Papst Leo an türkische Katholiken: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“

Die katholische Kirche in der Türkei (Türkiye) sollte nicht „resigniert auf die Tatsache blicken, dass sie zahlenmäßig kleiner geworden ist“. Vielmehr könnte sie in der „Logik der Niedrigkeit“ ihre „wahre Stärke“ erkennen.

Stefan Kempis - Vatikanstadt

Das hat Papst Leo XIV. an diesem Freitagmorgen in Istanbul der kleinen katholischen Minderheit in der Türkei geraten. „Liebe Freunde, ihr seid aus dem Reichtum einer langen Geschichte hervorgegangen“, sagte er bei einer Begegnung mit Kirchenvertretern in der Heilig-Geist-Kathedrale. „Heute seid ihr die Gemeinschaft, die berufen ist, die Saat des Glaubens zu hegen, die uns von Abraham, den Aposteln und den Kirchenvätern überliefert worden ist.“ Und er zitierte die Jesusworte „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben“ (Lk 12,32).

Samenkorn und Sauerteig

Auch als kleine Gemeinschaft könne die Kirche in der Türkei „als Samenkorn und Sauerteig des Reiches Gottes fruchtbar bleiben“, so Papst Leo, der am Donnerstag zu seiner ersten Auslandsreise in der Türkei eingetroffen ist. „Daher ermutige ich euch, eine geistliche Haltung zuversichtlicher Hoffnung zu pflegen, die auf dem Glauben und der Verbindung mit Gott gründet. Es ist nämlich nötig, das Evangelium mit Freude zu bezeugen und hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken.“

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„Eignet euch die Sprache, die Sitten und Gebräuche der Türkei immer mehr an“

Wachsendes Interesse am Christentum

Als ein wichtiges Zeichen der Hoffnung wertete Papst Leo „die vielen jungen Menschen, die an die Türen der katholischen Kirche klopfen und ihre Fragen und Sorgen mitbringen“. Die Seelsorgenden sollten ihnen zuhören und sie begleiten. Alle Kirchen in der Türkei erleben ein wachsendes Interesse in der mehrheitlich muslimischen Gesellschaft am Christentum. Berichten zufolge kommt es auch zu Konversionen.

Als weitere wichtige Aufgaben der Kirche benannte der Papst die Pastoral für Migranten und Flüchtlinge sowie die Bemühungen um eine stärkere Inkulturation, „damit ihr euch die Sprache, die Sitten und Gebräuche der Türkei immer mehr aneignet“.

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Nizäa als Aufforderung zur Einheit

„bei allen unterschiedlichen Sensibilitäten, Spiritualitäten und Kulturen stets die Einheit und das Wesentliche des christlichen Glaubens um die zentrale Stellung Christi und die Tradition der Kirche herum suchen“

Dann erinnerte Leo XIV. daran, dass seine Reise wesentlich dem feierlichen Gedenken an das Konzil von Nizäa vor 1.700 Jahren gilt. Auf dem Konzil im heutigen Iznik wurde im Jahr 325 ein zentrales Glaubensbekenntnis formuliert. „Um das Glaubensbekenntnis herum fand die Kirche in Nizäa wieder zur Einheit. Es handelt sich also nicht nur um eine lehrmäßige Formel, sondern um die Aufforderung, bei allen unterschiedlichen Sensibilitäten, Spiritualitäten und Kulturen stets die Einheit und das Wesentliche des christlichen Glaubens um die zentrale Stellung Christi und die Tradition der Kirche herum zu suchen.“


Gegen einen „wiederkehrenden Arianismus“

Dazu gehöre „die Dringlichkeit, in Christus das Antlitz Gottes, des Vaters, wiederzuentdecken“. Das sei ein Gegenmittel gegen einen „wiederkehrenden Arianismus“, sagte Leo XIV. – mit deutlichen Anklängen an die erste Predigt als Papst, die er am 9. Mai in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan gehalten hat. „Wenn wir Jesus mit menschlicher Bewunderung betrachten, vielleicht sogar in einem religiösen Geist, ohne ihn jedoch wirklich als den lebendigen und wahren Gott in unserer Mitte anzusehen… Nizäa erinnert uns daran: Christus Jesus ist nicht eine Persönlichkeit der Vergangenheit, er ist der Sohn Gottes, der mitten unter uns ist und die Geschichte in jene Zukunft führt, die Gott uns verheißen hat.“

Dementsprechend dürfe der Glaube nicht statisch weitervermittelt werden, sondern er sei immer „in den Ausdrucksformen und Kategorien jenes Kontextes zu vermitteln, in dem wir leben“. Ausdrücklich sprach Leo XIV. auch von einer Entwicklung der kirchlichen Lehre. „Wir müssen den Kern des Glaubens von den Formeln und historischen Formen unterscheiden, die ihn ausdrücken, die immer nur partiell und vorläufig bleiben und sich ändern können, wenn wir die Lehre allmählich vertiefen. Denken wir daran, dass der neue Kirchenlehrer, der hl. John Henry Newman, auf der Weiterentwicklung der christlichen Lehre besteht…“

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„Dort, wo die Kirche inmitten der Völker entstanden ist“

Zu Beginn des Gebetstreffens hatte Erzbischof Martin Kmetec von Izmir Papst Leo begrüßt: „dort, wo die Kirche inmitten der Völker entstanden ist“. Damit spielte er darauf an, dass die Anhänger Jesu in Antiochien, dem heutigen türkischen Antakya, erstmals mit dem Namen „Christen“ belegt worden sind.

Eine spanisch-türkische Familie traf Papst Leo XIV. kurz persönlich
Eine spanisch-türkische Familie traf Papst Leo XIV. kurz persönlich   (© Christine Seuss (Radio Vatikan/Vatican News))
Eine spanisch-türkische Familie traf Papst Leo XIV. kurz persönlich - hier ihr Bericht

(vatican news)
 

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28. November 2025, 09:07