Unser Sonntag: Anbruch der Gottesherrschaft und Jüngstes Gericht
Frater Fabian Lechner, OT
1. Advent: Mt 24,37-44
Haben Sie schon die erste Kerze auf dem Adventskranz entzündet? Mit dem heutigen Sonntag treten wir ein in ein neues Kirchenjahr und beginnen die Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Advent bedeutet Ankunft. An Weihnachten ist Jesus als Mensch in unserer Welt angekommen. Er wird als Mensch geboren in einem Stall von Bethlehem. Dieser Jesus hat versprochen wiederzukommen. Auf diese Wiederkunft hin wollen wir uns öffnen, wenn wir Weihnachten feiern.
Es geht nicht um Zimtsterne und besinnliche Gesänge, um unseren Adventskranz oder die leuchtende Weihnachtsdekoration am Tannenbaum.
Jesus erzählt seinen Jüngern vom kommenden Reich, vom Anbruch der Gottesherrschaft und vom Jüngsten Gericht. Im Matthäusevangelium bildet diese Rede den letzten Abschnitt vor dem Beginn seines Leidensweges. Die Worte sollen auf das vorbereiten, was bald in Jerusalem geschehen wird.
Wir sind in einer Zeit, in der sich der Sinn des Lebens offenbaren wird, in der sich das Wort erfüllt und die Menschheit erlöst werden soll.
Seid wachsam!
Mit den Worten Jesu klingt das so: „Wie die Menschen in jenen Tagen vor der Flut aßen und tranken, heirateten und sich heiraten ließen, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird auch die Ankunft des Menschensohnes sein. Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die an derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen.“ Über den Mahnungen Jesu steht schließlich die Forderung: „Seid wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommen wird.“
Bereitschaft und Gelassenheit
Veranschaulicht wird diese Mahnung durch das Bild vom „Dieb in der Nacht“. Er kommt, wenn der Hausherr schläft. Er schleicht sich an und bricht in das Haus ein, wenn keiner damit rechnet. Am Ende der heutigen Perikope unterstreicht Jesus dieses Bild mit den Worten: „Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“
Jesus weiß um den Wert mahnender Worte. Sie halten den Blick offen für das Wesentliche und geben Orientierung. Was meint Jesus also, wenn er uns auffordert, seine Wiederkunft zu erwarten und uns darauf vorzubereiten? In meinen Augen geht es hier um eine Grundhaltung, die ich mit zwei Eigenschaften charakterisieren würde: Bereitschaft und Gelassenheit.
Bereit sein, bedeutet sich in einer gewissen Entschiedenheit auf die Begegnung mit Gott einzustellen. Dazu gehört, sich immer wieder selbst zu hinterfragen: Richte ich mein Leben an ihm und seiner Botschaft aus? Wo vertraue ich auf Gott und in welchen Situationen muss ich lernen, meinen Glauben aus den Worten Jesu zu vertiefen? Wo gelingt mir die Nächstenliebe bereits gut und wo kann ich versuchen besser zu werden?
Wachsam sein, bedeutet eine Aufmerksamkeit für die Zeichen Gottes in der Welt zu entwickeln und seine Sinne danach zu schärfen.
Denn wer aufmerksam ist, kann im Ernstfall handeln, ohne in Panik zu verfallen. Die Forderung Jesu wachsam zu sein ist daher auch eine Aufforderung keine Angst zu haben. Wenn Jesus von der Stunde spricht, zu der wir die Ankunft des Herrn nicht erwarten, dann bedeutet dies in gleicher Weise: Wir können den genauen Zeitpunkt nicht errechnen, darüber zu spekulieren ist sinnlos. Wir werden lernen, der Begegnung mit Jesus gelassen entgegenzugehen. Gelassenheit darf nicht mit Gleichgültigkeit verwechselt werden. Gelassenheit bedeutet, sich aus Abhängigkeiten zu lösen und gegenwärtig zu leben.
Und siehe, ich bin mit euch alle Tage...
Wir dürfen auf das Wort vertrauen, dass er am Ende des Matthäusevangeliums zu uns spricht: Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt! Ich möchte an einem Beispiel versuchen, diesen Gedanken etwas näher zu beschreiben.
Nach meinem Studium habe ich mich entschlossen in den Deutschen Orden einzutreten. Seit nun mehr fünf Jahren lebe ich als Ordensmann in einem Kloster in der Nähe von München. Meine Gemeinschaft wurde im 12. Jahrhundert während des Dritten Kreuzzugs gegründet. Kaufleute aus Bremen und Lübeck sahen die Not von Menschen und wollten helfen. Sie gründeten ein Feldlazarett, aus dem sich ein geistlicher Orden entwickelte, der bis heute im mitteleuropäischen Raum fortbesteht.
Das Ursprungscharisma „Helfen und Heilen“ wurde in den vergangenen 800 Jahren an verschiedenen Orten und in verschiedenen Formen gelebt. In unseren Tagen wird es unter anderem in zahlreichen eigenen sozial-karitativen Einrichtungen verwirklicht.
Im Rahmen meiner Ausbildung zum Ordensmann sollte ich vor ein paar Jahren selbst für eine gewisse Zeit in der Pflege mitarbeiten. Dabei blieben mir besonders die Nachtdienste in Erinnerung, bei denen ich erfahrene Pflegekräfte bei ihrer Arbeit begleitete. Ich erfuhr, wie sich bei ihnen über viele Jahre ein feines Gespür für die Bedürfnisse der zu Pflegenden entwickelte. Bereitschaft setzte bei ihnen Fachwissen und die Einhaltung routinierter professioneller Abläufe voraus. Auf dieser Grundlage konnten sie mit Gelassenheit den Entwicklungen einer Nacht entgegentreten. Sie waren gut vorbereitet. So entstand eine Atmosphäre der Wachsamkeit, der Ruhe und der Sicherheit, in der die uns anvertrauten Menschen spürten: Ich kann schlafen. Wenn etwas passiert, sind Menschen in der Nähe, die wachsam sind und mir helfen können. Mir hat sich in diesen Erfahrungen erschlossen, wie wertvoll das wachsame Füreinander ist, zu dem uns Jesus im heutigen Evangelium ruft.
Adventszeit: Gott meint es gut mit uns
Ich bin überzeugt: Wenn wir uns für unsere gemeinsame Lebensgestaltung daran ein Beispiel nehmen, dann kann uns das Kommen des Herrn nicht wie ein Dieb in der Nacht überraschen. Deshalb habe ich mir vorgenommen, im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe wachsen zu wollen. Besonders die Adventszeit lädt dazu ein im Vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint, ihm entgegenzugehen: Sie ist eine Zeit der Einübung und der Rückbesinnung, in der wir unsere Sinne schärfen für die Ankunft des Herrn. Am Adventskranz werden wir beobachten, wie das Licht von Sonntag zu Sonntag stärker wird. Ein Bild, das auch für unser Wachsen steht, wenn wir im Sinne des Herrn zum Licht füreinander werden.
(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)
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