Dilexi te - Über die Liebe zu den Armen Dilexi te - Über die Liebe zu den Armen 

„Dilexi te“ von Leo XIV.: Das steht drin

Papst Leo XIV. hat zum ersten Mal in seinem Pontifikat ein größeres Apostolisches Schreiben („Exhortation“) veröffentlicht: eine von seinem verstorbenen Vorgänger Franziskus begonnene Arbeit zum Thema Dienst an den Armen. Hier erfahren Sie, was drinsteht.

Salvatore Cernuzio – Vatikanstadt *

Dilexi te, „Ich habe dir meine Liebe zugewandt“ (Offb 3,9). Die Liebe Christi, die in der Liebe zu den Armen Fleisch wird, verstanden als Fürsorge für die Kranken, Kampf gegen die Sklaverei, Verteidigung von Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, Recht auf Bildung, Begleitung von Migranten, Almosen, Gerechtigkeit. Das sind die Kernthemen des 121 Punkte umfassenden Textes, der das Lehramt der Kirche über die Armen neu durchbuchstabiert.

Mit diesem Dokument, das am 4. Oktober, dem Festtag des heiligen Franz von Assisi, unterzeichnet wurde, tritt der Augustiner-Papst in die Fußstapfen seiner Vorgänger: Johannes XXIII. mit „Mater et Magistra“; Paul VI. mit „Populorum progressio“; Johannes Paul II., der „die vorrangige Option der Kirche für die Armen” herausstrich; Benedikt XVI. mit „Caritas in Veritate“; und schließlich Franziskus, der die Sorge für und mit den Armen zu einem der Grundpfeiler seines Pontifikats gemacht hat.

Von Franziskus begonnen

Papst Franziskus hatte vor seinem Tod im April dieses Jashres mit der Arbeit an der „Apostolischen Exhortation“ (lat., Ermahnung) begonnen. Wie im Fall von „Lumen Fidei“ von Benedikt XVI. im Jahr 2013 ist es auch diesmal der Nachfolger, der das Werk vollendet. Dabei verläuft eine Linie von „Dilexi te“ zu „Dilexit Nos“, der letzten Enzyklika des argentinischen Papstes über die Herz-Jesu-Verehrung, und das liegt am Zusammenhang zwischen der Gottes- und der Nächstenliebe.

Die Gesichter der Armut

Das Schreiben des neuen Papstes analysiert, welche „Gesichter“ die Armut heutzutage annimmt. Er spricht von der materiellen Armut, der sozialen Ausgrenzung, von moralischer, spiritueller und kultureller Armut (9). Aber auch von neuen Formen der Armut, die „subtiler und gefährlicher“ sind (10): Gemeint ist eine Armut, die mit einem für viele ungerechten Weltwirtschaftssystem einhergeht.

„Eine Wirtschaft, die tötet, und eine Kultur, die wegwirft“

Leo XIV. begrüßt ausdrücklich, „dass die Vereinten Nationen die Beseitigung der Armut zu einem der Millenniums-Ziele erklärt haben“. Der Weg, um dieses Ziel zu erreichen, sei allerdings lang, bemerkt er unter Übernahme zweier berühmter Franziskus-Zitate: von der „Diktatur einer Wirtschaft, die tötet“ (92), und von der „Wegwerfkultur“. Diese nehme es „gleichgültig hin, dass Millionen von Menschen verhungern oder unter menschenunwürdigen Bedingungen überleben“ (11). Der Papst fordert einen „Mentalitätswandel“, damit die Würde jedes Menschen „jetzt und nicht erst morgen“ respektiert wird.

Aufnahme von Migranten

Viel Raum widmet Leo XIV. dem Thema Migration, ausgehend von dem traurigen Bild des kleinen Alan Kurdi: Das Bild des syrischen Jungen, der tot an einem Strand liegt, ging vor einigen Jahren um die Welt. Leider, so schreibt der Papst, „werden derartige Vorkommnisse immer mehr zu irrelevanten Randnotizen“ (11).

Ausführlich erinnert der Papst dann an das Engagement der Kirche für Migranten: „Wie eine Mutter begleitet die Kirche alle, die unterwegs sind. Wo die Welt Bedrohungen sieht, sieht sie Kinder; wo Mauern errichtet werden, baut sie Brücken. Sie weiß, dass ihre Verkündigung nur dann glaubwürdig ist, wenn sie sich in Gesten der Nähe und der Aufnahme ausdrückt; und dass in jedem zurückgewiesenen Migranten Christus selbst an die Türen der Gemeinschaft klopft“ (75).

Im übrigen macht sich der US-Papst, der lange in Peru gelebt hat, in Sachen Migration die berühmten „vier Verben“ seines Vorgängers Franziskus zu eigen: „Aufnehmen, schützen, fördern, integrieren“. Und von dem argentinischen Papst übernimmt er auch die Definition der Armen als „Lehrer des Evangeliums“.

Ideologien, irreführende Politik, Gleichgültigkeit

Als „doppelt arm“ bezeichnet Papst Leo Frauen, die unter Ausgrenzung, Misshandlung und Gewalt leiden (12). Und er holt zu einer tiefgreifenden Reflexion über die Ursachen von Armut aus: „Die Armen gibt es nicht zufällig oder aufgrund eines blinden und bitteren Schicksals. Noch weniger ist Armut für die meisten von ihnen eine freie Entscheidung. Und doch gibt es immer noch Personen, die dies behaupten und damit ihre Blindheit und Grausamkeit offenbaren“ (14). Nicht selten, so bemerkt er, lassen sich sogar Christen „von weltlichen Ideologien oder politischen und wirtschaftlichen Orientierungen anstecken, die zu ungerechten Verallgemeinerungen und abwegigen Schlussfolgerungen führen“. Und nicht wenige Menschen sind der Ansicht, „dass allein die Regierung sich um sie kümmern sollte oder dass es besser wäre, sie in ihrem Elend zu lassen und ihnen erst einmal das Arbeiten beizubringen“ (114). Ein Symptom dafür ist aus Leos Sicht die Tatsache, dass das Almosengeben einigermaßen außer Mode gekommen ist. Der Papst wirbt dafür, diese Praxis wiederzuentdecken: „Wir müssen uns in der Almosengabe üben, um das leidende Fleisch der Armen zu berühren“ (119).

Ausdrücklich rügt Papst Leo, dass einige christliche Bewegungen oder Gruppen es an Engagement für die Benachteiligten fehlen ließen (112). Das sei deswegen schwerwiegend, weil „ein untrennbares Band zwischen unserem Glauben und den Armen besteht“ (36).

Das Zeugnis der Heiligen und der Orden

Als Gegenmittel zur Gleichgültigkeit bietet Leo XIV. in seiner Exhortation eine ganze Phalanx von Heiligen, Seligen und Missionaren auf: Franz von Assisi, Mutter Teresa, St. Augustinus und viele andere. Und er würdigt ausgiebig das Wirken von Orden für die Kranken, für die Aufnahme von Waisen, Witwen und Bettlern, für die Befreiung der Opfer der Sklaverei.

Die Tradition dieser Orden sei nicht zu Ende. Im Gegenteil, sie inspiriere neue Formen des Handelns angesichts der modernen Formen der Sklaverei: Menschenhandel, Zwangsarbeit, sexuelle Ausbeutung, verschiedene Formen der Abhängigkeit. „Wenn die christliche Nächstenliebe konkret gelebt wird, dann wirkt sie befreiend“ (61). 


Eine Stimme, die aufrüttelt und anprangert

In seinem Schreiben bekräftigt der Papst auch, wie wichtig es ist, sich für die Bildung von armen und benachteiligten Menschen zu engagieren. Er erwähnt – ganz auf der Linie des Vorgängers Franziskus – den Kampf von Volksbewegungen, deren Führer „oft verdächtigt, ja verfolgt werden“ (80), und wendet sich schließlich an das gesamte Volk Gottes mit der Aufforderung, „, die Stimme … zu erheben, damit sie aufrüttelt, anprangert und sich auch dann exponiert, wenn dies bedeutet, als ‚dumm‘ angesehen zu werden“ (97). „Die Strukturen der Ungerechtigkeit müssen mit der Kraft des Guten erkannt und zerstört werden…“ (ibd.).

Am Schluss des neuen Dokuments steht eine Mahnung an alle Christen: Es sei notwendig, „dass wir alle uns von den Armen evangelisieren lassen“ (102). Sie seien „für die Christen keine soziologische Kategorie, sondern das Fleisch Christi selbst“ (110).

* Der Text wurde von Stefan v. Kempis ins Deutsche übersetzt und bearbeitet.

(vatican news)
 

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09. Oktober 2025, 12:00