Sonderaudienz mit Papst Leo: Wortlaut

Papst Leo XIV. hat an diesem Samstag wieder eine Sonderaudienz im Rahmen des Heiligen Jahres gehalten. Wir dokumentieren an dieser Stelle den Wortlaut seiner Katechese auf Deutsch in einer Arbeitsübersetzung.

Liebe Brüder und Schwestern,

wir sind vor Kurzem in die liturgische Zeit des Advents eingetreten, die uns lehrt, auf die Zeichen der Zeit zu achten. Wir erinnern uns nämlich an das erste Kommen Jesu, des Gottes-mit-uns, um zu lernen, ihn jedes Mal zu erkennen, wenn er kommt, und um uns darauf vorzubereiten, wenn er wiederkehrt. Dann werden wir für immer zusammen sein. Zusammen mit ihm, mit all unseren Brüdern und Schwestern, mit jeder anderen Kreatur, in dieser endlich erlösten Welt: der neuen Schöpfung.

Dieses Warten ist nicht passiv. In der Tat offenbart uns das Weihnachten Jesu einen Gott, der einbezieht: Maria, Josef, die Hirten, Simeon, Anna, und später Johannes der Täufer, die Jünger und alle, die dem Herrn begegnen, werden einbezogen, sind gerufen teilzunehmen. Es ist eine große Ehre – und was für ein Schwindelgefühl! Gott zieht uns in seine Geschichte hinein, in seine Träume. Hoffen heißt also teilnehmen. Das Leitwort des Jubiläums, „Pilger der Hoffnung“, ist kein Slogan, der in einem Monat wieder verschwindet! Es ist ein Lebensprogramm: „Pilger der Hoffnung“ bedeutet Menschen, die unterwegs sind und erwarten, aber nicht indem sie untätig dastehen, sondern teilnehmend.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns gelehrt, die Zeichen der Zeit zu lesen: Es sagt uns, dass niemand das allein schaffen kann, sondern gemeinsam, in der Kirche und mit vielen Brüdern und Schwestern liest man die Zeichen der Zeit. Es sind Zeichen Gottes, von Gott, der mit seinem Reich kommt, durch die geschichtlichen Umstände. Gott ist nicht außerhalb der Welt, außerhalb dieses Lebens: In der ersten Ankunft Jesu, des Gottes-mit-uns, haben wir gelernt, ihn inmitten der Wirklichkeiten des Lebens zu suchen. Ihn zu suchen mit Verstand, mit Herz und mit hochgekrempelten Ärmeln! Und das Konzil hat gesagt, dass diese Aufgabe in besonderer Weise den gläubigen Laien zukommt, Männern und Frauen, weil der Gott, der Mensch geworden ist, uns in den alltäglichen Situationen begegnet. In den Problemen und in den Schönheiten der Welt erwartet uns Jesus, zieht uns hinein, fordert uns auf, mit ihm zu handeln. Deshalb: Hoffen heißt teilnehmen!

Heute möchte ich an einen Namen erinnern: Alberto Marvelli, ein junger Italiener, der in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts lebte. In seiner Familie nach dem Evangelium erzogen und in der Katholischen Aktion geformt, schloss er sein Ingenieurstudium ab und machte erste Schritte auf dem gesellschaftlichen Parkett zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, den er entschieden verurteilte. In Rimini und Umgebung engagierte er sich mit all seinen Kräften, um Verletzten, Kranken und Geflüchteten zu helfen. Viele bewunderten ihn für diese selbstlose Hingabe, und nach dem Krieg wurde er zum Stadtrat gewählt wo er die Kommission für Wohnraum und Wiederaufbau leitete. So trat er in das aktive politische Leben ein, aber gerade als er mit dem Fahrrad zu einer Wahlveranstaltung unterwegs war, wurde er von einem Militärlastwagen überfahren. Er war 28 Jahre alt. Alberto zeigt uns, dass Hoffen Teilnahme bedeutet, dass das Dienen am Reich Gottes Freude schenkt, auch inmitten großer Risiken. Die Welt wird besser, wenn wir ein wenig Sicherheit und Ruhe verlieren, um das Gute zu wählen. Das ist Teilnahme.

Fragen wir uns: Nehme ich an irgendeiner guten Initiative teil, die meine Talente fordert? Habe ich den Horizont und den Atem des Reiches Gottes, wenn ich einen Dienst tue? Oder tue ich es murrend und beklage mich, dass alles schlecht läuft? Das Lächeln auf den Lippen ist das Zeichen der Gnade in uns.

Hoffen heißt teilnehmen: Das ist ein Geschenk, das Gott uns macht. Niemand rettet die Welt allein. Und nicht einmal Gott will sie allein retten: Er könnte es, aber er will es nicht, denn gemeinsam ist es besser. Teilnehmen ermöglicht es uns, uns selbst ausdrücken und macht das, was wir am Ende für immer schauen werden, mehr zu unserem eigenen, wenn Jesus endgültig wiederkommt.

(vatican news - cs)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

06. Dezember 2025, 11:07