Papst an Portugals Kirche: „Die Netze wieder auswerfen!“
Das sagte er bei einer Vesper im historischen Hieronymiten-Kloster von Belém, einer Anlage aus dem späten 15. Jahrhundert, deren Pracht an das Zeitalter der portugiesischen Seefahrer und Entdecker erinnert. Das von der UNESCO als Weltkulturerbe geführte Gebäude ist die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in Portugal. Und hier warnte Franziskus erneut vor dem Klerikalismus, der aus der „geistlichen Weltlichkeit ... hervorgeht“ und „uns ruiniert“, ebenso wie davor, sich besser als andere zu fühlen und Menschen aus der Kirche auszuschließen. Es gelte, als synodale Kirche unterwegs zu sein und die Welt „mit dem Evangelium zu umarmen“.
„Manchmal können wir auf unserem Weg als Kirche … Müdigkeit verspüren, wenn es uns scheint, nur leere Netze in den Händen zu halten“, so Franziskus an dem geschichtsträchtigen Ort in Anspielung auf die biblische Erzählung vom reichen Fischfang. „Es ist ein Gefühl, das in Ländern mit alter christlicher Tradition weit verbreitet ist, die viele soziale und kulturelle Veränderungen durchmachen und zunehmend von Säkularismus, Gleichgültigkeit gegenüber Gott und einer zunehmenden Abkehr von der Glaubenspraxis geprägt sind.“
Die Enttäuschung und der Zorn
Franziskus‘ Zuhörerschaft im Mosteiro dos Jerónimos bestand aus Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und pastoralen Mitarbeitern, insgesamt rund 1.100 Menschen hatten sich in dem Kloster eingefunden, um am Besuch des Papstes teilzuhaben. Dieser kam ihnen gegenüber auch auf „die Enttäuschung und den Zorn“ vieler Menschen angesichts vieler Skandale zu sprechen, die das Antlitz der Kirche „entstellt“ hätten: Wichtig sei „eine demütige und beständige Läuterung, ausgehend vom Schmerzensschrei der Opfer, die immer aufgenommen und gehört werden müssen“.
„Wenn man sich aber entmutigt fühlt, besteht die Gefahr, dass man aus dem Boot steigt und in den Netzen der Resignation und des Pessimismus hängenbleibt. Stattdessen müssen wir die Mühen und Tränen zum Herrn bringen, um dann die pastoralen und spirituellen Situationen mit offenem Herzen anzugehen… Die Netze wieder auswerfen und die Welt mit der Hoffnung des Evangeliums umfassen: Dazu sind wir aufgerufen!“
Es sei jetzt „nicht die Zeit“, aufzugeben, drängte der Gast aus Rom. „Wir dürfen nicht vor dieser Zeit fliehen, weil sie uns ängstigt, und uns in Formen und Stile der Vergangenheit flüchten. Nein, dies ist die Zeit der Gnade, die der Herr uns schenkt, damit wir auf das Meer der Evangelisierung und Mission hinausfahren können!“
Nein zur „Pastoral der Nostalgie und des Nachtrauerns“
Für einen Neuaufbruch sei es nötig, „sich von jener süßlichen Traurigkeit und jenem ironischen Zynismus zu distanzieren, die uns angesichts von Schwierigkeiten überkommen“. Franziskus warnte vor einer „Pastoral der Nostalgie und des Nachtrauerns“ und riet zur Absage an „Ideologien und Weltlichkeit“. Sobald wir hinausführen, komme uns Jesus entgegen.
Eindringlich warb der Papst für mehr Gemeinschaftssinn in der Kirche. „Die Kirche ist synodal, sie ist Gemeinschaft, gegenseitige Hilfe, gemeinsames Unterwegssein. Darauf zielt die derzeitige Synode ab, die im kommenden Oktober zum ersten Mal zusammentreten wird. Auf dem Schiff der Kirche muss Platz für alle sein: Alle Getauften sind aufgerufen, einzusteigen, die Netze auszuwerfen und sich persönlich für die Verkündigung des Evangeliums einzusetzen.“ Ohne Mitverantwortung altere die Kirche.
„In der Kirche helfen wir einander, wir unterstützen uns gegenseitig und wir sind aufgerufen, auch nach außen hin ein konstruktives Klima der Geschwisterlichkeit zu verbreiten.“ Dazu gehöre, nicht „mit dem Finger auf andere zu zeigen“. Die Kirche sei „keine Zollstation", die die Gerechten von den Sündern trennt: Sie nehme alle auf und zeige nicht mit dem Finger auf sie, warnte der Papst, bevor er erneut auf die Gefahren des Proselytismus und des „kirchlichen Beamtentums“ hinwies. Stattdessen gehe es darum, „den Menschen unserer Zeit einen neuen Lebensentwurf, nämlich den von Jesus, zu bringen“.
Der Bischof von Fatima, José Ornelas Carvalho, versicherte in einer Grußadresse an Franziskus, die portugiesische Kirche fühle sich durch seinen Aufruf zu einer „aufgeschlossenen Kirche“ ermutigt. „Wir engagieren uns für eine pastorale Umgestaltung, geleitet vom Geist des Herrn und in geschwisterlicher Gemeinschaft…“ Carvalho ist Vorsitzender der Bischofskonferenz; der Papst wird den Marienwallfahrtsort Fatima während seiner Portugal-Reise besuchen, um dort einen Rosenkranz für den Frieden zu beten.
Vor der Begegnung in dem historischen Kloster mit dem Klerus Portugals hatte Franziskus in der Apostolischen Nuntiatur auch den Ministerpräsidenten des Landes, António Costa, sowie den Parlamentspräsidenten, Augusto Santos Silva, empfangen. Beide Gespräche dauerten jeweils 15 Minuten.
Im Anschluss an die Vesper ging es für den Papst in die Nuntiatur, wo er noch eine Gruppe von 13 Missbrauchsüberlebenden traf. Den Menschen, denen durch Kirchenangehörige Leid angetan worden war, hörte Franziskus intensiv zu, hieß es nach der über einstündigen Begegnung aus dem Pressesaal. Begleitet wurden die Missbrauchsopfer durch Vertreter der portugiesischen Bischofskonferenz, die für den Schutz Minderjähriger und Schutzbedürftiger in der Kirche zuständig sind. Kurz nach 20.15 Uhr Ortszeit sei das Treffen geendet, so das knappe Statement aus dem Vatikan.
(vatican news – sk)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.