Papst Leo an diesem Donnerstag mit Benedict Batabe Assorow, dem neuen Botschafter Ghanas beim Hl. Stuhl Papst Leo an diesem Donnerstag mit Benedict Batabe Assorow, dem neuen Botschafter Ghanas beim Hl. Stuhl  (@VATICAN MEDIA)

Radio-Akademie „Dilexi te“ (2): Was steht eigentlich drin?

Mit dem Thema Armut beschäftigt sich das erste Lehrschreiben von Papst Leo XIV.; wir stellen die wesentlichen Aussagen von „Dilexi te“ vor.

Stefan von Kempis - Vatikanstadt

In unserer zweiten Folge geht es um das, was die Päpste im Lauf der letzten anderthalb Jahrhunderte zum Thema Armut gedacht und gelehrt haben. „Dilexi te“ lässt diese Übersicht mit Leo XIII. starten, auf den sich der neue Papst schon in seiner Namenswahl bezieht. Auszug aus „Dilexi te“: „Das Lehramt der letzten 150 Jahre bietet eine wahre Fundgrube wertvoller Lehren über die Armen. So machten sich die Bischöfe von Rom zur Stimme neuer Erkenntnisse. In der Enzyklika Rerum novarum von 1891 befasste sich Leo XIII. mit der Frage der Arbeit. Er deckte die unerträgliche Lage vieler Industriearbeiter auf und sprach sich für die Schaffung einer gerechten Gesellschaftsordnung aus.“

In „Rerum novarum“ ging Leo vor allem auf die zunehmende Not der Arbeiterklasse ein. In diesem ungleichen sozialen Gefüge sammle sich „der Reichtum in wenigen Händen“ und sei „die Armut weit verbreitet“. „Den Armen“, so schrieb er wörtlich, „lehrt die Kirche, dass vor Gott weder Armut noch die Notwendigkeit, von der Arbeit zu leben, eine Schande sind“.

Papst Johannes XXIII. (1958-63)
Papst Johannes XXIII. (1958-63)

„Die Verwaltung und Verteilung der geschaffenen Güter muss zum Vorteil aller erfolgen“

Ausführlich referiert „Dilexi te“ dann die Haltung von Johannes XXIII. Ende der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. „Gegenüber den unterentwickelten Ländern präsentiert sich die Kirche so, wie sie ist und sein will, nämlich als Kirche aller, insbesondere als Kirche der Armen!“, sagte der Konzilspapst in einer Radiobotschaft. „Jede Verletzung und Missachtung des fünften und sechsten Gebots der zehn Gebote, die Missachtung der Verpflichtungen, die sich aus dem siebten Gebot ergeben, die Missstände im sozialen Leben, die vor Gott nach Rache schreien: All dies muss klar angesprochen und beklagt werden. Es ist die Pflicht jedes Menschen, die dringende Pflicht des Christen, das Überflüssige im Verhältnis zu den Bedürfnissen anderer zu betrachten und sorgfältig darauf zu achten, dass die Verwaltung und Verteilung der geschaffenen Güter zum Vorteil aller erfolgt.“

Auszug aus dem neuen Vatikan-Dokument „Dilexi te“: „In der Folge waren es um die Erneuerung der Kirche bemühte Bischöfe, Theologen und Experten – mit der Unterstützung des heiligen Johannes XXIII. selbst –, die durch ihre Arbeit eine Neuausrichtung des Konzils bewirkten. Von grundlegender Bedeutung ist der christozentrische, also lehrmäßige und nicht nur soziale Charakter dieser Bewegung. Damit wurde die Notwendigkeit einer neuen, einfacheren und schlichteren Form der Kirche deutlich. Eine Kirche, die ihrem Herrn ähnlicher ist als den weltlichen Mächten, und der es darum geht, die gesamte Menschheit zu einem konkreten Engagement für die Lösung des großen Problems der Armut in der Welt anzuregen.“

  (Archivio Fotografico Vatican Media)

Das Konzil bekräftigte die universelle Bestimmung der Güter

Im September 1963 eröffnete der neue Papst Paul VI. feierlich die 2. Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dabei kam er in seiner lateinischen Ansprache auch auf das Thema Armut zu sprechen. „Von diesem Konzil aus, dessen Blick sich auf die ganze Welt richtet, wendet die Kirche den Blick ihres Geistes bestimmten Personengruppen zu. Sie schaut auf die Armen, die Bedürftigen, die Bedrängten, diejenigen, die von Hunger und Schmerz unterdrückt werden, die in Ketten gehalten werden: Sie wendet sich also insbesondere an den Teil der Menschheit, der leidet und weint, weil sie weiß, dass diese Menschen nach dem Evangelium zu ihr gehören, und sie wiederholt gerne die Worte des Herrn: „Kommt alle zu mir“ (Mt 11,28).“

In der Pastoralkonstitution Gaudium et spes bekräftigte das Konzil nachdrücklich die universelle Bestimmung der Güter der Erde und betonte, dass sich daraus eine soziale Funktion des Eigentums ergibt. In dem entscheidenden Abschnitt 69 heißt es:

„Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustattenkommen. Darum soll der Mensch, der sich dieser Güter bedient, die äußeren Dinge, die er rechtmäßig besitzt, nicht nur als ihm persönlich zu eigen, sondern muss er sie zugleich auch als Gemeingut ansehen in dem Sinn, dass sie nicht ihm allein, sondern auch anderen von Nutzen sein können. Zudem steht allen das Recht zu, einen für sich selbst und ihre Familien ausreichenden Anteil an den Erdengütern zu haben. Wer aber sich in äußerster Notlage befindet, hat das Recht, vom Reichtum anderer das Benötigte an sich zu bringen. Auch das Privateigentum selbst hat eine ihm wesentliche soziale Seite; sie hat ihre Grundlage in der Widmung der Erdengüter an alle.“ Für die katholische Soziallehre waren diese klaren Worte ein Meilenstein.

Papst Johannes Paul II. (1978-2995) im Gespräch mit Arbeitern
Papst Johannes Paul II. (1978-2995) im Gespräch mit Arbeitern

„Der Arme ist ein Repräsentant Jesu Christi“

„Der Arme ist ein Repräsentant Jesu Christi“: Das ist eine Formulierung von Paul VI., aber sie könnte auch von Johannes Paul II. stammen. Der polnische Papst erinnerte in seinem langen Pontifikat immer wieder an die bevorzugte Beziehung der Kirche zu den Armen. Er besuchte Mutter Teresa in Kalkutta, streifte in Rio de Janeiro durch eine Favela und verschonte in mehreren Sozialenzykliken weder den Kommunismus noch den Kapitalismus mit scharfer Kritik. „Die Armen finden sowohl im Alten als auch im Neuen Testament besondere Beachtung.“ Das sagte Johannes Paul 1999 bei einer Generalaudienz. „Die Propheten haben immer wieder gegen die Ausnutzung der Armen gesprochen. Von der Freiheit der Armen redet auch Jesus, wenn er den Propheten Jesaja zitiert.“ Damit meinte der Papst ein berühmtes Jesaja-Zitat, mit dem sich Jesus in der Synagoge von Nazareth vorstellt. „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe.“ „Die Armen werden von Jesus seliggepriesen“, so der Papst weiter, „denn ihnen gehört das Himmelreich. Die frohe Botschaft hat im Laufe der Kirchengeschichte viele dazu angespornt, ihr Eigentum mit den Armen zu teilen und selbst arm zu werden.“

Benedikt XVI. bei einer Begegnung mit seinem Nach-Nachfolger in den Vatikanischen Gärten
Benedikt XVI. bei einer Begegnung mit seinem Nach-Nachfolger in den Vatikanischen Gärten   (© Vatican media)

„Der Mensch ist entfremdet, wenn er allein ist oder sich von der Wirklichkeit ablöst“

Dilexi te: Eine Sendereihe von Radio Vatikan. Auszug

Der deutsche Papst Benedikt XVI. schrieb 2009 eine Sozialenzyklika, die die Lehre der Kirche zum Thema Armut und Reichtum neu durchbuchstabiert. Darin standen zum einen ganz konkrete politische Forderungen. Zum anderen aber auch Sätze wie diese: „Eine der schlimmsten Arten von Armut, die der Mensch erfahren kann, ist die Einsamkeit. Genau betrachtet haben auch die anderen Arten von Armut, einschließlich der materiellen Armut, ihren Ursprung in der Isolation, im Nicht-geliebt-Sein oder in der Schwierigkeit zu lieben. … Der Mensch ist entfremdet, wenn er allein ist oder sich von der Wirklichkeit ablöst, wenn er darauf verzichtet, an ein Fundament zu denken und zu glauben. Die Menschheit insgesamt ist entfremdet, wenn sie sich bloß menschlichen Plänen, Ideologien und falschen Utopien verschreibt. … Die Entwicklung der Völker hängt vor allem davon ab, sich als eine einzige Familie zu erkennen, die in einer echten Gemeinschaft zusammenarbeitet und von Subjekten gebildet wird, die nicht einfach nebeneinander leben.“

Von 2013 bis 2025 saß Franziskus auf dem Stuhl des hl. Petrus: ein Papst, der die Armutsfrage noch mal ganz neu in den Mittelpunkt stellte. „Die Armen stehen im Zentrum des Evangeliums“, sagte er bei einer Predigt in Manila. Franziskus fuhr nur im Kleinwagen durch die Gegend und lehnte es ab, in teuren Gemächern zu wohnen. 2017 führte er den Welttag der Armen ein. Bei einer Messe an diesem Welttag im Jahr 2024 stellte Franziskus eine Reihe von Fragen: „Empfinde ich dasselbe Mitgefühl wie der Herr gegenüber den Armen, gegenüber denen, die keine Arbeit haben, die nichts zu essen haben, die von der Gesellschaft ausgegrenzt sind? Und wir dürfen nicht nur auf die großen Probleme der weltweiten Armut schauen, sondern auch auf das Wenige, das wir alle jeden Tag mit unserem Lebensstil tun können, mit der Aufmerksamkeit und Sorge für die Umwelt, in der wir leben, mit dem beharrlichen Streben nach Gerechtigkeit, mit dem Teilen unserer Güter mit den Ärmsten, mit dem sozialen und politischen Engagement, um die Realität um uns herum zu verbessern. Es mag uns wenig erscheinen, aber unser Weniges wird wie die ersten Blätter sein, die am Feigenbaum sprießen, unser Weniges wird ein Vorbote des nahenden Sommers sein.“

„Wie gerne hätte ich eine arme Kirche, und für die Armen!“

„Wie gerne hätte ich eine arme Kirche, und für die Armen!“ Das hat Franziskus 2013 wenige Tage nach seiner Wahl ausgerufen. Auf diesen Ausruf schien der Nachfolger Leo XIV. zu antworten, als er Mitte August 2025 bei einer Messe mit Bedürftigen in Albano sagte: „Wir sind die Kirche des Herrn, eine Kirche der Armen, alle wertvoll, alle Subjekte, jeder ein Träger eines einzigartigen Wortes Gottes. Jeder ist ein Geschenk für die anderen. Reißen wir die Mauern nieder. Ich danke allen, die in jeder christlichen Gemeinschaft wirken, um die Begegnung zwischen Menschen die verschieden sind, zu erleichtern, verschieden aufgrund ihrer Herkunft, ihrer wirtschaftlichen, psychischen, affektiven Situation: Nur gemeinsam, nur indem wir ein einziger Leib werden, an dem auch der Schwächste mit voller Würde teilhat, sind wir der Leib Christi, die Kirche Gottes. … Schließen wir den Herrn nicht aus, aus unseren Kirchen, unseren Wohnungen, unserem Leben. Lassen wir ihn vielmehr in den Armen eintreten, und dann werden wir auch mit unserer eigenen Armut Frieden schließen – die wir fürchten und verleugnen, wenn wir um jeden Preis Ruhe und Sicherheit suchen.“

In „Dilexi te“ stellt Leo XIV. ausführlich die Positionen seiner Vorgänger zum Thema Armut vor. Anschließend schreibt er: „Die Lebenssituation der Armen ist ein Schrei, der in der Geschichte der Menschheit unser eigenes Leben, unsere Gesellschaften, die politischen und wirtschaftlichen Systeme und nicht zuletzt auch die Kirche beständig hinterfragt. Im verwundeten Gesicht der Armen sehen wir das Leiden der Unschuldigen und damit das Leiden Christi selbst. Hier geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um Offenbarung: Der Kontakt mit denen, die keine Macht und kein Ansehen haben, ist eine grundlegende Form der Begegnung mit dem Herrn der Geschichte. In den Armen hat er uns auch weiterhin noch etwas zu sagen.“

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(vatican news)
 

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16. November 2025, 11:29