im Mittelpunkt des Evangeliums“, der christliche Glaube sei Zeugnis und kein „Gefangener eines lebensfernen Kultes“ oder „spiritueller Egoismus“, erinnerte Franziskus.
„Wahrer Glaube (…) ist derjenige, der stört, der riskiert, der zu den Armen hinausführt und dazu befähigt, mit dem Leben die Sprache der Nächstenliebe zu sprechen. Wie der heilige Paulus sagt, können wir viele Sprachen sprechen, Weisheit und Reichtümer besitzen, aber wenn wir keine Liebe haben, haben und sind wir nichts.“
Engmaschiges Hilfsnetz
Die ungarische Königstochter Elisabeth hatte einem Leben in Reichtum und Wohlstand entsagt, um sich ganz dem Dienst an Armen und Kranken hinzugeben. Papst Franziskus dankte Ungarns Kirche für ihr Engagement gegenüber Bedürftigen im Land. Er lobte das „engmaschige“ Hilfsnetz, das Ehrenamt und die ökumenische Zusammenarbeit in diesem Bereich.
Mit Blick auf den Krieg im Nachbarland dankte der Papst Ungarns Kirche „für die Art und Weise, mit der ihr so viele Flüchtlinge aufgenommen habt, die aus der Ukraine stammen – nicht nur mit Großherzigkeit, sondern auch mit Begeisterung“. Franziskus hörte bei der Begegnung das Zeugnis einer ukrainischen Flüchtlingsfamilie, die in Ungarn dank der Caritas ein neues Leben beginnen konnte. Die fünf Kinder trugen bei der Begegnung ein Dankeslied vor, das zugleich ein Friedensappell für die Ukraine war.
Materielle, kulturelle, geistliche Armut
„Das ist das Zeugnis, das von uns verlangt wird: Barmherzigkeit gegenüber allen, besonders gegenüber denen, die von Armut, Krankheit und Schmerz gezeichnet sind“, rief der Papst zu tätiger Nächstenliebe auf. „Wir brauchen eine Kirche, die die Sprache der Nächstenliebe fließend spricht, eine Universalsprache, die alle hören und verstehen, auch diejenigen, die am weitesten entfernt sind, auch diejenigen, die nicht glauben.“
Einmal mehr kritisierte Franziskus „die Übel der Gleichgültigkeit und des Egoismus“. Auch in Ungarn gebe es zahlreiche Formen von „materieller, kultureller und geistlicher Armut“ und Menschen am Rande: Bedürftige und Kranke, Drogenabhängige und ehemalige Häftlinge, Obdachlose und verlassene Senioren.
Wirken für die Würde
Wie ein ständiger Diakon und seine Frau bei der Begegnung schilderten, leben auch in Budapest immer mehr Menschen auf der Straße, aktuell fast 440 Personen. 2.200 Bedürftige seien in Obdachlosenheimen untergebracht, so die beiden Helfer. Neben der materiellen Not litten diese Menschen vor allem unter der Armut von Beziehungen und der verletzten Würde. Franziskus griff diesen Punkt auf:
„Das gilt für die ganze Kirche: Es genügt nicht, Brot zu geben, das dem Magen sättigt, es ist auch nötig, die Herzen der Menschen zu nähren! Nächstenliebe ist nicht ein bloßer materieller und sozialer Beistand, sondern sie kümmert sich um die Person als Ganze und will ihr mit der Liebe Jesu wieder aufhelfen: mit einer Liebe, die hilft, Schönheit und Würde wiederzuerlangen.“
Die kirchlichen Helfer ermutigte der Papst, ihren Einsatz für die Bedürftigen mit dem Geist der heiligen Elisabeth zu leben. Der Legende nach verwandelte sich ein Korb mit Brot, den sie gegen ausdrückliche Anweisung ihres Ehemannes (andere Quellen sprechen von der Schwiegermutter) an Arme verteilte, in Rosen. Auf Nachfrage hatte Elisabeth mit einer Notlüge behauptet, dass sich in dem Korb kein Brot befinde, sondern Rosen. Dieses Wunder stellt eine Statue vor der Sankt-Elisabeth-Kirche dar, auf das Franziskus zu sprechen kam:
„Es heißt, dass der Herr einmal das Brot, das sie den Bedürftigen brachte, in Rosen verwandelte. So ist es auch für euch: Wenn ihr es auf euch nehmt, den Hungernden Brot zu bringen, lässt der Herr die Freude aufblühen und verleiht eurem Leben den Duft der Liebe, die ihr verschenkt. Ich wünsche euch, dass ihr stets den Duft der Nächstenliebe in die Kirche und in euer Land tragt.“
Hilfsarbeit zur Zeit des Kommunismus
Der Präsident der ungarischen Caritas, Bischof Antal Spányi, erinnerte in seinem Grußwort daran, dass die ungarische Caritas ihre Arbeit zur Zeit des Kommunismus „im Geheimen“ fortsetzte, bis sie 1991 offiziell wieder zugelassen wurde.
Papst Franziskus hatte bei der Begegnung mehrmals Gelegenheit, sich direkt mit Bedürftigen auszutauschen und nahm sich Zeit zum Zuhören. Eingangs wurde er von zwei armen Kindern begrüßt. Die anwesenden Flüchtlinge kamen neben der Ukraine aus Afghanistan, Pakistan, Iran, Irak, Nigeria, Südsudan und weiteren Ländern. Am Ende des Treffens trugen Vertreter der ungarischen Roma dem Papst mehrere Lieder vor.
(vatican news – pr)
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