Leo an Libanons Kirche: „Weiter hoffen und arbeiten“

Papst Leo XIV. ruft die Katholiken im Libanon dazu auf, „weiter zu hoffen und zu arbeiten, auch wenn um uns herum der Lärm der Waffen dröhnt“. Das sagte er an diesem Montag bei einem Besuch im Marienwallfahrtsort Harissa.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Schade, dass es regnete, denn an schönen Tagen bietet Harissa einen atemberaubenden Blick auf das Mittelmeer und die Bucht von Jounieh. Zu Füßen einer überlebensgroßen Marienstatue, die von einem Berg aus weit ins Land guckt, traf der Papst hier oben etwa 4.000 Kirchenvertreter und Seelsorgende aus dem ganzen Libanon. Harissa ist der wichtigste Marienwallfahrtsort im ganzen Nahen Osten; auch viele Muslime kommen hierher, und nicht nur der schönen Aussicht wegen. Das Heiligtum von Harissa – neben einer Basilika von 1904 steht hier seit den neunziger Jahren auch eine moderne aus Beton und mit viel Glas – sei „ein Zeichen der Einheit für das gesamte libanesische Volk“, so sagte es Papst Leo.

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Auch Muslime besuchen den Marienwallfahrtsort

Mit einem „Guten Tag“ stieg der hohe Gast aus dem Vatikan in seine (ansonsten auf Französisch verlesene) Rede ein. Er äußerte sich zunächst einmal lobend über die Libanesen, würdigte en passant sogar ihre im ganzen Nahen Osten berühmte Küche, vor allem aber die „Beharrlichkeit“ der Katholiken im Land der Zedern. Er bete für sie um „die Kraft, weiter zu hoffen und zu arbeiten, auch wenn um uns herum der Lärm der Waffen dröhnt und selbst die Anforderungen des täglichen Lebens zu einer Herausforderung werden“. Das zielte direkt auf die Härten im Leben der Libanesen. Der Staat ist nahezu gescheitert, innere Fliehkräfte zerreißen die Gesellschaft; die Preise klettern ins Astronomische, und der nächste Krieg mit Israel zeichnet sich auch schon am Horizont ab.

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Wie ein wohltuender Regen

„Eines der Symbole im Logo dieser Reise ist der Anker“, sagte Papst Leo. „Wenn wir Frieden stiften wollen, dann müssen wir uns im Himmel verankern und, fest auf dieses Ziel ausgerichtet, ohne Angst vor dem Verlust des Vergänglichen lieben und ohne Maß geben. Aus diesen Wurzeln, die so stark und tief sind wie die der Zedern, erwächst die Liebe, und mit Gottes Hilfe werden daraus konkrete und dauerhafte Werke der Solidarität.“ Wem das jetzt etwas blumig vorkommt, der hat noch nie einen orientalischen Kirchenführer reden hören. So formulierte etwa der armenische Patriarch von Kilikien bei der Begrüßung des Papstes: „Möge die Gnade Gottes wie ein wohltuender Regen auf unsere Berge und in unsere Täler herabkommen.“

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„Sich nicht von Ungerechtigkeit und Übergriffen erdrücken lassen“

Leo ließ erkennen, dass er große Sympathie für das tägliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkünfte und Glaubensrichtungen hegt. In der Liebe habe jeder „etwas zu geben und zu empfangen“, und gegenseitige Hingabe bereichere alle und bringe alle näher zu Gott. Alles eine Frage der Einstellung. „Nur so werden wir nicht von Ungerechtigkeit und Übergriffen erdrückt, selbst wenn man von Menschen und Organisationen betrogen wird, die skrupellos aus der Verzweiflung derjenigen Kapital schlagen, die keine Alternativen haben. Nur so wird Hoffnung in die Zukunft wieder möglich, auch wenn es hart ist angesichts der schwierig zu bewältigenden Gegenwart.“

Jungen Menschen in der Kirche Raum geben

Der Papst erinnerte an die Verantwortung jungen Menschen gegenüber; es sei „wichtig, ihre Präsenz auch in den kirchlichen Strukturen zu fördern … und ihnen Raum zu geben“. „Und es ist notwendig, ihnen – auch inmitten der Trümmer einer Welt, in der es schmerzhafte Niederlagen gibt – im Hinblick auf die Zukunft konkrete und realisierbare Perspektiven des Neuanfangs und des Wachstums zu bieten.“ Ohne solche Perspektiven drohen nämlich die Dauerappelle greiser Kirchenführer, dass die Christen doch bitte im Land bleiben, ungehört zu verhallen.

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Nicht nur gute Ratschläge

Auch das Thema Migranten streifte der Papst; der kleine Libanon hat Hunderttausende von Flüchtlingen aus Palästina und Syrien aufgenommen. Man dürfe „solchen Dramen gegenüber nicht gleichgültig bleiben“. „Das, was sie erlebt haben, verpflichtet uns dazu, uns dafür einzusetzen, dass niemand mehr aufgrund absurder und grausamer Konflikte aus seinem Land fliehen muss und dass diejenigen, die an die Tür unserer Gemeinschaften klopfen, sich nicht abgewiesen fühlen.“ Des Weiteren würdigte Leo das Engagement der libanesischen Kirche im Schulwesen und bat sie im selben Atemzug, „vor allem den Notleidenden und Mittellosen sowie denen, die sich in extremen Situationen befinden, mit Angeboten entgegenzukommen“. Redet man mit katholischen Familien im Libanon, hört man schnell Klagen über das Schulgeld und die teuren Schuluniformen für ihre Kinder.

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Doch der Papst hatte für seine Gastgeber nicht nur gute Ratschläge mitgebracht, sondern auch eine „Goldene Rose“; mit dieser traditionellen Auszeichnung ehrte er das Marienheiligtum von Harissa. Für ein paar schonungslose Einblicke in den libanesischen Alltag zeugten derweil mehrere Ansprachen von ausgewählten Personen. So berichtete ein (übrigens verheirateter) maronitischer Priester von seinem Wirken in einem Dorf an der syrischen Grenze. Er sprach von „Familien, die alles verloren haben, jungen Menschen, die nur in der Flucht eine Zukunft sehen, und Kindern, die zwischen zwei Grenzen aufwachsen“. Und eine Schulleiterin aus dem mehrheitlich muslimischen Baalbek erzählte von den israelischen Luftschlägen auf Hisbollah-Ziele vom letzten Jahr. Solche Luftschläge hatte man teilweise auch von Harissa aus mitbekommen: Der Ort liegt nur ca. zwanzig Kilometer von der Hauptstadt Beirut entfernt.

Anschließendes Treffen mit Patriarchen in der Nuntiatur

Nach der Begegnung mit katholischen Kirchenvertretern empfing Papst Leo in der Nuntiatur von Beirut Patriarchen der Ostkirchen zu einem privaten Treffen. Von Vatikanseite waren dabei auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und der Ostkirchen-Präfekt Kardinal Claudio Gugerotti anwesend. Wie Vatikansprecher Matteo Bruni im Anschluss mitteilte, sei es bei der Begegnung des Papstes mit dem Rat der Ostkatholischen Patriarchen unter anderem um ein gemeinsames Osterdatum für alle Christen gegangen.

Nach dem Treffen habe der Papst in der Nuntiatur mit den sieben Patriarchen und weiteren Kirchenvertretern zu Mittag gegessen – darunter Aram I., Katholikos der Armenisch-Apostolischen Kirche von Kilikien; Ignatius Ephrem II., Patriarch von Antiochia und Oberhaupt der Syrisch-Orthodoxen Kirche; Johanna X. Yazigi, Griechisch-Orthodoxer Patriarch von Antiochia. Von Vatikanseite nahm auch Kardinal Kurt Koch laut Reiseprogramm teil.

 

-aktualisiert 19:00 Uhr Bruni-Info zu Treffen in Nuntiatur-

(vatican news)

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01. Dezember 2025, 11:35