Bürgermeister von Bethlehem beim Papst: Hoffnung und Solidarität
Linda Bordoni und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Maher Nicola Canawati ist erst kürzlich Bürgermeister von Bethlehem geworden. Diesen Mittwoch nach der Generalaudienz traf der palästinensiche Christ kurz Papst Leo XIV.. Der Bürgermeister nutzte diese Gelegenheit, um dem katholischen Kirchenoberhaupt persönlich die Sorgen seines Volkes sowie eine Bitte um Frieden und Hoffnung im Heiligen Land vorzutragen:
„Bevor ich über Bethlehem spreche, bete ich immer. Und das war mein erster Satz an den Papst: Bitte intervenieren Sie, damit wir diesen Krieg beenden können, damit wir beenden können, was unserem Volk in Gaza widerfährt. Ich denke, das war das wichtigste Thema, über das wir gesprochen haben, und er stimmte mir zu“, berichtet der Bürgermeister von Bethlehem im Interview mit uns. Was die Hilfe der Weltgemeinschaft angeht, ruft er dazu auf, „die Menschen zu unterstützen, damit sie nicht weggehen. Das ist das Wichtigste, was wir derzeit versuchen.“
Bethlehem und Christen unter Druck
Die Abwanderung aufgrund des Krieges habe Bethlehem und andere palästinensische Städte weiter entvölkert. Das Heilige Land laufe Gefahr, bald keine Christen mehr zu haben. Es sei eine große Freude gewesen, diese Sorgen und Nöte persönlich bei Papst Leo vorbringen zu können:
„Ich hatte viel Freude daran, dem Papst zu sagen, wie wichtig es ist, sich in die Geschehnisse in Palästina, im Gazastreifen und in Bethlehem einzumischen und die Christen als ,lebendige Steine' des Heiligen Landes zu bewahren, denn ohne sie ist das Heilige Land nur noch ein Museum. Im letzten Jahr sind rund 1.012 Menschen nach Kanada, in die Vereinigten Staaten und in andere Länder gegangen. Das bricht mir das Herz: Jeder, der Bethlehem verlässt, ist ein Verlust, denn diejenigen, die gegangen sind, sind hochgebildete Menschen, die in Bethlehem, die in Palästina wirklich gebraucht werden, damit wir unser Land, unseren Staat und unsere Stadt aufbauen können. Es gibt derzeit nur noch 168.000 palästinensische Christen im Heiligen Land, während es weltweit über 4 Millionen palästinensische Christen gibt. Das allein zeigt schon, wie groß der Druck auf die Christen ist", betont der Bürgermeister von Bethlehem.
Canawati zeichnet ein düsteres Bild vom heutigen Leben in Bethlehem. „Bethlehem war früher 37 Quadratkilometer groß. Nach der Annexion, den Siedlungen und der Trennmauer, die Bethlehem zum ersten Mal in der Geschichte von seiner Schwesterstadt und seinem Herzen – Jerusalem – trennt, stehen wir als Bethlehemiter vor vielen Problemen. Wissen Sie, für die Einwohner von Bethlehem ist es wirklich sehr, sehr schwer, weil wir Probleme haben, uns innerhalb von Bethlehem zu bewegen. Außerdem gibt es in Bethlehem, innerhalb der Stadt und in ihrer Umgebung, mittlerweile über 134 Barrieren, Tore und Kontrollpunkte. Und das ist für viele Menschen ein Alarmsignal, dass wir, um hier zu bleiben, eine bessere Zukunft für unsere Kinder, für unser Volk brauchen."
Canawati erklärt, dass der Bürgermeister von Bethlehem laut Gesetz Christ sein muss, eine Bestimmung, die von den palästinensischen Führern aufrechterhalten wird, „weil sie die christliche Gemeinschaft, die älteste christliche Gemeinschaft der Welt, die in Bethlehem, im Heiligen Land, in Palästina lebt, erhalten wollen“.
Aufruf zu Solidarität und Hoffnung
Canawati zeigt sich zugleich dankbar für die Solidarität, die er in Italien und anderen Ländern erlebt habe. Am Montag hatte es etwa in Italien einen Generalstreik für Palästina gegeben: „Ich glaube, das macht den Menschen Hoffnung, dass es jemanden gibt, der sich um uns kümmert und uns nicht vergessen hat." Dankbar ist der Bürgermeister von Bethlehem auch für die Hilfe des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem und die örtlichen Geistlichen. Dies sei „die derzeit größte Hoffnung, die wir in Bethlehem haben."
Tourismus und Wirtschaft brechen zusammen
Die Wirtschaft Bethlehems, die von Pilgerreisen und Gastgewerbe abhängig ist, wurde seit dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem folgenden Krieg schwer getroffen.
„Jetzt, nach dem 7. Oktober, haben wir einen Einbruch, einen tiefen Einbruch auf null Prozent: Alle Hotels, das sind insgesamt 84 Hotels, sind komplett geschlossen. Die Souvenirläden, die Werkstätten, in denen die schönen Olivenholzarbeiten, Perlmutt und Schmuck hergestellt werden, die wir in Bethlehem produzieren, sind geschlossen. Vollständig geschlossen“, sagt Canawati. In der Folge greife die Arbeitslosigkeit weiter um sich:
„Die Arbeitslosenquote ist von 14 auf 65 Prozent gestiegen, und wie Sie wissen, wird den Menschen der Zugang zu Arbeit in den israelischen Gebieten verwehrt.“ Mehr als 120.000 Einwohner Bethlehems, so sagt uns der Bürgermeister der Stadt, arbeiteten früher außerhalb - „einige von ihnen hatten Kredite aufgenommen, und jetzt können sie sich nicht einmal mehr Brot auf den Tisch legen.“
Wasser rationiert
Wasserknappheit und Bewegungseinschränkungen verschärfen die Situation zusätzlich und bringen die Menschen in Bedrängnis. Canawati berichtet, dass Wasser rationiert wird, da es den Palästinensern in Bethlehem nicht gestattet sei, eigene Brunnen zu graben und ihr eigenes Wasser zu fördern: „Wir kaufen unser Wasser von den Israelis, und sie verkaufen uns nur ein Fünftel dessen, was eine Person pro Tag benötigt. Einige Gebiete in Bethlehem bekommen 50 oder 60 Tage lang kein Wasser“, beklagt der Bürgermeister.
Wie es zu dem Papst-Treffen kam
Kurz nachdem er Bürgermeister wurde, hatte sich Canawati schriftlich an das katholische Kirchenoberhaupt gewandt:
„Der erste Brief, den ich nach meiner Ernennung zum Bürgermeister von Bethlehem geschrieben habe, war ein Brief an den Papst, denn wir glauben, dass wir von hier aus viel bewirken und unser Volk unterstützen können. Und das Wichtigste ist, den Menschen Hoffnung zu geben, denn in der jüngsten Zeit verlassen viele Leute Bethlehem und Palästina. Also schrieb ich dem Papst. Und es kam ein Brief zurück, dass ich die Möglichkeit haben würde, den Papst zu treffen", berichtet Bürgermeister Canawati.
(vatican news - sst)
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