Kardinal Ladislav Nemet im Studio von Radio Vatikan Archivbild) Kardinal Ladislav Nemet im Studio von Radio Vatikan Archivbild) 

Serbischer Kardinal: Jugendproteste zeigen „einmalige Energie“

Die ökumenische Zusammenarbeit in Europa müsse in schwierigen Zeiten und gerade angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen mehr tun. Dies betonte der katholische Erzbischof von Belgrad, Kardinal Ladislav Nemet, im Interview mit uns anlässlich der Unterzeichnung der überarbeiteten „Charta Oecumenica“ in Rom.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Im Gespräch über die Bedeutung der Charta Oecumenica, die unter anderem neue Kapitel zu Migration, Frieden, Jugend und Künstlicher Intelligenz enthält, legte Kardinal Nemet den Schwerpunkt auf die komplexe Situation in Serbien.

Hier hören Sie das Interview mit Kardinal Ladislav Nemet von Mario Galgano

Kirchenstreit durch Ukraine-Krieg

Auf europäischer Ebene sei die ökumenische Arbeit durch Rückschläge geprägt. Die Serbisch-Orthodoxe Kirche (SOK), einst eine der führenden ökumenischen Kirchen, habe ihre Teilnahme an der Arbeit der „Konferenz Europäischer Kirchen (KEK)“ eingestellt. Dies sei eine Reaktion auf die Aufnahme der unabhängigen ukrainischen Kirche in das Gremium gewesen.

„In diesem Sinne ist es für mich ein großes Leid und es ist eine Enttäuschung“, sagte Kardinal Nemet. Die abwesenden orthodoxen Kirchen – darunter die russische, serbische und rumänische – stellten jedoch die Mehrheit der orthodoxen Christen in Europa dar.

Innerhalb Serbiens beschrieb Nemet die Beziehung zwischen der katholischen Kirche und der mehrheitlich orthodoxen SOK als „gut, könnte noch besser sein“. Man besuche sich gegenseitig zu Festlichkeiten und Anliegen. „Teilnehmen bedeutet noch nicht gemeinsam zu beten. Das ist noch immer kein Thema, aber […] unsere Anwesenheit zeigt, dass es wichtig für uns ist.“

Proteste in Serbien
Proteste in Serbien   (Zorana Jevtic)

Proteste, Gerechtigkeit und das Schweigen der Kirche

Kritisch äußerte sich der Kardinal zur gesellschaftspolitischen Lage in Serbien, die in den jüngsten Studentenprotesten kulminierte. Die Proteste fordern unter anderem Aufklärung der Verantwortlichkeiten nach dem Bahnhofsunglück in Novi Sad. Im November 2024 waren dort 16 Menschen beim Einsturz eines Vordachs getötet worden, womöglich als Folge von Korruption und Schlamperei am Bau.

Zu den Protesten haben sich die katholische Kirche und die muslimische Gemeinschaft Serbiens klar positioniert: Beide Religionen hätten ihre Stimme erhoben und erklärt, dass sie in einem Land leben möchten, in dem Frieden und Gerechtigkeit herrscht“, so der Kardinal. Die zuständigen Gremien sollten unabhängig von politischen Problemen an der Aufklärung der Schuldigen arbeiten.

Die Serbisch-Orthodoxe Kirche habe sich hingegen „offiziell noch nie gemeldet“ oder Stellung bezogen, so Nemet. Der Kardinal berichtete von einer stillen Spaltung: „Der niedrigere Klerus, der Kinder hat, ist viel mehr bei den Studenten. Weil ihre Kinder auf die Straße gehen, können sie nicht einfach sagen: ,Das interessiert uns nicht`.“

Proteste in Serbien
Proteste in Serbien   (AFP or licensors)

Die Hoffnung der Jugend

Kardinal Nemet deutete die Proteste auch als Generationskonflikt, da in Serbien traditionell Studenten Proteste anführten, während die ältere Generation oft noch vom Staat abhänge und in ihrer Reaktion „begrenzt“ sei.

Als Hoffnungsschimmer sieht der Kardinal die „einmalige Energie, Freude und Hoffnung“, die die studentische Bewegung aufgebracht habe. Er verglich die Euphorie mit historischen Ereignissen wie der Wahl von Papst Johannes Paul II. in Polen oder der „Rosenkranz-Revolution“ auf den Philippinen.

Nemet schloss mit einem eindringlichen Appell: „Ich bin sicher, dass die Jugend […] eine neue Generation ist, die etwas machen möchte für das Wohl des ganzen Kontinents. Und das dürfen wir nicht verpassen.“

(vatican news)

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07. November 2025, 13:47