‚Economy of Francesco‘: „Gegenentwurf zu räuberischer Ökonomie“
Interview
Professor Vorwold, Sie haben vom 28.-30.11.2025 am weltweiten Jahrestreffen der Bewegung „Economy of Francesco“ in Castelgandolfo teilgenommen. Diese Bewegung tritt für ein alternatives, gerechteres Wirtschaftsmodell ein und war vor allem vom verstorbenen Papst Franziskus inspiriert. Wie ist sie denn nach Ihrem Eindruck ins neue Pontifikat hinübergekommen, haben sich da Akzente verschoben?
„Eine gute Frage! Nach meinem Eindruck hatte das ‚Economy of Francesco World Event 2025‘ mehr Substanz als das Initiativ-Event 2022 in Assisi zur Gründung der ‚Economy of Francesco‘. Aber wirkliche Fortschritte auf dem Gebiet, wie die Wirtschaft nun aussehen soll, hat es meines Erachtens leider auch diesmal nicht gegeben.
Und um auf den zweiten Teil Ihrer Frage nach dem Übergang in das neue Pontifikat einzugehen: Nach seinen eigenen Worten will Leo XIV. den von Franziskus eingeschlagenen Weg gemeinsam mit den Jugendlichen weitergehen. Aber nichtsdestotrotz denke ich, Leo ist eine andere Persönlichkeit – ein Augustiner und kein Jesuit, vorsichtiger und konzilianter. Ein Nachfolger und kein Ersatz, kein Franziskus Zwei. Leo ist Leo!“
Das Motto hieß „Neustart für die Wirtschaft“ – wie war das denn gemeint, und wie wurde es eingelöst?
„Zum Motto ‚Neustart für die Wirtschaft‘ lässt sich Kritisches anmerken. Die Veranstalter haben diesen offiziellen Slogan ;Restart the Economy‘ auf eigenartige Weise aufgesplittet in zwei Wörter: Rest-art. Also ‚Ruhepause‘ und ‚Kunst‘. Es ging also offensichtlich gar nicht um einen ‚Restart‘, und damit ist eigentlich schon viel gesagt. Ein Neustart der Wirtschaft war leider nicht das Thema, das die Veranstalter als Schwerpunkt im Auge hatten. Wohltuend anders dann aber die von Schwester Alessandra Smerelli verlesenen Grußworte unseres neuen Papstes – da war dann doch von einem Neustart der Wirtschaft die Rede. Ich zitiere: ‚Eine neugestartete Wirtschaft ist nicht nur eine Produktionsmaschine, sondern eine Aktivität, die Menschen, Gemeinschaften und unserem gemeinsamen Zuhause neues Leben einhaucht. Neustart bedeutet, uns von den Fesseln der Ungerechtigkeit zu befreien, das Beschädigte wiederherzustellen und Räume zu schaffen, in denen jeder Mensch Würde und Hoffnung atmen kann.‘
Da kann ich nur sagen: Das war wohltuend und treffend auch zur Linie von Leos verstorbenem Vorgänger. Doch um diese unterschiedliche Darstellung und Interpretation noch mal auf den Punkt zu bringen: Meines Erachtens zeigt diese Verschiebung des Inhalts durch die Organisationen deutlich, dass es auch oder gerade im Bereich der Wirtschaft starke Kräfte gibt, die die Dinge so belassen wollen, wie sie sind.“
Was „bringt“ so eine Konferenz?
„Also, ganz generell waren die vielen Möglichkeiten des Networking, des Austauschs sowie die Zugewandtheit und Offenheit, die ich bei vielen Teilnehmern spürte, ein wichtiger Sinngehalt für diese Veranstaltung. Es entwickelte sich über das Wochenende ein wachsendes Miteinander, ein gegenseitiges sich Bestärken. Erfreulich war für mich in diesem Zusammenhang auch die Herzlichkeit des (meines Erachtens aber eher unpolitischen) Präsidenten der ‚Economy of Francesco‘-Stiftung, Erzbischof Domenico Sorrentino von Assisi.
Was war für Sie das Highlight der Konferenz? Und wo liegen die Schwächen einer solchen Veranstaltung?
„Um mit den Schwachstellen anzufangen: Es wurde eigentlich gar nicht diskutiert, wie diese neue Wirtschaft aussehen könnte. Um es an einem Beispiel aufzuhängen: Mein Antrag, den ich Wochen vorher gestellt hatte, um zwei globale Modelle zur Verringerung des Abstands zwischen Arm und Reich in einem Pitch vorzustellen, wurde ohne weitere Erläuterung abgelehnt. Überraschenderweise erhielt ich dann aber einige Tage später immerhin die Einladung zur Präsentation dieser Modelle als Poster; das gab mir wieder neuen Mut. Letztlich fand diese Posterpräsentation aber am Samstagabend von 21 bis 22 Uhr statt – das zeigt die Bedeutung, die ihr die Veranstalter offensichtlich beigemessen haben, und war für mich ein Wermutstropfen, mindestens. Nichtsdestotrotz hatte ich aber wieder Hoffnung bezüglich der Sensibilität der Organisatoren bezüglich einer Wirtschaft, die sich von Privilegien verabschiedet, was die Zielrichtung meiner Modelle war. Uneingeschränkt positiv war dann für mich, dass ich am Samstagmorgen in einem Workshop meine neu gegründete gemeinnützige Stiftung mit dem Namen ‚Bridging Gaps‘ vorstellen konnte und dort gute Anregungen für eine Optimierung erhielt.
Das Highlight dieses Wochenendes war dann für mich das Statement von Schwester Helen Alford, Professorin und Präsidentin der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften (seinerzeit von Franziskus ernannt) am Sonntagmorgen bei einem Round Table. Das war nach meinem Dafürhalten exzellent, wissenschaftlich und auch zukunftsweisend. Aus deutscher Sicht erwähnenswert ist noch, dass an diesem Round Table unangekündigt ein Unternehmer aus Deutschland erschien, und zwar Rudolf Brenninkmeijer. Dieser Vertreter eines Bekleidungs-Weltkonzerns erzählte sehr ausführlich über den unternehmerischen Familienverbund und die Integration der Mitarbeiter; er beleuchtete, dass der katholische Glaube in diesem Unternehmen eine starke Rolle gespielt hat und wohl immer noch spielt.“
Welche Idee haben Sie von der Konferenz mitgenommen?
„Ich würde gerne eine Universität in Rom dafür gewinnen, einen Studiengang ‚Economy of Francesco‘ einzurichten – entweder die Universität LUMSA oder auch die St.-Thomas-von-Aquin-Universität in Rom, an der Schwester Helen Alford tätig ist. Als Thema für einen solchen Studiengang sehe ich zum einen die katholische Soziallehre unter Bezugnahme auf das Zweite Vatikanische Konzil, insbesondere auf den Text ‚Gaudium et spes‘, der nach meinem Dafürhalten Christus in die Welt des Business trägt. Und ein zweites wichtiges Kernthema wäre aus meiner Sicht die Diskussion über ein Unternehmerprofil, das sich ausrichtet an dem in den USA in den 50er Jahren vorherrschenden sogenannten Unternehmer als ‚Staatsmann der Industrie‘. Dies ist ein Thema, das auch Schwester Alford historisch behandelt hat und über das ich mich mit ihr auf dieser Veranstaltung gut unterhalten konnte.
Als drittes Thema würde ich dann vorschlagen, sich mit dem internationalen Steuerrecht zu beschäftigen. In ihm liegt nach meinem Dafürhalten (und nicht nur nach meinem!) der Schlüssel für die weltweite Bekämpfung der zunehmenden Ungleichheit und Armut. Doch um diesen Ausblick etwas allgemeiner zu formulieren: Ich hoffe, dass sich die ‚Economy of Francesco‘ als erfolgsversprechender Gegenentwurf zur derzeitigen ‚räuberischen Ökonomie‘, wie ich sie nennen möchte, etablieren kann.“
Gerhard Vorwold ist Steuerrechtler (Jurastudium Münster und Freiburg; Prof. an der Hochschule für Finanzen, Nordkirchen, Uni Münster, jurgrad); derzeit Direktor der Stiftung „Bridging Gaps – Prof. Vorwold Stiftung“, Geschäftsführer der NGO „close the gap – worldwide“ sowie „visiting scholar“ an der „Boston College Law School“. Er hat in allen führenden deutschen Steuerrechtsverlagen publiziert. Das Interview mit ihm führte Stefan v. Kempis.
(vatican news)
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