Unser Sonntag: Predigen in der Wüste?

In dieser ersten Betrachtung im Januar verdeutlicht Prof. Dr. Stephan Kampowski, dass es schon ein merkwürdiger Auftrag ist, den Johannes der Täufer erhalten hat - und, dass es fast zu einem Streitgespräch zwischen Jesus und Johannes kommt.

Prof. Dr. Stephan Kampowski

Taufe des Herrn
Sonntag nach dem 6. Januar
Lesejahr B

Mk 1,7-11

Johannes trat in der Wüste auf. Die Wüste ist ein Ort der Einsamkeit, der Abgeschiedenheit, der Stille, auch des Durstes und des Mangels. Wenn es uns nicht gut geht, sagen wir manchmal: Wir gehen durch eine Wüstenzeit.

Zum Nachhören

Johannes der Täufer hat diesen Ort zu seiner Wohnstätte gemacht. Er war ganz auf Gott ausgerichtet, in aller Armut, Bescheidenheit und Abhängigkeit. Und nun erhält er von Gott einen Auftrag. Der Evangelist deutet diese Sendung als Erfüllung der Verheißung des Jesaja. Dort heißt es wörtlich: „Eine Stimme ruft: / In der Wüste bahnt den Weg des HERRN, ebnet in der Steppe eine Straße / für unseren Gott!“ Markus liest den Text in einer Variante als „Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen“ (Mk 1:3).

„Welcher Werbefachmann, der eine Botschaft unter die Leute bringen will, würde empfehlen, dafür in die Wüste zu gehen?“

Es ist also schon ein merkwürdiger Auftrag, den Johannes erhält: in der Wüste zu rufen, in der Wüste zu predigen. Wer käme von selbst auf eine solche Idee? Welcher Werbefachmann, der eine Botschaft unter die Leute bringen will, würde empfehlen, dafür in die Wüste zu gehen? Wer eine Botschaft vermitteln will, wer ruft, wer predigt, der will gehört werden. Wer in die Wüste geht, um zu predigen, so könnte man meinen, predigt zu den Heuschrecken und ein paar Wüstenhunden, die sich dorthin verirrt haben.

Ein Ort der Unaufdringlichkeit

Als Ort der Einsamkeit ist die Wüste zunächst einmal nicht der geeignete Ort, um eine Botschaft an den Mann oder die Frau zu bringen. Dafür geht man auf die Plätze der Städte, klingelt an den Türen, geht von Haus zu Haus. Gott hat einen anderen Plan für Johannes. Er predigt in der Wüste, er soll ein Wüstenprediger sein. Ein Prediger, der sich nicht aufdrängt, der sich zurückzieht. Der Ort, den Gott für die Sendung des Johannes gewählt hat, ist ein Ort der Unaufdringlichkeit.

„Und das Fantastische, das Unerwartete ist, dass die Leute wirklich kommen“

Es ist ein Ort, der der Initiative der Adressaten Raum gibt. Die Menschen, die ihn hören wollen, müssen zu ihm kommen. Er kommt nicht zu den Menschen. Und das Fantastische, das Unerwartete ist, dass die Leute wirklich kommen. Dass sie sich zu ihm begeben, ist die erste Bestätigung seiner Sendung in all ihrer Bescheidenheit und gleichzeitigen Größe.

Nicht nur der Ort, den Gott gewählt hat, ist ein Ort der Selbst-Zurücknahme. Auch die Botschaft ist von dieser Art. Was ist die Botschaft des Johannes, derentwegen sich die Menschen aufmachen, ihre Sandalen schnüren und sich auf eine oft tagelange Reise durch Staub und Hitze begeben, um dann dem Wüstenprediger zuzuhören? Johannes predigt nicht sich selbst.

Er verkündet nicht sich selbst

Dem Evangelium zufolge ist der Inhalt seiner Verkündigung dieser: "Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich. Er verkündet nicht sich selbst. Er verkündet das Kommen einer Person, die mit dem Heiligen Geist taufen wird, er verkündet den Messias.
Es geht ihm nicht um sich selbst. Er bindet die Menschen nicht an sich, sondern verweist sie auf den, der größer ist als er. Papst Benedikt XVI. sprach in diesem Zusammenhang einmal davon, dass der „wahre Erzieher .... nicht besitzergreifend ist“, sondern will, „dass der Sohn oder Schüler lernt, die Wahrheit zu erkennen und eine persönliche Beziehung zu ihr aufzubauen“. Ziel des Erziehers sei es, „dass der zu Erziehende die Stimme der Wahrheit zu seinem eigenen Herzen sprechen hört und ihr auf seinem persönlichen Weg folgt“. Das ist die Haltung des Täufers. Er weist auf den hin, dessen Gürtel zu lösen er, Johannes, nicht wert sei.

Fast ein Streitgespräch

Und dann kommt er, Jesus, von dem Johannes gesprochen hat, und lässt sich von Johannes taufen. In seiner kurzen und prägnanten Darstellung geht Markus nicht ein auf den Dialog, ja das Streitgespräch, zwischen Jesus und Johannes, wie es uns vom Matthäusevangelium überliefert wurde: „Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Da gab Johannes nach.“ (Mt 3,14-15). Die Frage des Johannes ist natürlich auch unsere Frage. Wie kommt es, dass Jesus sich taufen lässt?

„Er lässt sich unter die Sünder rechnen“

Die Taufe des Johannes ist ja eine Bußtaufe. Jesus, der ohne Sünde ist, braucht nicht umzukehren und Buße zu tun. Im Katechismus der Katholischen Kirche, der die christliche Tradition zu diesem Thema zusammenfasst, erfahren wir, dass die Taufe für Jesus "die Annahme und der Beginn seiner Sendung als leidender Gottesknecht" ist. Er lässt sich unter die Sünder rechnen“ und „nimmt schon die ‚Taufe‘ seines blutigen Todes vorweg“ (KKK 536).

Taufe als Sakrament der Wiedergeburt

In der Liturgie der Osternacht heißt es dann bei der Segnung des Wassers, das im weiteren Verlauf der Feier für die Taufe der Katechumenen verwendet wird: „Durch Christus hast Du das Wasser im Jordan geheiligt, damit alle im Bad der Taufe zu neuem Leben geboren werden“. Bei der Taufe Jesu durch Johannes wurde also nicht Jesus durch das Wasser geheiligt, sondern das Wasser wurde durch Jesus geheiligt, damit die Taufe zum Sakrament der Wiedergeburt werden konnte.

„Dieses „Zerreißen“ ist eine Machttat Gottes.“

Als Jesus aus dem Wasser stieg, riss der Himmel auf. Das hier verwendete griechische Verb schizō ist recht dramatisch. Im Markusevangelium wird es ein weiteres Mal verwendet, wenn Markus schreibt, dass in dem Augenblick, als Jesus den Geist aushauchte, „der Vorhang im Tempel von oben bis unten in zwei Stücke riss“ (Mk 15,38). Dieses „Zerreißen“ ist eine Machttat Gottes.

Dann kam der Geist wie eine Taube auf ihn herab und "eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden." Hier haben wir die Stimme des Vaters, die Taufe des Sohnes und das Herabkommen des Heiligen Geistes und damit eine erste Offenbarung der Heiligsten Dreifaltigkeit. Der, von dem Johannes predigte, auf den er hinwies, ist der Sohn Gottes, der sich mit uns identifiziert, der sich mit uns eins macht. Die Stimme des Vaters wird noch einmal auf dem Berg der Verklärung des Herrn erschallen.

Auf ihn sollt ihr hören

„Da kam eine Wolke und überschattete sie und es erscholl eine Stimme aus der Wolke: „‚Dieser ist mein geliebter Sohn‘“; dann jedoch mit dem Zusatz: „Auf ihn sollt ihr hören.“ (Lk 9,7). Hören wir auf ihn, auf Jesus, der uns im Sakrament der Taufe einlädt, ihm gleichförmig zu werden. Nehmen wir das unermessliche Geschenk an, das er uns machen will: Durch die Taufe Söhne im Sohn zu werden: Kinder Gottes zu heißen und es in Wahrheit zu sein (1 Joh 3,1), damit der Vater auch zu uns sagen kann: Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

 

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06. Januar 2024, 11:40