Beirut, 26. November 2025: ein Bettler-Junge zählt seinen Ertrag Beirut, 26. November 2025: ein Bettler-Junge zählt seinen Ertrag   (AFP or licensors)

Libanon: Hoffnung auf „richtigen Weg"

Papst Leo XIV. kann den Libanesen nicht die Arbeit abnehmen. Aber sein Besuch könne den Christen und Kirchen neuen Elan verleihen und das Land auf die richtige Spur bringen, hofft Bischof Cesar Essayan, der Apostolische Vikar von Beirut. Er spricht von einem tief zerrissenen Land mit vielen Problemen.

„Papst Leo XIV. kann nicht tun, was eigentlich unsere Aufgabe ist“, sagte der katholische Kirchenvertreter im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) an seinem Amtssitz in Jeita nördlich von Beirut. Man dürfe sich keine Illusionen machen: „Sein Besuch wird vielleicht zu 48 Stunden Euphorie führen, aber dann fährt er wieder. Die Straßen, die er nutzen wird, wurden neu asphaltiert, die Armut bleibt versteckt.“

Ermutigen, christliche Berufung wieder aufzunehmen

Für die Christen und die Kirche des Libanon erhofft sich der Vikar, dass es dem Papst gelingt, den Gläubigen neuen Elan zu verleihen und das Land auf die richtige Bahn zurückzubringen. Der Papst könne bekräftigen, dass die Botschaft des Libanon erhalten bleiben müsse: „Er kann den Christen einen Anstoß geben, den Mut zu haben, um ihre Berufung wiederaufzunehmen“, so Bischof Cesar Essayan.

Die Libanesen wünschten sich Frieden und Hoffnung. Sie erwarteten auch, dass der Papst „in einen Diskurs mit der Politik tritt, der das Gewissen neu erweckt“, so der Minoritenpater: „Ich will nicht sagen, dass wir kein Gewissen haben, aber es muss neu für den Frieden erweckt werden. Jeder hier arbeitet auf seine Weise, aber wir arbeiten nicht genug zusammen. Die Erwartung ist, dass der Papst das Land zurück auf den richtigen Weg bringt. Dass der Papst sich 48 Stunden Zeit für den Libanon nimmt, ist ein Segen.“ Leos Besuch werde von allen Seiten im Libanon positiv bewertet, so der Kirchenvertreter.

Zerrissenes und armes Land

Derzeit sei der Libanon ein „zutiefst“ und „in jeder Hinsicht“ zerrissenes Land, das vor dem Konkurs stehe, so der Vikar. Der Papst werde ein Land treffen, das durch Armut und eine sozioökonomische Krise gezeichnet sei. „Es gibt nur wenige, die reich sind, aber sie vermitteln den Eindruck, dass der Libanon ein reiches Land ist. Die Preise sind hoch, die Gehälter korrespondieren nicht mit den Preisen. Und er wird ein Land vorfinden, in denen die Partisanen der verschiedenen Parteien mit verbaler Aggressivität gegeneinander aufwiegeln.“

Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen auf libanesischem Boden gefragt, merkte der Vikar an, Israel höre nicht auf, das Land zu bombardieren - „über uns fliegen israelische Drohnen“. Doch auch innerhalb der Gesellschaft ortet er zersetzende Kräfte: „Manche wollen einen neuen Bürgerkrieg, etwa zwischen Christen und Schiiten. All dies lässt keine Ruhe zu und macht es schwierig, normale zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen.“ Zugleich herrsche auf Seite vieler Libanesen eine Realitätsverleugnung, merkt er weiter an.

Konkurs in mehrfacher Hinsicht

Es gehe nicht um die Frage, ob der Krieg aufhöre oder nicht oder die Hisbollah entwaffnet werde oder nicht, so Cesar Essayan. Denn er sieht den Libanon insgesamt „in menschlicher Hinsicht vor dem Konkurs“. „Das Nötigste zu einem würdigen Leben ist nicht da. Und es gibt keine Gerechtigkeit“, so der Vikar. Mit Blick auf Machtansprüche und Spannungen mahnte der Bischof in dem Interview weiter, „den Libanon nicht anzurühren“. Auf Nachfrage verwies er dabei auf „Israel, Syrien, eine Spaltung des Landes nach Konfessionen“. Dass eine solche Teilung des Landes entlang religiöser Linien eine Lösung für den Libanon sein könne, bezweifelte der Minoritenpater. „Eine Aufteilung des Landes würde zu ewigen Spannungen und Toten führen. Niemand rettet sich allein. Entweder retten wir uns gemeinsam, oder gehen alle unter“, so Essayan wörtlich.

(kna – pr)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

30. November 2025, 11:11