Der Wiener Erzbischof, Kard. Christoph Schönborn Der Wiener Erzbischof, Kard. Christoph Schönborn 

Kardinal Schönborn: Verrohung der Sprache Gefahr für Demokratie

Kardinal Christoph Schönborn hat eindringlich vor antidemokratischen Entwicklungen in der Gesellschaft gewarnt. „Wenn die Sprache verroht, verroht sehr schnell auch das Handeln“, sagte der Wiener Erzbischof. Er äußerte sich am Montagabend bei einem Symposium, das im Gedenken an den Holocaust -Überlebenden, Journalisten und vielfachen Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte Rudolf Gelbard (1930-2018) stattfand.

Anstand und Bildung bezeichnete der Kardinal als zwei Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Schönborn zitierte einmal mehr Andre Heller, der von der „Weltmuttersprache Mitgefühl“ gesprochen habe. Wenn dieses Mitgefühl nicht mehr vorhanden sei, wenn die elementare Achtung des anderen nicht mehr gegeben sei, dann sei Gefahr im Verzug.

Schönborn verwies über Österreich hinaus auf das bahnbrechende Dokument von Abu Dhabi über die universale Geschwisterlichkeit, das Papst Franziskus und der sunnitische Al-Azhar-Großimam Ahmad Al-Tayyeb am 4. Februar 2019 unterzeichnet hatten.

Großer Sorgen bereiten dem Kardinal weltweite Tendenzen, Religion für nationalistische Zwecke zu missbrauchen. Schönborn sprach von einem „Krebsübel, dass Religionen politisch bzw. nationalistisch missbraucht werden“. Dagegen müssten die Religionen gemeinsam auftreten.

Dialog der Religionen

Das 2. Rudolf-Gelbard-Symposion fand im Wiener-Kardinal-König-Haus statt. Es stand unter dem Titel „Dialog der Religionen.“ Mit Kardinal Schönborn bestritten Oberrabbiner Jaron Engelmayer und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Ümit Vural das Podium. Vural, Engelmayer und Schönborn würdigten übereinstimmend das gute interreligiöse Klima in Österreich wie auch die guten Beziehungen zwischen Staat und Religionen.

Die Religionen dürften sich nicht auseinanderdividieren lassen, so der Appell Engelmayers. Der Terroranschlag vom 7. Oktober auf Israel sei „ein Angriff auf die freie Welt“ gewesen, so der Oberrabbiner. Sein Mitgefühl gelte allen Opfern des Krieges, betonte Engelmayer. Für die zivilen Opfer in Gaza sei die Hamas verantwortlich.

Demokratie kein Selbstläufer

Vural warnte davor, den Nahost-Konflikt nach Österreich zu importieren. Hier komme den Religionen eine hohe Verantwortung zu, dies zu verhindern. Vural verurteilte einmal mehr den Terror der Hamas. Wenn nun aber von internationaler Seite die Hilfe für das UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) für Gaza wegen der Verwicklung von Mitarbeitern in die Hamas eingestellt wird, treffe dies wiederum die Not leidende Zivilbevölkerung von Gaza.

Mit Blick auf Österreich hielt Engelmayer weiters fest, dass die Demokratie kein Selbstläufer sei. Sie zu bewahren und antidemokratischen und rechtsextremen Kräften zu wehren, sei eine bleibende Aufgabe. In die gleiche Kerbe schlug auch Vural, der den gegenseitigen Respekt und die Achtung der Menschenwürde hervorhob.

Hintergrund

Rudolf Gelbard (1930-2018) wuchs in Wien-Leopoldstadt auf. Im Oktober 1942 verschleppten ihn die Nazis mit seinen Eltern in das Konzentrationslager Theresienstadt. Gemeinsam mit ihnen erlebte er die Befreiung am 8. Mai 1945. Fortan setzte er sich unermüdlich für Demokratie und Freiheit und gegen Antisemitismus und Faschismus ein. Er war ein wichtiger Zeitzeuge für die Jugend an den Schulen und ein unerschrockener Mahner gegen alle Formen von Intoleranz und Unmenschlichkeit.

Ende der 1940er-Jahre absolvierte Gelbard die Akademie der Sozialistischen Jugend Österreich, in den 1950er-Jahren die Parteischule der SPÖ Wien. Beruflich war er beim „Kurier" tätig. Am 7. Dezember 1996 wurde er in den Bundesvorstand der Freiheitskämpfer gewählt und gehörte diesem bis zu seinem Tode an. Für sein Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Er war u.a. auch Mitglied des Beirats des Christlich-Jüdischen Koordinierungsausschusses.

(kap-skr)

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30. Januar 2024, 12:13