Samstagsaudienz: Die Katechese im Wortlaut

Lesen Sie hier in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan, was Papst Leo XIV. an diesem Samstag bei seiner Sonderaudienz zum Heiligen Jahr gesagt hat. Sämtliche Wortmeldungen der Päpste in amtlicher Übersetzung finden Sie auf der Internetseite des Heiligen Stuhls, vatican.va.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Ihr seid am Ziel eurer Pilgerreise angekommen. Doch wie die Jünger Jesu müssen auch wir nun lernen, in einer neuen Welt zu leben. Das Heilige Jahr hat uns zu Pilgern der Hoffnung gemacht. Und das aus folgendem Grund: von jetzt an muss alles im Licht der Auferstehung des Gekreuzigten gesehen werden. In dieser Hoffnung sind wir gerettet! Unsere Augen sind aber noch nicht daran gewöhnt. Und deshalb hat der Auferstandene, bevor er in den Himmel auffuhr, begonnen, unseren Blick zu schulen. Und das tut er auch heute noch! Die Dinge sind nicht nämlich nicht so, wie sie scheinen: Die Liebe hat gesiegt, auch wenn uns viele Differenzen, viele Konflikte zwischen gegensätzlichen Kräften vor Augen stehen.

Auf das hoffen, was noch nicht sichtbar ist

In einer nicht weniger turbulenten Zeit – im 15. Jahrhundert – hatte die Kirche einen Kardinal, der bis heute wenig bekannt ist. Er war ein großer Denker und Diener der Einheit. Sein Name war Nikolaus, und er stammte aus Kues in Deutschland: Nikolaus von Kues. Er kann uns lehren, dass Hoffen auch „Nichtwissen“ bedeutet. Denn wie schon der heilige Paulus schrieb: „Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht?“ (Röm 8,24). Nikolaus von Kues konnte die Einheit der Kirche nicht sehen, die von gegensätzlichen Strömungen erschüttert, zwischen Ost und West gespalten war. Und er konnte auch den Frieden in der Welt und zwischen den Religionen nicht sehen – in einer Zeit, in der sich die Christenheit von außen bedroht fühlte. Doch während er als Diplomat des Papstes auf Reisen war, betete er, und dachte nach. Und deshalb sind seine Schriften voller Licht.

Viele seiner Zeitgenossen lebten in Angst; andere rüsteten sich für neue Kreuzzüge. Nikolaus dagegen entschied sich schon in jungen Jahren dafür, die Nähe von Menschen zu suchen, die Hoffnung hatten; Menschen, die sich mit neuen Disziplinen befassten, gewillt waren, die Klassiker neu zu lesen und zu den Quellen zurückzukehren. Er glaubte an die Menschheit. Er verstand, dass es Gegensätze gibt, die zusammengehalten werden müssen, und dass Gott ein Geheimnis ist, in dem alles, was in Spannung steht, seine Einheit findet. Nikolaus wusste, dass er nicht alles wusste, und gerade so lernte er, die Wirklichkeit immer besser zu verstehen. Welch großes Geschenk für die Kirche! Welche Einladung zur Erneuerung des Herzens! Das sind seine Lehren: Raum schaffen, Gegensätze miteinander versöhnen, auf das hoffen, was noch nicht sichtbar ist.

Die „belehrte Unwissenheit“ ...

Nicolaus Cusanus sprach von einer „belehrten Unwissenheit“ als Zeichen von Intelligenz. Protagonist einiger seiner Schriften ist eine kuriose Figur: der Idiot. Ein einfacher Mensch, ohne jegliche Bildung, der den Gelehrten elementare Fragen stellt, die ihre Gewissheiten ins Wanken bringen.

Wir leben in einer gesegneten Zeit: Wie viele Fragen! 

Und das gilt auch für die Kirche von heute. Wie viele Fragen stellen unsere Lehren auf die Probe! Die Fragen der jungen Menschen, die Fragen der Armen, der Frauen – die Fragen all jener, die zum Schweigen gebracht oder verurteilt wurden, weil sie anders sind als die Mehrheit. Wir leben in einer gesegneten Zeit: Wie viele Fragen! Die Kirche wird zur Expertin in Sachen Menschlichkeit, wenn sie mit der Menschheit auf dem Weg ist und das Echo ihrer Fragen im Herzen trägt.

(vaticannews - übersetzung: silvia kritzenberger)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

25. Oktober 2025, 11:24