Armenien: Krise im Patriarchat von Konstantinopel
Der Oberste Rat sprach am Freitag unter Leitung von Katholikos-Patriarch Karekin II. über die aktuellen Entwicklungen in Istanbul, die zur Unterbrechung des Prozesses für die Wahl eines neuen armenischen Patriarchen für die Bosporus-Metropole geführt haben. Der neue Patriarch soll Mesrob II. Mutafyan nachfolgen, der seit 2008 durch eine neurologische Erkrankung an der Ausübung des Amtes gehindert ist.
Alle, die im Patriarchat vom Konstantinopel verantwortliche Positionen innehaben, müssten persönliche Interessen und Konflikte beiseite lassen. Die türkische Regierung wiederum solle es dem Patriarchat erlauben, den Prozess für die Wahl eines neuen Patriarchen wieder aufzunehmen, heißt es in der Erklärung der Mitglieder des Obersten Rates.
Anfang Februar hatte das Amt des Gouverneurs von Istanbul den Wahlprozess praktisch annulliert. Die türkischen Behörden entschieden, dass die „notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben sind“, um einen Wahlprozess durchzuführen, da Patriarch Mesrob II. noch lebt und die türkischen Rechtsvorschriften vorsehen, dass ein neuer armenischer Patriarch nur gewählt werden kann, wenn das Amt nach dem Tod des Vorgängers nicht besetzt ist.
Der Schritt der türkischen Behörden hat in der armenischen Community von Konstantinopel zu heftigen Reaktionen geführt. Die zweisprachige Wochenzeitung „Agos“ schrieb in einem Leitartikel, dass die Entscheidung der Behörden die Beziehungen zwischen der armenischen Gemeinschaft und dem türkischen Staat beeinträchtige. Der Vorfall sei eine schwerwiegende Einmischung der Behörden „in die inneren Angelegenheiten der armenischen Kirche“.
Konflikt mit den Behörden
Nach der im März 2017 erfolgten Wahl von Erzbischof Karekin Bekdjian als neuer „Locum tenens“ des Patriarchats - anstelle des zuvor als Generalvikar des Patriarchats gewählten Erzbischofs Aram Ateshyan - und der Einsetzung eines mit der Fortführung des Wahlprozesses beauftragten Komitees blieben alle offiziellen Eingaben des Patriarchats an die türkischen Behörden unbeantwortet. Schon bald sei die Aversion der türkischen Behörden gegen Erzbischof Bekdjian spürbar geworden, heißt es in einem Bericht der katholischen Nachrichtenagentur Fides. Laut „Agos“ liefen die einzigen Kontakte zwischen Kirche und Staat stattdessen über einen prominenten armenischen Geschäftsmann.
Das frustrierte Wahlkomitee, das nicht tätig werden konnte, legte schließlich im Februar 2018 Protest gegen die Haltung des Innenministeriums ein. Daraufhin schrieb das Amt des Gouverneurs von Istanbul am 6. Februar an das Patriarchat, dass die Bedingungen für die Wahl eines neuen armenischen Patriarchen nach wie vor nicht vorhanden seien und dass Erzbischof Atesyan weiterhin als Generalvikar des Patriarchats betrachtet werde - ein Amt, das er „bis zum Tod von Mesrob II.“ innehaben werde. Tags darauf kam es zu einem Treffen der Vorstandsmitglieder der armenischen frommen Stiftungen und der Rechtsberater des Patriarchats mit Innenminister Süleyman Soylu und dem Istanbuler Gouverneur Vasip Sahin.
Der armenisch-apostolischen Kirche gehören rund sieben Millionen Gläubige an, von denen fast zwei Drittel in der weltweiten Diaspora außerhalb Armeniens leben. Das armenisch-apostolische Patriarchat von Konstantinopel besteht seit dem 15.Jahrhundert. Noch 1914 stand der armenische Patriarch von Konstantinopel 55 armenisch-apostolischen Diözesen mit rund 1,5 Millionen Gläubigen vor. Während des Ersten Weltkrieges und des Genozids an den Armeniern Anfang des 20. Jahrhunderts war das Patriarchat von Konstantinopel vorübergehend aufgelöst. Heute beträgt die Gesamtzahl seiner Gläubigen in der Türkei nur noch 70.000.
(kap – sk)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.