Der einzige Roboter weit und breit prangte auf dem Themenbanner der Konferenz in der römischen Jesuiten-Zentrale Der einzige Roboter weit und breit prangte auf dem Themenbanner der Konferenz in der römischen Jesuiten-Zentrale 

Vatikan und Mediziner aus aller Welt beraten über KI

„Künstliche Intelligenz und Medizin: Die Herausforderung der Menschenwürde“. Unter diesem Titel haben von Montag bis Mittwoch in Rom Vatikanvertreter mit Medizinern beraten.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Nein, Roboter sind nicht aufgetreten bei der jüngsten Konferenz der „Päpstlichen Akademie für das Leben“ und des Weltverbands katholischer Mediziner (FIAMC). Dabei wären sie gar nicht fehl am Platz gewesen, denn bei der internationalen Tagung in Rom ging es um das Thema Künstliche Intelligenz.

„Die Frage lautet: Ist es die Technik, die uns dominiert, oder können wir die Technik einsetzen, um zum Beispiel eine bessere, menschlichere Medizin zu schaffen?“ Das sagte Otmar Kloiber, Generalsekretär des Weltärztebundes, gegenüber Radio Vatikan. „Oder setzt uns die Technik neuen Gefahren aus, denen wir uns stellen und die wir vielleicht auch bekämpfen müssen?“

„Die Frage lautet: Ist es die Technik, die uns dominiert?“

Künstliche Intelligenz im Bereich der Medizin: Das war das Thema. Beleuchtet wurde es aus verschiedenen Blickwinkeln, darunter auch einem theologischen und philosophischen. Zum Beispiel von der Ärztin und Philosophin Christina Koenes: „Der entscheidende Punkt dabei ist, dass es spezifisch menschliche, anthropologische Fähigkeiten gibt, die von Gott in uns hineingelegt worden sind. Wir sind geschaffen als ‚Abbild Gottes‘, und dementsprechend haben wir anthropologische Konstanten, die einfach keine künstliche Intelligenz überwinden kann.“

Zum Beispiel, dass wir über uns selbst hinausgehen, um in Berührung zu kommen mit der Welt und mit unseren Mitmenschen. „Jede künstliche Intelligenz ist im Grunde nur ein in sich geschlossenes System, selbstreferentiell, das alle Informationen der Welt sofort in sich integriert, assimiliert… Jeder Mensch ist fähig, in Beziehung zu treten, die künstliche Intelligenz nicht!“

Wenn eine Visite nach zwei Minuten schon wieder vorbei ist

Allerdings sollte man die ach so unersetzliche persönliche Begegnung zwischen Arzt und Patient auch nicht idealisieren. „Natürlich gab es früher auch nicht diese ganzen technischen Hilfsmittel; der Arzt hat tatsächlich häufiger mit seinen Patienten geredet. Jede durchschnittliche Visite dauert heutzutage leider nur zwei Minuten; das ist einfach zu kurz.“ Aber Koenes glaubt, dass sich das ausgerechnet durch Künstliche Intelligenz künftig verbessern könnte. „Weil sie gerade dazu dienen könnte, dass sie die ganzen Barrieren reduziert und wieder die typisch menschlichen Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellt, nämlich eine wirkliche Beziehung zwischen Arzt und Patient, zwischen zwei Menschen auf Augenhöhe.“

Werden die Ärzte der Zukunft also wirklich weniger auf ihren Bildschirm starren und sich stärker dem Patienten widmen? Tatsächlich hält das auch Kloiber für vorstellbar. „Doch, ich glaube schon! Die künstliche Intelligenz erlaubt es auch, uns mehr von diesem Bildschirm zu entfernen. Dieses Phänomen, dass wir uns ablenken lassen dadurch, dass wir einer Maschine mehr Zeit schenken als dem Gegenüber, das ist ein Fehler unserer Jetztzeit!“ Künftig könnten Ärzte doch zum Beispiel eine KI zuhören und eine Behandlung vorschlagen lassen. Den Einwand, dass der Arzt damit zu einer Art Gesundheitsmanager mit Ethikdiplom wird, lässt er nicht gelten.

„Wir wollen als Patienten, als Menschen nicht gemanagt werden“

KI in der Medizin: Ein Bericht von Radio Vatikan

„Ich glaube, wir wollen als Patienten, als Menschen nicht gemanagt werden. Wenn wir zum Arzt gehen, gehen wir ja nicht dahin, um gemanagt zu werden, sondern um mit Nöten und mit Bedrängnissen und mit Krankheit, Schmerz, Leid umgehen zu können. Das sind höchst menschliche Dimensionen, die da abgefragt werden und die auch der Arzt versuchen sollte zu bedienen. Die Technik ist ein Hilfsmittel dabei, so wie auch das Labor heute ein Hilfsmittel ist, das wir benutzen, und es ist ja auch für die meisten von uns völlig unverständlich, welche Werte wir da herausbekommen… Aber diese Schnittstelle zwischen Arzt und Patient ist höchst menschlich und muss auch höchst menschlich bleiben; das bedarf einer Empathie, einer sozialen Kompetenz, die die Maschine nicht ersetzen kann.“

Christina Koenes legt Wert darauf, dass die Rolle der KI in jedem Fall nur eine dienende, unterstützende sein darf. Der Roboter darf nicht den weißen Kittel überstreifen und das Stetoskoph schwingen.

Den hippokratischen Eid umschreiben?

„Die ärztliche Rolle ist ganz entscheidend dadurch definiert, dass wir uns um die Ärmsten der Armen bzw. um die kümmern, die wirklich vulnerabel sind, die eine menschliche Limitation erreichen, die krank sind, die irgendwelches Leiden haben und sich aktuell nicht in einem Zustand befinden, aus dem sie einfach selber herauskommen, sondern sie brauchen wirkliche Hilfe von einem Arzt. Und die Dimensionen davon sind ja nicht immer nur physischer, sondern auch psychischer, sozialer oder eben spiritueller Natur. Die kann nur ein menschlicher Arzt erfüllen und nicht eine Künstliche Intelligenz.“

Natürlich haben die päpstliche Akademie und die Mediziner bei ihrer Tagung in Rom auch ein gemeinsames Papier veröffentlicht, von dem keiner weiß, ob es den Siegesmarsch der Künstlichen Intelligenz im Gesundheitswesen in irgendeiner Weise beeinflussen können wird. Müsste angesichts von KI nicht der hippokratische Eid der Mediziner umgeschrieben werden? Koenes: „Der hippokratische Eid ist ja immer wieder ergänzt worden um technische Neuerungen und Anpassungen. Ich glaube, je nachdem, wie sich Künstliche Intelligenz entwickelt, wird es früher oder später so oder so eine Anpassung geben und auch geben müssen. Nichtsdestotrotz ist im hippokratischen Eid bereits ganz klar die Würde des Menschen als das Zentrale festgeschrieben, und ich glaube, das ist immer dasjenige, worauf es ankommt.“

(vatican news)
 

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12. November 2025, 15:28