Unser Sonntag: Gott will unser Heil
Frater Fabian Lechner, OT
32. Sonntag im Jahreskreis: Lk 20,27-38
Am heutigen Sonntag hören wir eine Stelle aus dem Lukasevangelium. Das Lukasevangelium wird uns auch an den kommenden Sonntagen bis zum Ende des Kirchenjahres begleiten. Leider wissen wir nicht viel über seinen Verfasser, aus dessen Hand neben dem Evangelium auch die Apostelgeschichte stammt.
Beide Texte gehören zusammen und verstehen sich als ein aufeinander aufbauendes Werk. Forscher gehen davon aus, dass Lukas ein im Hellenismus verwurzelter Jude war, der sich in seinem Werk mit der kulturellen Vielfalt seines Umfelds auseinandersetzte. Die frühen Christen leben noch als kleine Minderheit in einer multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft.
Sie mussten ihren Glauben in einem Umfeld behaupten, das mit der Botschaft Jesu wenig anfangen konnte. Lukas geht es darum, vor diesem Hintergrund den Glauben zu lehren, zu verkündigen und theologisch zu deuten. Dabei will er unseren Blick immer auf das Wesentliche lenken, auf das Heilsversprechen Gottes: Wie findet der Einzelne zu Gott? Welche Verantwortung ergibt sich daraus für sein Leben?
Auf das Wesentliche besinnen
Auch heute leben wir in einer Welt, in der der christliche Glaube für viele Menschen seine Selbstverständlichkeit verloren hat. Unser Alltag ist geprägt von vielfältigen Aufgaben und Pflichten, in denen der Glaube und unsere kirchliche Praxis häufig eine untergeordnete Rolle spielen.
Mit Lukas lernen auch wir, uns auf das Wesentliche zu besinnen und unser Leben daran auszurichten: Gott hat auch mir Heil und Rettung versprochen. Das bedeutet: Mein Leben ist bei ihm aufgehoben. Wie kann es mir gelingen, mein Leben immer wieder neu an diesem Versprechen auszurichten?
Disput mit Sadduzäern
Zur Zeit Jesu lebten in der Gesellschaft Juden unter anderem mit Griechen und Römern zusammen. Doch auch das Judentum selbst war in viele kleinere und größere Volksgruppen zersplittert. Sie unterschieden sich in ihren politischen und religiösen Ansichten bisweilen fundamental. Aus den Evangelien kennen wir die drei wichtigsten von ihnen: Die Pharisäer, die Sadduzäer und die Zeloten.
Im heutigen Evangelium trifft Jesus auf eine Gruppe von Sadduzäern, die ihn in einen Disput verwickeln. Die Sadduzäer entstammen der gebildeten Elite des Landes. Der Evangelist Lukas schreibt in der heutigen Perikope, dass die Sadduzäer „bestreiten, dass es eine Auferstehung gibt“.
Ablehnung der Auferstehung
Sie glauben, dass in den fünf Büchern Mose, der sogenannten Tora, die gesamte religiöse Offenbarung bereits enthalten ist. Die Propheten und ihre Bücher lehnen sie ab. Das Auftreten Jesu und seine Botschaft müssen für die Sadduzäer eine enorme Provokation darstellen.
Meistens ist es im Evangelium umgekehrt: Jesus erzählt den Menschen seine Botschaft in Form eines Gleichnisses. Er greift auf Bilder und Erzählungen zurück, die nah am Leben der Menschen sind. Ihre Bedeutung erschließt sich so häufig im Kontext der Erfahrungen, die wir Menschen im täglichen Leben und im Umgang mit den Mitmenschen machen. Heute drehen die Sadduzäer den Spieß um. Sie wollen durch ein theoretisches Konstrukt die in ihren Augen falsche Vorstellung vom Leben nach dem Tod widerlegen. Provokant treten sie auf Jesus zu und stellen ihm eine Frage: Wie ist das? Eine Frau heiratet einen Mann, die Ehe bleibt kinderlos.
Nach dem Tod des Mannes heiratet die Frau nach jüdischen Bräuchen dessen Bruder. Mit welchem der beiden wird sie im Himmel verheiratet sein? Die Sadduzäer gehen noch weiter und fragen: Was passiert, wenn auch der zweite Ehemann verstirbt und sie erneut heiratet? Dieses Spiel führen sie bis ins Absurde fort. Am Ende steht eine scheinbar unauflösliche Situation im Himmel: Eine Frau, die mit zahlreichen Männern rechtmäßig verheiratet ist. Welcher ihrer Ehemänner kann sie nun für sich beanspruchen?
Verachtung der Intellektuellen
Geradezu spürbar ist in der Wortwahl und der Art des Vortrags eine gewisse Verachtung der Intellektuellen, gegenüber Jesus, der nicht ihrem Bildungs- und Standesansprüchen entspricht. Während Jesus mit den Gleichnissen darauf abzielt, dass Menschen eine tiefere Botschaft und deren Bedeutung für ihr Leben erkennen, wollen die Sadduzäer Jesus herausfordern. Ihr „Gleichnis“ hat nichts mit der Lebensrealität der Menschen zu tun. Ihr Beispiel wirkt konstruiert und für unsere heutigen Ohren abwegig.
Dennoch kennen wir das dahinterliegende Problem sehr gut und können aus dem Umgang Jesu mit der Situation lernen. Er spricht: „Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten. Die aber, die gewürdigt werden, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, heiraten nicht, noch lassen sie heiraten.“
Jesus macht sich die fehlgeleitete Argumentation der Sadduzäer im Detail nicht zu eigen. Seine Botschaft vom ewigen Leben lautet: Es wird nicht so sein, wie wir es uns jetzt und hier vorstellen können. Bei Gott gelten andere Regeln als bei uns auf der Erde. Jesus betont, dass durch den Glauben an die Auferstehung kein Widerspruch zur jüdischen Tradition und Überlieferung entsteht. Denn Gott erscheint bereits dem Mose im brennenden Dornbusch als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.
Ein Gott der Lebenden
Im Verweis auf die Vorfahren sei die Auferstehung bereits angedeutet. Denn Gott – so spricht Jesus – „ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn leben sie alle.“
Im Gespräch mit Menschen, die mit dem Glauben an die Auferstehung und das ewige Leben ringen, erkenne ich das Bedürfnis eine genaue Vorstellung vom Himmelreich zu haben. Auch im eigenen Gebet erlebe ich, wie ich versuche, meine eigenen Erwartungen auf Gott zu übertragen. Gerne argumentieren wir wie die Sadduzäer.
Da kann es manchmal helfen, sich an einem Satz des Apostels Paulus zu orientieren, den er uns heute in der zweiten Lesung aus dem 2. Brief an die Thessalonicher mit auf den Weg gibt: „Der Herr richte eure Herzen auf die Liebe Gottes aus und auf die Geduld Christi.“ Der Verweis auf das Herz zeigt, wie wir uns dennoch ein Bild von dem machen können, was uns nach dem Tod erwarten wird: In Erfahrungen, die wir mit und durch unseren Glauben machen, erhalten wir einen Vorgeschmack von dem, was uns dereinst verheißen ist.
Begegnung mit Gott in den Sakramenten
Für mich sind das besonders die Begegnung mit Gott in den Sakramenten und im Gebet, aber auch, wenn ich Gemeinschaft erlebe, die trägt und in der ich mich angenommen fühle. Glaube, Hoffnung, Liebe: Die wirklich bedeutenden Dinge im Leben kann ich nur bedingt beschreiben, ich muss sie erleben. Unsere Kirchen wollen dafür Raum schaffen.
Am vergangenen Sonntag haben wir am Fest Allerseelen unserer Verstorbenen gedacht. Christen wissen vertrauend, dass der Tod keine Macht über den Menschen hat. Unser Gott ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden. Das ist die Botschaft, die wir heute in eine Gesellschaft tragen wollen, die mit dem Glauben an das ewige Leben hadert. Gott ist eine Realität, die unser Heil will.
Gott will unser Heil
Das Aufgehobensein in Gottes Liebe wird größer sein als alles, was wir uns heute vorstellen können. Darin liegt sozusagen die Pointe unseres Sonntagsevangeliums. Im Jenseits werden wir erfüllt sein von der Liebe Gottes, die uns von den irdischen Bedürfnissen befreit. Dann wird uns nicht etwas fehlen, vielmehr werden wir ohne Ende beschenkt werden. Das ist die zeitlose Botschaft, die uns Lukas in seinem heutigen Evangelium sendet, und die wir mit hinein in unseren Alltag tragen dürfen.
(vatican news - Redaktion: Claudia Kaminski)
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