Die Adelige, die gegen die Sklaverei kämpfte

Zum 50. Jahrestag ihrer Seligsprechung erinnert das Österreichische Kulturforum Rom diese Woche an die selige Maria Theresia Ledóchowska. Eine außergewöhnliche Frau, die im 19. Jahrhundert als Hofdame anfing und dann zur Vorkämpferin gegen die Sklaverei wurde.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Maria Theresia Ledóchowska gründete eine Ordensgemeinschaft, nutzte Medien wie eine Influencerin, schrieb, trat auf, vernetzte andere, sammelte und verbreitete Fotos aus Afrika, um für die Freiheitsrechte von Menschen auf dem schwarzen Kontinent zu werben. Das Kulturforum Rom stellt diese Woche Dutzende dieser Bilder aus, historische Dias aus der Afrika-Mission, die Maria Theresia Ledóchowska sammelte – sie, die selbst nie den Fuß auf afrikanischen Boden setzte, aber die Kontakte knüpfte, um diese Bilder zu erhalten. Ebenfalls angesetzt: eine Lesung aus Ledóchowskas Tagebüchern und der Dokumentarfilm „Die rebellische Gräfin“ von Gabriele Neudecker für die ORF-Sendereihe „kreuz und quer“.

Hier zum Hören:

Eine folgenreiche Begegnung in den Bergen

Wenig deutete auf diesen aktiv ausschreitenden Lebensweg hin, als Maria Theresia Ledóchowska 1863 in Loosdorf in Niederösterreich zur Welt kommt. Die junge Adelige polnischer Abstammung ist zunächst Hofdame in Salzburg und Schriftstellerin. Dann hat sie eine wegweisende Begegnung. Sie sucht 1889 in den Schweizer Bergen Kardinal Charles Lavigerie auf, Erzbischof von Algier, Gründer des Ordens der Weißen Väter und Gegner der Sklaverei.

„Und war dann um sieben frisiert und gekleidet an der Table d'Hôtes bei ihren Herrschaften, als ob nichts gewesen wäre“

„Sie hat eine unglaubliche Bergwanderung in rasender Geschwindigkeit hingelegt, weil sie dieses Ziel, ihn kennenzulernen, mit ihm zu sprechen, erreichen wollte“, so die Autorin Irene Schrattenecker, die sich intensiv mit Maria Theresia Ledóchowska beschäftigt hat und am Kulturforum aus deren Tagebüchern liest. „Und dann hat sie in 20 Minuten sich erstens vorgestellt, zweitens ihr Anliegen präsentiert, drittens ihr Theaterstück »Die Zaida«, das sie schon verfasst hatte, wo es um die Antisklaverei geht, um die Befreiung eines afrikanischen Mädchens aus der Sklaverei, ihm gegeben, hat sich von ihm segnen lassen und dann ist sie wieder in rasender Geschwindigkeit hinunter. Und war dann um sieben frisiert und gekleidet an der Table d'Hôtes bei ihren Herrschaften, als ob nichts gewesen wäre. Und das ist dann für sie der Ausgangspunkt, da sagt sie dann: Jetzt habe ich diesen Auftrag bekommen von Kardinal Lavigerie persönlich, ich verlasse den Hof und widme mich nur mehr diesem meinem Anliegen.“

Eines der Bilder aus der Afrika-Sammlung der Seligen
Eines der Bilder aus der Afrika-Sammlung der Seligen   (© SSPC)

Lavigerie sagte der jungen Adligen, „dass die Frauen etwas unternehmen sollen gegen die Sklaverei in Afrika. Diesen Ruf hat sie wirklich als Gottesanruf erhalten und verstanden als ihre Berufung“, fügt die polnische Ordensfrau Ursula Lorek hinzu, Oberin der Missionsschwestern vom hl. Petrus Claver in Maria Sorg bei Salzburg - diese Ordensgemeinschaft gründete Ledóchowska nach ihrer Begegnung mit dem Kardinal.

Ihr Anliegen streute die Ordensgründerin breit. Sie hielt Vorträge, gründete gegen erhebliche Widerstände eine Druckerei in Salzburg, schickte ihre Missionszeitschrift „Echo aus Afrika“, die heute noch erscheint, in alle Welt. „Sie konnte nicht ertragen, dass die Menschen verkauft und so schlecht behandelt werden“, sagt Schwester Ursula Lorek. „Und dann hat sie verstanden, eines, was helfen könnte, wäre, wenn die Menschen das Evangelium kennenlernen würden.“

Katechist Französisch-Kamerun, nach 1916. Aus der Sammlung Ledochowska.
Katechist Französisch-Kamerun, nach 1916. Aus der Sammlung Ledochowska.   (© SSPC)

Wiederholt kritisierte Ledóchowska das Eindringen von Kolonialismus in traditionelle afrikanische Länder. Mit ihrer offenen Rede, ihrer Entschlossenheit, ihrem Blick weit über den Horizont hinaus unterwanderte diese physisch zarte Frau auch die Weiblichkeitsvorstellungen ihrer Zeit, die für gebildete Damen wie sie ein Leben in abgeschlossenen Kreisen vorsahen. Maria Theresia Ledóchowska indessen tourte mit einer technisch hochmodernen Dia-Schau um die Jahrhundertwende durch halb Europa.

Mädchen aus Utaita (Ostafrika)_Britisch-Ostafrika (Kenia), um 1900, Fotostudio D.V.F. Figueira. Aus der Sammlung Ledochowska
Mädchen aus Utaita (Ostafrika)_Britisch-Ostafrika (Kenia), um 1900, Fotostudio D.V.F. Figueira. Aus der Sammlung Ledochowska   (© SSPC)

„Sie wollte für ihre Zeitschriften Material haben, viele Fotos“, erzählt Sr. Ursula Lorek. „Von diesen Fotos hat sie dann nachher Glasbilder, Glas-Dias gemacht. Und wir haben er vor zwei Jahren auf unserem Dachboden im Missionshaus in Salzburg eine Entdeckung gemacht, über 2000 Glas-Dias entdeckt, die jetzt digitalisiert werden.“ Die Afrika-Fotoausstellung am Kulturforum zeigt also nur einen kleinen Ausschnitt der Bilder, die die Ordensgründerin zusammentrug – Bilder, die einen hohen historischen Wert haben.  

„Ledóchowska hat in gewisser Weise auch für die Befreiung der Frau viel getan“

Auch künstlerisch war Ledóchowska eine Vielbegabte. Sie konnte zeichnen, musizieren, vor allem aber schreiben. Irene Schrattenecker: „Sie war hochintelligent, war eine hervorragende Schriftstellerin, was man jetzt nicht mehr weiß, aber aus ihren Tagebüchern ableiten kann - und aus dem, was an Literatur noch erhalten ist. In Literaturgeschichten ist sie ungefähr bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts vertreten. Und dann, glaube ich, hat man sie vergessen, weil sie eben eine katholische Schriftstellerin war.“ Und noch einen Aspekt hebt die Autorin hervor: „Ledóchowska hat in gewisser Weise auch für die Befreiung der Frau viel getan, obwohl sie das durchaus nicht im Sinn hatte. Sie war keine Feministin im engen Sinn, aber eine Feministin ante litteram für mich“. 

Maiandacht der "eingeborenen" Novizinnen Madagaskar unter französische Kolonialherrschaft, 1897–1905
Maiandacht der "eingeborenen" Novizinnen Madagaskar unter französische Kolonialherrschaft, 1897–1905   (© SSPC)

„Sie hatte ein großes Gottvertrauen“

Ledóchowskas Tagebücher liegen in Rom. Dorthin übersiedelte sie 1905, um das Generalat ihrer Ordensgemeinschaft zu leiten. Und auch ihr Todesort ist Rom. 1922 starb Maria Theresia Ledóchowska im 60. Lebensjahr. Ihre Kraft schöpfte sie aus dem Glauben, sagt Schrattenecker: „Sie hatte ein großes Gottvertrauen. Wenn du eine Sache machst, mach sie gut. Das hat sie auch gemacht, sie hat bis zum Umfallen gearbeitet für ihre Sache.“

1975 wurde sie – gemeinsam mit Arnold Janssen und Josef Freinademetz - in Rom von Papst Paul VI. selig gesprochen. Das Österreichische Kulturforum Rom ehrt mit seiner Veranstaltungsreihe zu Maria Theresia Ledóchowska eine Frau, die in ihrer Zeit Grenzen sprengte – als Intellektuelle, als Ordensgründerin und als starke Stimme gegen die Sklaverei.

(vatican news – gs)

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27. Oktober 2025, 13:43