John Henry Newman: vom anglikanischen Priester zum Heiligen und Kirchenlehrer der katholischen Kirche John Henry Newman: vom anglikanischen Priester zum Heiligen und Kirchenlehrer der katholischen Kirche

John Henry Newman: Ein Kirchenlehrer für unsere Zeit

Nur 37 Persönlichkeiten der Kirchengeschichte tragen bisher den Titel „Kirchenlehrer“. Diesen Samstag wird der britische Kardinal John Henry Newman in diesen illustren Kreis aufgenommen. Im Gespräch mit Radio Vatikan erklärt Pater Hermann Geissler vom Newman-Zentrum in Rom, was diesen Heiligen, der auf Herzensbildung statt bloßes Wissen setzte und unbeirrbar auf das Wirken Gottes vertraute, so besonders macht.

Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt

Am 1. November 2025 wird Papst Leo XIV. den heiligen John Henry Newman bei einer feierlichen Zeremonie in Rom zum Kirchenlehrer erheben – eine besondere Ehre, die vor ihm bisher nur 37 anderen Heiligen zuteilwurde.

„Damit jemand zum Kirchenlehrer ernannt werden kann, muss er oder sie ein heiliges Leben geführt haben, nur Heilige können also Kirchenlehrer werden, und darüber hinaus muss eine eminente Lehre vorliegen: also eine ganz herausragende Lehre, die der Kirche hilft, das Evangelium besser zu verstehen und die für die Glaubenslehre der Kirche von herausragender Bedeutung ist,“ erklärt Pater Hermann Geissler FSO - Leiter des Internationalen Zentrums der Newman-Freunde in Rom -, was es mit dieser besonderen Auszeichnung für den anglikanischen Gelehrten auf sich hat, der 1845 durch seinen Übertritt zum Katholizismus für Aufsehen sorgte.

Pater Hermann Geissler FSO (rechts) in der Bibliothek des Internationalen Zentrums der Newman-Freunde in Rom
Pater Hermann Geissler FSO (rechts) in der Bibliothek des Internationalen Zentrums der Newman-Freunde in Rom

Newman und die Herausforderungen unserer Zeit

Newman sei ein Heiliger für unsere Zeiten gewesen, der unsere Herausforderungen nicht nur vorausgesehen, sondern auch selbst durchlebt habe: „die Herausforderungen durch die Technik und Wissenschaft, die Herausforderung auch durch den modernen Atheismus.“ Seine große Stärke liege – wie Pater Geissler betont – darin, dass er „gerade für die Herausforderungen der Kirche unserer Zeit sehr ausgewogene und überzeugende Antworten“ bieten könne.

2010 wurde der englische Kardinal, Theologe und Philosoph von Benedikt XVI. seliggesprochen, neun Jahre später von Papst Franziskus zum Heiligen erklärt. Joseph Ratzinger lernte Newman schon als Seminarist in Freising kennen.

„Er war vor allem angetan von seiner Gewissenslehre: Der Gehorsam in der Kirche wurzelt in der freien Gewissensentscheidung der Mitglieder,“ erinnert sich Pater Geissler. „Er war dann auch angetan von Newmans Entwicklungslehre: Der Glaube ist nicht wie ein Paket vom Himmel gefallen, sondern hat sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt und entfaltet, so wie ein Organismus, der mit der Zeit wächst und heranreift. Und er war auch angetan von Newmans Mut, zur Wahrheit zu stehen und dafür auch zu leiden.“

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Die Kraft des Gebets

Wie uns Sr. Anna Düringer erzählt, zog der britische Heilige die Kraft dafür vor allem aus dem Gebet. „Einmal erklärte Newman das Gebet in einer Predigt folgenderweise: Gebet ist die Übung, sich Gott und der unsichtbaren Welt zuzuwenden. In jeder Saison, an jedem Ort, in jeder Not“, betont die Österreicherin, die seit 2022 am Newman-Zentrum im englischen Littlemore wirkt, „dem Ort an dem Newman zur Klarheit gekommen ist, dass die katholische Kirche die erste Kirche ist“ und wo Gäste auch im persönlichen Gebetsraum des Heiligen beten können.

Papst Benedikt XVI. hat nur zwei Personen persönlich seliggesprochen: Johannes Paul II. und John Henry Newman. Hier bei der Seligsprechung in Birmingham am  19. September 2010
Papst Benedikt XVI. hat nur zwei Personen persönlich seliggesprochen: Johannes Paul II. und John Henry Newman. Hier bei der Seligsprechung in Birmingham am 19. September 2010


Die Menschen in ihrem Herzen formen...

Integrität und Herzensbildung waren für Newman wesentlich. Seine Gedanken zur Bildung und zum Laienapostolat sind auch für die Kirche des 21. Jahrhunderts aktuell. Newman war es immer ein Anliegen, nicht nur Fachwissen weiterzugeben, sondern die Menschen vor allem in ihrem Herzen zu formen.

„Er hat gesagt, dass für die Bildung Wissen, Tugend und Religion notwendig sind. Er hat ein ganzheitliches Bildungskonzept gefördert, das von ganz großer Bedeutung und Aktualität ist, weil heute Bildung ja weithin reduziert ist auf die Weitergabe von Spezialwissen,“ führt Pater Geissler dazu aus. Newman aber habe gewollt, dass Persönlichkeiten herangeformt werden: Menschen, die wirklich reif sind und die in Gesellschaft und Kirche Verantwortung übernehmen können.

Das Gewissen: Echo der Stimme Gottes

Auch die Mitglieder der Weißen Rose kannten und schätzten Newmans Schriften. Vor allem seine Gedanken zum Gewissen, zur Wahrheit und der persönlichen Verantwortung vor Gott waren für die Geschwister Scholl und ihre Freunde eine wichtige Inspiration bei ihrem Widerstand gegen das NS-Regime…

„Newman war davon überzeugt, dass wir im Gewissen nicht unsere eigene Stimme hören, dass das Gewissen nicht Selbstbehauptung ist, sondern dass das Gewissen das Echo der Stimme Gottes in mir, in meinem Herzen, ist. Und deswegen müssen wir dieser Stimme immer gehorchen; wir müssen auf sie hören, sie respektieren, sie natürlich auch formen, damit sie eine wahre Stimme ist – formen und ausrichten nach dem Evangelium, nach der Lehre der Kirche. Aber Newman würde immer sagen, dass wir verpflichtet sind, dem Gewissen zu folgen, und die Autorität hat nur die Bedeutung, der Gewissensformung zu dienen. Wenn wir nicht überzeugt sind von einer Autorität, dann hat sie auch keine bindende Kraft für uns. Und wenn sie gar gegen die Wahrheit steht, dann ist sie nicht verbindlich für uns – und da müssen wir ihr vielleicht sogar Widerstand leisten.“

Pater Geissler leitet den Newman-Walk in Rom
Pater Geissler leitet den Newman-Walk in Rom

Die Botschaft Newmans für die Menschen von heute

Auch heute hat Newmans Lebensweg Menschen, die auf der Suche nach Sinn und Wahrheit sind, noch viel zu sagen. Als eifriger Wahrheitssucher, der er selbst war, würde es Newman – wie Pater Geissler meint – wohl schon als „gutes Zeichen“ sehen, wenn jemand nach der Wahrheit sucht, weil dies zeige, dass er „bereits von Gottes Gnade ergriffen“ sei. Und er würde vielleicht empfehlen, „sich auch anderen Menschen anzuvertrauen: Freundschaft, gute Freundschaft ist ein großes Geschenk auf unserem Weg zum Herrn.“

Auch angesichts der heutigen Kirchen- und Glaubenskrise würde Newman wohl nicht verzweifeln, sondern Mut machen und dazu einladen, wie er selber zutiefst auf Gott zu vertrauen:

„Ich denke, Newman würde nicht erschrecken über die Schwierigkeiten, die die Kirche heute zu bestehen hat,“ meint Pater Geissler. „Er hat es irgendwie vorhergesagt, dass solche Herausforderungen kommen werden. Newman würde uns vielmehr ermutigen: Er würde uns sagen: Vertraut auf den Herrn, vertraut auf die Gnade; die unsichtbare Welt Gottes ist wirklicher und wichtiger und bedeutsamer und auch mächtiger als die sichtbare Welt um uns herum. Newman hatte ein unglaubliches Vertrauen auf den Herrn. Das würde er uns heute vor allen Dingen sagen.“

Und was würde er wohl dazu sagen, dass er nun zum Kirchenlehrer ernannt wird?

„Newman wäre sehr verwundert, wenn jemand sagen würde, er sei ein Heiliger oder gar ein Kirchenlehrer. Er hat ja immer davon gesprochen, dass er kein Heiliger war und dass er, wenn er mal in den Himmel kommt, dem heiligen Philipp (Neri) vielleicht die Schuhe putzen wird. Er hatte Sinn für Humor!“

Sr. Anna (Dritte von links) in Littlemore: dem Ort der Konversion Newmans in die katholische Kirche
Sr. Anna (Dritte von links) in Littlemore: dem Ort der Konversion Newmans in die katholische Kirche

Das Internationale Zentrum der Newman-Freunde

Das Internationale Zentrum der Newman-Freunde entstand 1975 im Anschluss an das erste akademische Newman-Symposium in Rom. Seit nunmehr 30 Jahren wird es von Pater Geissler geleitet. Das Zentrum veranstaltet Gottesdienste, Newman-Walks, Einkehrtage, aber auch Symposien, Kongresse und Studientage.

(vaticannews - skr)

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01. November 2025, 09:00