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KI und Religionsfreiheit: Keine Diskriminierung reproduzieren

Wie lässt sich Künstliche Intelligenz für Frieden, Versöhnung und die Entwicklung der Völker nutzen? Und wie lässt sie sich so gestalten und gebrauchen, dass sie nicht Vorurteile und Diskriminierungen, auch religiöser Natur, reproduziert? Um solche Fragen hat sich der Vatikan gemeinsam mit Vertretern anderer Weltreligionen jüngst bei einem Forum zum Thema Religionsfreiheit Gedanken gemacht.

Anne Preckel und Guglielmo Gallone – Vatikanstadt

Papst Leo XIV. hatte erst jüngst erneut daran erinnert, das KI dem Menschen dienen muss, ihr Gebrauch dürfe „Identität und Würde der menschlichen Person und ihre Grundfreiheiten nicht beeinträchtigen“ - das schrieb er Ende November an ein Forum zum Thema Religionsfreiheit und KI, das am Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten in Rom stattfand.

Gemeinsam mit anderen Weltreligionen tritt die katholische Kirche tritt schon länger dafür ein, dass technische Entwicklung einem ganzheitlichen menschlichen Fortschritt dient und nicht gegenteilig genutzt wird. Die Päpstliche Akademie für das Leben lancierte 2020 mit Vertretern der italienischen Regierung und aus der Tech-Branche ein Selbstverpflichtungs-Programm für eine Ethik der Künstliche Intelligenz. Dem sogenannten „Rome Call for AI Ethics“ schlossen sich seitdem Vertreter der Politik, Wirtschaft und Religionen an. So fand etwa im Sommer 2024 im japanischen Hiroshima das historische interreligiöses Treffen „AI Ethics for Peace“ statt. Diesen Freitag, 5. Dezember, thematisiert eine Vatikan-Konferenz den ethischen und sozialen Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz (Artificial Intelligence and Care of Our Common Home).

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Religionsfreiheit in Gefahr

Zu den mit KI verbunden Schattenseiten gehört, dass alte Vorurteile und Diskriminierungen, auch religiöser Natur, reproduziert und verstärkt werden. Auch die Vertraulichkeit von Daten im Netz, die mit spirituellen Überzeugungen zu tun haben, ist bei KI nicht garantiert geschweige denn das für echte interreligiöse Begegnung notwenige Fingerspitzengefühl.

Auf die Frage der Reproduktion von Diskriminierung durch KI wies beim III. Forum zur Religionsfreiheit in Rom ein muslimischer Religionsvertreter hin. KI lerne aus dem, was sie im Netz findet, und das Netz sei „voller Vorurteile“, hob Imam Nader Akkad, Berater für religiöse Angelegenheiten beim Islamischen Kulturzentrum Italiens, hervor: „Wenn der Algorithmus von diesen geprägt wird, kann er letztendlich gerade den religiösen Glauben benachteiligen“.

Aus diesem Grund brauche die Religionsfreiheit heute „nicht nur physische Kultstätten, sondern auch Garantien für die digitale Identität der Nutzer“, so Nader Akkad, für den die Frage der Religionsfreiheit „im Mittelpunkt dieser technologischen, kulturellen und somit menschlichen Faktoren“ steht. „Wenn wir alles einer Maschine ohne Gewissen überlassen, gefährden wir unsere Freiheit.“

„Wenn wir alles einer Maschine ohne Gewissen überlassen, gefährden wir unsere Freiheit“

Der Islam sei nicht technikfeindlich, führte der Imam gegenüber Radio Vatikan weiter aus, er verstehe Technologie oder Innovation als „Geschenk Gottes“. Es gebe aber eine Gefahr: „Wir müssen die Technologie nicht fürchten. Mehr als alles andere müssen wir die Abwesenheit, die Unfähigkeit einer Führung fürchten.“ Diese Vision, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen muss, deckt sich mit der Vision einer „Algor-Ethik“, das heißt einem anthropozentrischen Ansatz der KI.

Isolation und Verlust sozialer Fähigkeiten

Auf die zentrale Rolle von Bildung wies bei der Konferenz in Rom Svamini Shuddhananda Ghiri, Vizepräsidentin der Vereinigung italienischer Hindus (Unione Induisti Italiani) hin. Im Mittelpunkt ihres Vortrags stand „die offene Frage“, ob ein Algorithmus die verkörperte Figur des Lehrers ersetzen könne. Auch im Hinduismus werde Künstliche Intelligenz nicht verteufelt. In vielen Schriften reiche der Baum der Erkenntnis mit seinen Wurzeln bis zum Himmel, und diese Wurzeln stünden für die Wissenschaften des Wissens.

Insbesondere für jüngere Menschen ortete die Hindu-Vertreterin aber auch Gefahren im Zusammenhang mit KI: etwa Isolation und der Verlust der Fähigkeit zur direkten Beziehung, der Fähigkeit, sich in die Augen zu schauen. Im Gegensatz dazu blieben in den religiösen Traditionen „das Wort, die Schwingung des Wortes, die Kreativität des Wortes“, so Svamini, Elemente, die es zu bewahren gelte, die Kompass seien, um jenes Urteilsvermögen zu gewährleisten, das Grundlage im Hinduismus sei.

Denken, Unterscheiden - Zeit

Eine Vertreterin des Buddhismus verwies auf die wesentliche Rolle der Zeit und Innerlichkeit für die Verarbeitung von Informationen und die Bedeutung des Unterscheidungsvermögens. Der religiöse Weg sei „nicht schnell“, Religionen bestünden aus Höhen und Tiefen, Fragen, die Zeit, Pausen und Stille erforderten, gab Maria Angela Falà, Präsidentin der Maitreya-Stiftung und ehemalige Präsidentin der Vereinigung italienischer Buddhisten, zu bedenken.

„ChatGPT kann zwar Hinweise geben, aber die Fragen und die innere Verarbeitung erfordern Zeit, die es heute offenbar nicht mehr gibt“

„Und auf Fragen findet man nicht so leicht eine Antwort. ChatGPT kann zwar Hinweise geben, aber die Fragen und die innere Verarbeitung erfordern Zeit, die es heute offenbar nicht mehr gibt.“ Deshalb werde der ethische Beitrag entscheidend, bekräftigte Falà und erinnerte daran, „dass es in der buddhistischen Sprache den Begriff appamada gibt, der für Wachsamkeit und Gewissenhaftigkeit steht: eine Aufforderung, wachsam zu bleiben“.

KI nicht allein Werkzeug, sondern „Umfeld“

Der Untersekretär des Dikasteriums für Kultur und Bildung, Pater Antonio Spadaro SJ, bezeichnete KI als „wahre transformative Kraft unserer Zeit“, weil sie „die Bedeutung der menschlichen Erfahrung verändert und neugestaltet“. In diesem Sinne sollte KI nicht mehr nur als „Werkzeug, das man benutzt” verstanden werden, sondern als „ein Umfeld, in dem man lebt: eine Technologie, die lernen, orientieren und kommunizieren kann und in der auch die intimsten Fragen des Gewissens, einschließlich religiöser Fragen, ihren Platz haben”.

Hier kommt die Religionsfreiheit ins Spiel: Denn die Freiheit zu glauben und sich zu äußern erstreckt sich auch auf digitale Räume, die von Algorithmen, Plattformen und Logiken beherrscht werden. Allgemein begrüßt wurde beim Forum in Rom ein Vorschlag Spadaros, der sich für eine „interreligiöse Synode der Intelligenz“ aussprach, wo religiöse Fragen und die großen Fragen unserer Zeit behandelt werden sollten, etwa: Was ist das Menschliche? Was ist Schmerz? Was ist Weisheit? Und wie kann man dafür sorgen, dass eine KI, die bereits in religiösen Praktiken vorhanden ist, die Würde des Menschen respektiert?

Beiträge bei der Konferenz im Palazzo Chigi stammten weiter von den Wissenschaftlerinnen Beatrice Serra und Debora Tonelli sowie von Vertretern der Bereiche Advocacy und Kommunikation Marta Petrosillo und Fabio Bolzetta.  Eingeleitet wurde das Forum von Davide Dionisi, dem Sonderbeauftragten des italienischen Außenministers für die Förderung der Religionsfreiheit und den Schutz von Minderheiten weltweit.

(vatican news – pr)

 

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04. Dezember 2025, 11:20