Kardinal Fabio Baggio bei der Konferenz gegen Menschenhandel an der Gregoriana Kardinal Fabio Baggio bei der Konferenz gegen Menschenhandel an der Gregoriana 

Rom: Stimme für Opfer von Menschenhandel erheben

Wir müssen unsere Stimme noch energischer für die Menschen erheben, die von Menschenhandel betroffen sind. Es gilt, mehr Energien zu bündeln und die Fortschritte, die in den 25 Jahren seit Unterzeichnung des Palermo-Protokolls erzielt worden sind, weiter voranzutreiben. Darin waren sich alle Teilnehmer einer hochrangigen Konferenz einig, die in Rom zum 25. Jahrestag des Protokolls organisiert wurde, das ein wichtiges Rechtsinstrument im weltweiten Kampf gegen den Menschenhandel darstellt.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Ausgerichtet wurde die Konferenz von der Santa Marta Group (SMG), dem Souveränen Malteserorden und dem Institut für Anthropologie der Päpstlichen Universität Gregoriana (IADC). Zu Wort kamen dabei Experten aus aller Welt, die täglich mit den Voraussetzungen, Auswüchsen und Konsequenzen von Menschenhandel konfrontiert sind. Rund 200 interessierte Teilnehmer verfolgten die Diskussionen und steuerten Fragen bei.

Ziel war es, sich mit Praktiken, Herausforderungen und Strategien zu beschäftigen, die die weltweiten Bemühungen zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels verbessern können. Fachleute aus verschiedenen Bereichen diskutierten in Panels und Arbeitsgruppen nicht nur über konkrete Maßnahmen zur Prävention von Menschenhandel und der Unterstützung von Betroffenen, sondern auch darüber, welche gemeinsamen globalen Bemühungen gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei unternommen werden können. Beleuchtet wurde das Thema aus verschieden Perspektiven, darunter Policies, rechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung, sowie Best Practice Beispiele, um die Zusammenarbeit zu fördern und Wissen auszutauschen. Die Ergebnisse der Arbeiten wollten die Organisatoren auch Kardinalsstaatssekretär Pietro Parolin zukommen lassen.

Die drei - oder vier - ,P'

Unter den Konferenz-Teilnehmern waren mehrere Kurienvertreter, so auch der Unter-Sekretär des Dikasteriums für ganzheitliche Entwicklung, Kardinal Fabio Baggio, der einen Impulsvortrag hielt.

„Seit vielen Jahren widmet das Dikasterium für den Dienst der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen allem, was mit Menschenhandel und moderner Sklaverei zu tun hat, besondere Aufmerksamkeit“, bestätigt er uns am Rande der Konferenz, die er als „eine Bestätigung unseres gemeinsamen Engagements“ beschreibt. „Papst Franziskus hat uns von Anfang an mit der Schaffung der Abteilung für Migranten und Flüchtlinge innerhalb des Dikasteriums die Aufgabe übertragen, uns besonders um diese sehr traurige und dramatische Seite der Migration zu kümmern: die Opfer des Menschenhandels, die Opfer der modernen Sklaverei“, betont er auch mit Blick auf die diesbezüglichen pastoralen Leitlinien des Dikasteriums, die gemeinsam mit einigen der aktuellen Konferenzteilnehmer erstellt worden waren: „Wir haben ihnen zugehört und unsere Verpflichtungen mit ihnen geteilt“, unterstreicht der Kardinal, der der Ordensgemeinschaft der Scalabrini-Missionare angehört. Dabei sei auch die Bedeutung „sehr konkreter“ Maßnahmen hervorgehoben worden, die nicht nur darauf abzielen, das Phänomen bekannt zu machen, sondern auch die „drei berühmten P“, nämlich Prävention („Prevent“) , Schutz („Protect“) und die dringend nötige Anzeige und Strafverfolgung, ebenso wie die gerechte Strafe für Kriminelle („Prosecute", im Englischen jeweils Verben).

„Und wir fügen noch ein weiteres ,P' hinzu, nämlich das der ,Partnerschaft', die gerade von den hier vertretenen Organisationen ausgehen muss, sehr gerne auch von unserem Dikasterium, damit diese Unterstützungs- und Arbeitsnetzwerke geschaffen werden können, die notwendig sind, um vor Ort effektiver zu sein“, meint der Kardinal abschließend.

Die Organisatoren der Konferenz gegen Menschenhandel, v.l. P. Hans Zollner SJ, Michel Veuthey und Kevin Hyland
Die Organisatoren der Konferenz gegen Menschenhandel, v.l. P. Hans Zollner SJ, Michel Veuthey und Kevin Hyland

 „Überrascht hat mich, dass tatsächlich sehr viele Menschen interessiert waren, an dieser Konferenz teilzunehmen. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Sektoren, aus den unterschiedlichsten Ländern und aus den unterschiedlichsten Institutionen“, erklärt uns aus Sicht der Organisatoren der Konferenz P. Hans Zollner, weltweit anerkannter Experte auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen und verletzlichen Personen. „Das zeigt, dass es genug Menschen guten Willens gibt, die auch zusammenarbeiten wollen. Wie wir wissen, ist das nicht immer einfach, und deshalb war es ja auch unser Anliegen, die zusammenzubringen, die tatsächlich an einem Strang ziehen wollen, um diesem Übel einen Riegel vorzuschieben. Wir werden es nicht vollkommen ausrotten können. Aber wenn es schon gelänge, die Dinge, die machbar sind, umzusetzen, dann müssten sehr viel weniger Leute leiden. Man könnte sehr viel Geld und Ressourcen sparen – und auch seine Nerven schonen und politische Auseinandersetzungen vermeiden, wenn man wenigstens das umsetzen würde, was machbar ist.“

Der Großhospitalier beim Malteserorden, Josef D. Blotz
Der Großhospitalier beim Malteserorden, Josef D. Blotz

Bei der Konferenz gehe es vor allem um Mobilisierung und die Erschließung neuer Möglichkeiten für den Kampf gegen dieses Phänomen, unterstreicht Michel Veuthey, seines Zeichens Malteserbotschafter in Sachen Kampf gegen den Menschenhandel und Mitorganisator der Tagung. „Wir brauchen auch mehr Geld und mehr Leute, ebenso wie die Tatsache, dass diese Plage, der Menschenhandel, wirklich ernst genommen wird“, stellt er fest. Die Tatsache, dass die Konferenz, zu der auch so hochkarätige Redner wie die Justizministerin der Vereinigten Staaten von Amerika angereist sind, gerade an der Gregoriana-Universität stattfindet, findet der Malteser-Großhospitalier Josef Blotz jedenfalls besonders zielführend:

„Zunächst einmal verweist der Titel des Protokolls auf Italien. Denn dieses Protokoll ist in Palermo unterzeichnet worden, vor exakt 25 Jahren. Und die Gregoriana ist in besonderer Weise geeignet, nicht nur als Gastgeber in einer wunderbaren italienischen Location, sondern auch, weil sie sich seit vielen Jahren sehr verdienstvoll einsetzt für Aktivitäten, die der Menschenwürde dienen. Und da sind wir hier mitten im Thema.“

Auch die modernen Herausforderungen einbeziehen

Ihm selbst sei es ein besonderes Anliegen, das Bewusstsein für die künftigen modernen Herausforderungen zu schärfen, so der Deutsche, dessen Aufgaben im Orden denen eines Ministers für Gesundheit und Soziales entsprechen:

„Vor 25 Jahren wurde das Palermo Protokoll unterschrieben, und damals hat noch niemand daran gedacht, dass wir mit dem technischen so genannten ,Fortschritt‘ rechnen müssen, der auch Auswirkungen für Menschenhandel und modernen Sklavenhandel hat. Heute ist das jedoch nötig. Das muss es jetzt aber sein. Und das ist ein Beispiel dafür, dass wir nicht nach den bis jetzt gültigen Prozessen und Strukturen handeln und denken müssen, sondern in die Zukunft schauen müssen. Wir müssen neue Herausforderungen sehen und denen müssen wir auch begegnen.“

Mama Fatima Singateh, UN-Sonderberichterstatterin über den Verkauf und die sexuelle Ausbeutung von Kindern
Mama Fatima Singateh, UN-Sonderberichterstatterin über den Verkauf und die sexuelle Ausbeutung von Kindern

Dabei kann die katholische Kirche ein wichtiger Partner sein: davon zeigt sich Mama Fatima Singhateh, die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über den Verkauf, die sexuelle Ausbeutung und den sexuellen Missbrauch von Kindern, überzeugt. Auch sie stellte sich bei einer Podiumsdiskussion den Fragen aus dem Publikum. Missbrauch und Verbrechen gegen Kinder nähmen oft in den lokalen Gemeinschaften ihren Anfang:

„Die Kirche spielt eine sehr wichtige Rolle, indem sie in den Gemeinden das Bewusstsein für die Verletzlichkeit von Kindern und die bestehenden Gefahren sowie die verschiedenen Ausprägungen von sexuellem Missbrauch und Ausbeutung schärft“, meint die Gambierin. Es gehe darum, nicht nur die Eigenverantwortung zu stärken, sondern auch beim finanziellen und moralischen Aufbau von Kapazitäten zu helfen, damit der Menschenhandel an der Wurzel angegangen werden kann. 

Wichtige Rolle der Kirche in den lokalen Gemeinschaften

Dafür sei auch die heutige Konferenz wichtig gewesen:

„Es war eine sehr gute Zusammenkunft, weil Menschen aus verschiedenen Bereichen aus aller Welt zusammengekommen sind und wir nicht nur Gelegenheit hatten, unsere eigenen Erfahrungen mit der Arbeit zum Schutz von Kindern vor Menschenhandel und anderen Formen der Ausbeutung auszutauschen, sondern auch von anderen zu lernen.  Wir erfahren, was in anderen Ländern und anderen Institutionen geschieht, sodass wir von ihnen bewährte Verfahren und Beispiele übernehmen können, die uns helfen, unsere Arbeit besser zu machen.“

Für sie selbst sei es oft nicht einfach, mit den Traumata umzugehen, denen sie in ihrer Arbeit begegne, so Mama Fatima:

„Ich spreche jeden Tag mit Überlebenden, und das bricht mir das Herz. Aber ich weiß, dass meine Stimme eine sehr mächtige Stimme ist. Eine Stimme, mit der ich für sie sprechen, mich für sie einsetzen und Einfluss auf die Politik nehmen kann, die ihren Schutz gewährleistet. Ich nehme diese wichtige Rolle sehr ernst. Und auch wenn es ein schwieriges Thema ist, habe ich doch jeden Tag, wenn ich aufwache, das Gefühl, dass ich einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, das Leben von Kindern und schutzbedürftigen Gemeinschaften auf der ganzen Welt positiv zu beeinflussen.“

Symbolbild Menschenhandel
Symbolbild Menschenhandel   (Copyright (c) 2015 Bruce Stanfield/Shutterstock. No use without permission.)

Das vor 25 Jahren verabschiedete Palermo-Protokoll stellt nach wie vor ein wichtiges Rechtsinstrument im weltweiten Kampf gegen den Menschenhandel dar. Bei der Konferenz gehe es nun darum, dessen Wirkung und weitere Verbesserung zu evaluieren, berichtet uns Kevin Hyland von „Praeveni Global“, die Teil der von Papst Franziskus unterstützten Santa Marta Group ist.

„Wenn wir uns einige der Fortschritte ansehen, dann sehen wir, dass fast 180 Länder nationale Gesetze erlassen haben. Wir haben internationale Organisationen, wir haben Veranstaltungen wie diese aktuelle“, zählt Hyland auf. Dabei habe die katholische Kirche eindeutig eine Führungsrolle übernommen, betont er besonders mit Blick auf den Einsatz von Ordensschwestern in verschiedenen Teilen der Welt, ebenso wie durch Bischofskonferenzen und verschiedene kirchliche Organisationen.

„Wenn wir uns jedoch die Fortschritte bei der Bekämpfung des Menschenhandels und der modernen Sklaverei weltweit ansehen, wurden im letzten Jahr 2000 Opfer weniger gerettet als im Jahr zuvor, und das sind nur weniger als 0,5 Prozent der mutmaßlich 50 Millionen Opfer. Im letzten Jahr gab es 7000 Verurteilungen. Wenn man also von 50 Millionen Opfern und 7000 Verurteilungen ausgeht, liegt die Wahrscheinlichkeit, verurteilt zu werden, bei weniger als 0,02 Prozent, während die Täter in 99,8 Prozent der Fälle ungestraft davonkommen, und die Opfer werden nicht gerettet“, gibt der Aktivist und Fachmann zu bedenken. 

Kevin Hyland
Kevin Hyland

Nur etwa 1,5 Milliarden investierten die G20-Staaten in diesen Kampf, was für ein so weltumspannendes Verbrechen „eine sehr geringe Summe“ sei, so Hyland, der in diesem Zusammenhang auf den schwindelerregenden Profit verweist, den kriminelle Menschenhändler und Ausbeuter mit ihren Verbrechen generierten und der auf 236 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Mehr als Rückschau zu halten, gehe es also vor allem darum, die bislang unternommenen Anstrengungen zu kanalisieren und weiterzumachen:

„So brauchen wir beispielsweise Regierungen, die finanziell und politisch investieren und beginnen, die Arbeit der Wohltätigkeitsorganisationen, der Zivilgesellschaft und der Ordensschwestern zu unterstützen“, unterstreicht Hyland, der besonders die Arbeit der Ordensfrauen im Kampf gegen Menschenhandel als unersetzbar ansieht.

„Beim ersten Treffen der Santa-Marta-Gruppe hier in Rom sagte uns Papst Franziskus, dass wir wissen, dass wir klagen müssen. Wir müssten lernen, auf eine Weise zu weinen, die uns den Schmerz wirklich in unserem Herzen spüren lässt. Und er sagte, dies sei eine offene Wunde am Leib Christi. Das sind große Worte, die von einem Papst kamen.“

Klare Unterstützung durch den Papst

Auch Papst Leo habe sich bereits entsprechend geäußert, zeigt sich der Experte im Kampf gegen Menschenhandel und Ausbeutung zufrieden:

„Es liegt in unserer Macht, das Problem zu lösen, und es auch relativ schnell zu lösen. Aber das heißt, dass wir damit beginnen müssen, große Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen, die von diesen Ländern profitieren, die es zulassen, dass Einzelne und organisierte Kriminelle mit Ausbeutung Geld verdienen. Dazu braucht es die Entwicklung robuster Maßnahmen!“

Der 25-jährige Meilenstein seit Unterzeichnung des Palermo-Protokolls sei also „ein großartiges Ereignis“, doch es gelte auch, darüber nachzudenken, ob im letzten Vierteljahrhundert wirklich genug getan worden sei.

„Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir hier an der Päpstlichen Gregoriana-Universität sind. Und der heilige Ignatius selbst hat gesagt, dass man an seinen Taten gemessen wird, nicht an seinen Worten. Es geht also um unsere Taten, unser Handeln, nicht nur um Worte und Richtlinien. Und ich denke, das fasst zusammen, worum es bei dieser Konferenz geht. Wie können wir Maßnahmen ergreifen, die Menschenhandel verhindern, darauf reagieren, wenn er stattfindet, und auf das menschliche Leid mit der Leidenschaft, dem Mitgefühl und der Liebe reagieren, die wir brauchen?“

Hintergrund

Das im Jahr 2000 verabschiedete Palermo-Protokoll ergänzt das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und zielt darauf ab, Menschenhandel, insbesondere den Handel mit Frauen und Kindern, zu verhindern, zu bekämpfen und zu bestrafen. Dieses Protokoll fasst frühere globale Verpflichtungen zusammen, darunter das Übereinkommen über Zwangsarbeit von 1930, zahlreiche Übereinkommen und Protokolle der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und andere, darunter die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Über 180 Länder haben inzwischen nationale Gesetze erlassen, die Menschenhandel und moderne Sklaverei unter Strafe stellen.

(vatican news)

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10. Dezember 2025, 18:08