Papst Leo traf an diesem Dienstag Sergio Mattarella im Quirinalpalast Papst Leo traf an diesem Dienstag Sergio Mattarella im Quirinalpalast  (ANSA)

Papst Leo im Quirinal: Gemeinsam für Frieden und Multilateralismus

Papst Leo XIV. hat Italiens Staatspräsidenten Sergio Mattarella im Quirinalspalast in Rom besucht und den gemeinsamen Einsatz des Heiligen Stuhles und Italiens für Frieden und Multilateralismus bekräftigt. Angesichts sinkender Geburtenraten in Europa rief er zur Unterstützung von Familien und zum gemeinsamen Einsatz für das Leben auf.

Anne Preckel – Vatikanstadt

Der feierliche Staatsbesuch auf dem Quirinal, einem der sieben Hügel Roms, stand im Zeichen der traditionell engen und vielfältigen Zusammenarbeit zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl. Mit allen Ehren wurde Papst Leo am Dienstag am Dienstsitz des Präsidenten der italienischen Republik empfangen, was sich unter anderem am Abspielen der Hymnen und der Flankierung des Papstautos durch die berittene Leibgarde des Präsidenten vor dem Quirinalspalast zeigte.

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Reichtum Italiens wiederentdecken

Mit Blick auf Italien sprach Leo XIV. in seiner Rede von „guten bilateralen Beziehungen“, „aufrichtiger Freundschaft“ und „tatkräftiger Zusammenarbeit“. Er lobte den „oft bescheidenen und verborgenen, doch unermesslichen Reichtum“ des Landes, den es heute wiederzuentdecken gelte. Mit seinem Besuch wolle er die „starke Verbindung zwischen dem Stuhl Petri und dem italienischen Volk erneuern“, bekräftigte der Papst.

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„Starke Verbindung zwischen dem Stuhl Petri und dem italienischen Volk erneuern“

Mit Blick auf Konflikte weltweit hob der Pontifex Italiens internationales Engagement in vielen Notlagen hervor. Insbesondere erwähnte Leo XIV. den Einsatz des Landes „für die Kinder in Gaza“, auch in Zusammenarbeit mit dem Vatikankrankenhaus Bambino Gesù. Es handele sich dabei um „wichtige und wirksame Beiträge zum Aufbau eines würdigen, friedlichen und glücklicheren Zusammenlebens für alle Mitglieder der Menschheitsfamilie.“

Gemeinsames Engagement für Multilateralismus

Positiv hob der US-Amerikaner zudem das gemeinsame Engagement hervor, das der italienische Staat und der Heiligen Stuhl „seit jeher für den Multilateralismus“ zeigen. Dies sei „ein äußerst wichtiger Wert“, unterstrich Leo XIV.: „Die komplexen Herausforderungen unserer Zeit machen es nämlich mehr denn je notwendig, gemeinsame Lösungen zu suchen und umzusetzen. Daher ist es unerlässlich, Dynamiken und Prozesse umzusetzen und sich dabei auf die ursprünglichen Ziele zu besinnen, die in erster Linie auf die Lösung von Konflikten und die Förderung der Entwicklung ausgerichtet sind, eine transparente Sprache gefördert und Mehrdeutigkeiten vermieden werden, die zu Spaltungen führen können“, so der Papst, sich auf Aussagen seines Vorgängers Franziskus stützend.

Friedenseinsatz

Angesichts „zahlreicher Situationen schwerwiegenden Leids“ brauche die Menschheit heute „dringende und zugleich weitsichtige Antworten“, hob der Papst hervor. Erstes Ziel sei der Frieden, bekräftigte er, der dieses Thema mehrfach als Priorität seines Pontifikates benannt. „Ich erneuere daher meinen eindringlichen Appell, sich weiterhin für die Wiederherstellung des Friedens in allen Teilen der Welt einzusetzen und die Grundsätze der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Zusammenarbeit zwischen den Völkern, die unverzichtbar dafür sind, immer mehr zu pflegen und zu fördern.“

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„Appell, sich weiterhin für die Wiederherstellung des Friedens in allen Teilen der Welt einzusetzen und die Grundsätze der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Zusammenarbeit zwischen den Völkern, die unverzichtbar dafür sind, immer mehr zu pflegen und zu fördern“

Der Papst erwähnte die „prophetischen“ Friedensappelle seiner Vorgänger im Petrusamt, Benedikt XV. während des Ersten Weltkriegs und Pius XII. am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Auch griff er in seiner Rede auf die Enzyklika „Pacem in terris“ (1963) von Papst Johannes XXIII. und die Botschaft zum 1. Weltfriedenstag (1968) von Paul VI. zurück.

Italiens Mission beim Schutz der Schöpfung

Eine besondere Mission sieht Leo XIV. für Italien im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes, wie er in seiner Rede verdeutlichte. Am 3. Oktober 2026 wird in dem Mittelmeerland der 800. Todestag des Heiligen Franz von Assisi gefeiert, der den Blick auf die „Sorge um das Gemeinsame Haus“ lenkt. Franz von Assisi habe für die Achtung der Schöpfung von jener Halbinsel aus geworben, die sich heute Italien nennt, erinnerte der Papst: „Aus diesem Grund glaube ich, dass Italien in besonderer Weise die Mission erhalten hat, den Völkern die Kultur zu vermitteln, die die Erde sieht ,wie eine Schwester, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt‘ anerkennt“, so Leo XIV., der hier aus Franziskus‘ Enzyklika „Laudato sì“ zitierte.

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„Italien hat in besonderer Weise die Mission erhalten, den Völkern die Kultur zu vermitteln, die die Erde sieht ,wie eine Schwester, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt‘“

Sorge um niedrige Geburtenrate in Europa

Besorgt zeigte sich Leo XIV. mit Blick auf die aktuelle Geburtenrate in Europa, die „erheblich“ sinke. Angesichts dieser Entwicklung müssten auf verschiedenen Ebenen familienfreundliche Entscheidungen gefördert und die Werte und Rechte von Familien unterstützt werden, so der Papst. „Insbesondere möchte ich betonen, wie wichtig es ist, allen Familien die unverzichtbare Unterstützung einer würdigen Arbeit unter fairen Bedingungen und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Müttern und Vätern zu garantieren. Wir tun alles in unserer Macht Stehende, um Familien, insbesondere jungen Familien, Vertrauen zu geben, damit sie gelassen in die Zukunft blicken und in Harmonie wachsen können.“

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„Insbesondere möchte ich betonen, wie wichtig es ist, allen Familien die unverzichtbare Unterstützung einer würdigen Arbeit unter fairen Bedingungen und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Müttern und Vätern zu garantieren“

Die italienische Tradition verbinde mit Familienmitgliedern wie Vater und Mutter, Sohn und Tochter, Großvater und Großmutter ganz natürlich Liebe, Respekt, Hingabe sowie auch Aufopferung und Gemeinwohl, lobte der Papst, der sich auch zum Lebensschutz äußerte. In allen seinen Phase gelte es das Leben zu achten und zu schützen, „von der Empfängnis über das hohe Alter bis zum Tod“. Er wünsche sich, „dass diese Sensibilität weiter zunimmt, auch im Hinblick auf die Zugänglichkeit von medizinischer Versorgung und Medikamenten entsprechend den Bedürfnissen jedes Einzelnen“, formulierte Leo XIV..

Migranten weiter unterstützen 

Lobend erwähnte der Papst „die großzügige Hilfe“ Italiens für Migranten und sein Engagement im Kampf gegen den Menschenhandel. „Es handelt sich um komplexe Herausforderungen unserer Zeit, vor denen Italien sich nie gescheut hat.“ In Anwesenheit des italienischen Ministers Matteo Salvini (Lega) ermutigte der Leo XIV. Italien dazu, „die Haltung der Offenheit und Solidarität stets aufrechtzuerhalten“ und bekräftigte zugleich die Notwendigkeit einer „konstruktiven Integration der Neuankömmlinge in die Werte und Traditionen der italienischen Gesellschaft“.

„Konstruktive Integration der Neuankömmlinge in die Werte und Traditionen der italienischen Gesellschaft“

Mit Blick auf kulturelle Traditionen warb der Papst für einen wertschätzenden und selbstbewussten Umgang mit dieser Vielfalt und kritisierte eine Tendenz in der heutigen Zeit, die über Jahrhunderte gereiften Modelle und Werte, die unsere kulturelle Identität prägen, nicht zu schätzen oder ihre Bedeutung zu leugnen.

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Absage an Cancel Culture 

„Verachten wir nicht, was unsere Väter erlebt und uns vermittelt haben, auch wenn es sie große Opfer gekostet hat. Lassen wir uns nicht von massentauglichen und fließenden Modellen blenden, die nur einen Anschein von Freiheit vermitteln, um die Menschen dann stattdessen von Formen der Kontrolle wie aktuellen Modetrends, Handelsstrategien oder anderem abhängig zu machen“, so Leo, der hier auf Worte von Papst Benedikt-Kardinal Ratzinger aus dem Jahr 2005 zurückgriff. Es gelte Erinnerung zu bewahren und Traditionen zu schätzen, „um mit Bewusstsein, Gelassenheit, Verantwortung und Weitsicht in die Gegenwart und Zukunft zu blicken“.

„Lassen wir uns nicht von massentauglichen und fließenden Modellen blenden, die nur einen Anschein von Freiheit vermitteln, um die Menschen dann stattdessen von Formen der Kontrolle wie aktuellen Modetrends, Handelsstrategien oder anderem abhängig zu machen“

Dankbar zeigte sich Leo XIV. in seiner Ansprache für die enge Zusammenarbeit zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl etwa bei kirchlichen Großereignissen wie der Beerdigung von Papst Franziskus, der Papstwahl und dem noch laufenden Heiligen Jahr in Rom. Italien zeige im Heiligen Jahr unzähligen Pilgern aus aller Welt „sein gastfreundliches Gesicht“, lobte Leo XIV.: „Ich denke, dass die schöne Synergie und Zusammenarbeit, die wir in diesen Tagen erleben, bereits an sich ein Zeichen der Hoffnung für alle ist, die im Glauben durch die Heilige Pforte treten und an den Gräbern von Petrus und den Aposteln beten“, merkte er dazu an.

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Mit Blick auf das Hundert-Jahr-Jubiläum der Lateranverträge, das bald begangen wird, warb der Papst Leo für eine gesunde „gegenseitige Abgrenzung“ in Bereichen, in denen katholische Kirche und italienischer Staat im Dienst des Gemeinwohls und auf Grundlage des Konkordats von 1984 arbeiteten.

Mattarella: Lob für Frieden in Nahost

Präsident Mattarella versicherte den Papst in seiner Ansprache der großen Sympathie des italienischen Volkes, „das in Ihrem Wirken zugunsten der zentralen Bedeutung des Menschen, des Friedens und des Dialogs gemeinsame und grundlegende Werte wiederfindet, die auch die Grundlage unserer Verfassung bilden", wie er hervorhob. Besonders im Heiligen Jahr der Hoffnung blickten viele Menschen in Italien und weltweit auf die moralische Autorität des Heiligen Stuhls und fühlten sich durch den Papst und seinen „unermüdlichen Einsatz für die gesamte Menschheit" ermutigt.

Mattarella setzte in seiner Rede zudem außenpolitische Akzente mit Blick auf den Friedensprozess im Nahen Osten. „Wir hoffen, dass die laufenden Verhandlungen über die nächsten Schritte zu einem positiven Abschluss kommen und so schnell wie möglich zu einer endgültigen Beendigung der Feindseligkeiten und Gewalttaten im Gazastreifen führen", so Mattarella - „auch zum Wohle der allgemeinen Stabilität im Nahen Osten und an den Heiligen Stätten, um die Lösung eines Staates für jedes der beiden Völker wieder aufzunehmen, die einzige Möglichkeit für eine Zukunft, in der alle – Israel und Palästina – Frieden und Sicherheit finden können." 

Der Präsident erinnerte daran, „dass wahrer, dauerhafter Frieden in den Herzen der Menschen liegt. Andernfalls schwelt unter der Asche des Endes der Gewalt Groll, der bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder aufflammen kann, sodass man dann feststellen muss, dass das Ende der Gewalt leider nur eine Pause zwischen zwei Explosionen ist." Der Vatikan und Italien träten gemeinsam für die Geltung des Völkerrechts ein, bekräftigte er weiter. Tief besorgt zeigte sich Mattarella allgemein über die Zunahme von Konflikten in der Welt und den „Wegfall von Mechanismen, die Vertrauen zwischen den Staaten schaffen. In diesem Szenario scheinen manchmal die Logik des Stärkeren und die Versuchung, zur Lösung eines Streits zu den Waffen zu greifen, die Oberhand zu gewinnen“, so der Präsident.

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Hintergrund

Eine vergleichbare Zeremonie hatte es zuletzt 2008 gegeben, als Benedikt XVI. den damaligen Präsidenten Giorgio Napolitano besuchte. Unter Papst Franziskus war das Zeremoniell vereinfacht worden. Anders als sein Vorgänger wurde Papst Leo XIV. nach dem Verlassen des Petersplatzes an der vatikanisch-italienischen Staatsgrenze von Außenminister Antonio Tajani und einer Ehrenformation italienischer Streitkräfte begrüßt. Begleitet von der berittenen Leibwache des Präsidenten durchquerte der Papst anschließend im Auto die gesperrten Straßen Roms. Mattarella empfing den Papst im Innenhof des Quirinalsplastes.

Vor den beiderseitigen öffentlichen Reden führten Präsident Mattarella und Papst Leo zunächst ein privates Gespräch hinter verschlossenen Türen. Die Visite des Papstes war ein Gegenbesuch von Leo XIV. auf Präsident Mattarellas Einkehr im Vatikan am 6. Juni. Zu Vatikandelegation gehörten an diesem Dienstag unter anderem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der Substitut im Staatssekretariat Erzbischof Edgar Peña Parra sowie der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz Matteo Zuppi. Auf der Seite Italiens waren auch Regierungschefin Giorgia Meloni und mehrere Minister anwesend. 

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Mattarella hatte am 18. Mai bereits an der Messe zur Amtseinführung des Papstes teilgenommen und den Papst danach im Petersdom begrüßt. Zur Papstwahl am 8. Mai hatte der Präsident seine „herzlichen Glückwünsche“ übermittelt und Italiens Engagement für Frieden, Zusammenleben, Freiheit und Würde aller Menschen versichert.

Papst Leos Vorgänger Franziskus war zwei Mal im Quirinal: am 14. November 2013 bei Giorgio Napolitano und am 10. Juni 2017 bei Sergio Mattarella, der damals gerade für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden war. Dabei traf Franziskus auch mit rund 200 Grund- und Mittelschülern aus italienischen Erdbebengebieten zusammen. Der erste Papstbesuch im Quirinal, der einstigen Residenz der Päpste, datiert auf den 28. Dezember 1939, als Papst Pius XII. dort empfangen wurde.

(vatican news – pr)
 

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14. Oktober 2025, 13:20