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Sr. Brigitte Flourez, Generaloberin der Gemeinschaft vom Kinde Jesu Sr. Brigitte Flourez, Generaloberin der Gemeinschaft vom Kinde Jesu  #SistersProject

Im Gespräch mit der Generaloberin der Schwestern vom Kinde Jesu

„Ich muss etwas tun, aber was?" Diese Frage und mehr beantwortet Sr. Brigitte Flourez und berichtet von ihrer Berufung, ihr Leben und ihre Erfahrungen als Ordensfrau sowie die Veränderungen, die ihre Gemeinschaft durchmachte.

Von Giuditta Bonsangue

Wir haben uns gegen Abend am ersten Tag der Vollversammlung der Internationalen Vereinigung der Ordensoberinnen (UISG) getroffen. Aber Brigittes Gesicht war dank ihres energischen Blicks und ihres ansteckenden Lachens die Müdigkeit nicht anzumerken. An allzu viele Fragen war aber nicht zu denken, man wollte ihr nur zuhören.

„Ich heiße Brigitte, das ist mein Taufname, und ich bin eine Ordensfrau. In manchen Ländern nennen sie mich Mutter Brigitte.“ So fängt das Gespräch mit Sr. Brigitte Flourez, der Generaloberin der Schwestern vom Kinde Jesu, an. „Ich habe mich Christus geweiht, weil ich mich danach gesehnt habe, mein Leben ihm und den anderen zu widmen. Ich bin in einer gläubigen Familie aufgewachsen, die mich beten gelehrt und mir hohe soziale Wertvorstellungen vermittelt hat. Meine Eltern haben in der Landwirtschaft gearbeitet und haben Veränderungsprozesse in der ländlichen Welt angestoßen, die bis heute andauern. Ich habe also sehr viel Glück gehabt.“

Wann hast Du erkannt, dass Dein Leben zur Weihe bestimmt war?

     Während einer geistlichen Einkehr bin ich von der Liebe Jesu berührt worden. Ich habe mir gesagt: Ich muss etwas tun, aber was? Ich habe Gott in den Dingen gesucht, die ich tat, um herauszufinden, wie ich vorgehen sollte. Es war nicht gleich klar, aber ich habe beschlossen, in einer Gemeinschaft zu leben, in einem bitterarmen Stadtviertel, einem Arbeiterviertel. Meinen Ordensgründer (Nicolas Barré) habe ich erst später entdeckt.

Wie kommt es, dass Du erst spät Kenntnis vom Gründer Deiner Ordenskongregation erhalten hast?

     Tatsächlich sind wir nicht als Ordensfrauen entstanden, sondern als eine Gruppe von Frauen aus dem Laienstand, die sich für die Erziehung junger Mädchen eingesetzt haben. Zu jener Zeit, im Jahr 1662, waren wir das, was man heute als eine Laien-Vereinigung bezeichnen würde. Wir sind erst sehr viel später Ordensfrauen geworden; Pater Barré war für das traditionelle Ordensleben zu sehr Individualist. Wir waren keine Ordensfrauen. Was aktuell wichtig für uns ist, ist, für das zur Verfügung zu stehen, das zu leben wir berufen sind, innerhalb der Diözese, unter der Führung des Bischofs, aber mit großer Freiheit.

Wann habt Ihr Euch von Laiinnen in Ordensfrauen verwandelt?

     Nach der Französischen Revolution wurde die Erziehung der Mädchen vom Staat gefördert, der Schulen und Kollegien eingerichtet hat. Viele Kongregationen wurden gegründet, um diesen Entwurf zu verwirklichen, und dasselbe haben auch wir getan. Wir waren innovativ auf dem Gebiet der Erziehung; unsere Kollegien zählten zu den besten. 1850 haben uns einige spanische Einwanderer, als sie sahen, was wir in unseren Schulen machten, eingeladen, dasselbe auch in Spanien zu tun. Es gab bei ihnen keine Mädchenschulen, wo auf eine so persönlich zugeschnittene Art und Weise unterrichtet wurde; sie kamen zu uns, um die überaus einfache und zugleich sehr auf die Bedürfnisse der Schülerinnen ausgerichtete Erziehungsmethode zu lernen. In Spanien erhielten die Mädchen ihre Erziehung in den Klöstern. Da wir nur eine Vereinigung von Laien waren, forderten uns die spanischen Bischöfe auf, uns vom Heiligen Stuhl anerkennen zu lassen, damit uns die Schulen anvertraut werden konnten. Um diese offizielle Anerkennung unseres Instituts erhalten zu können, haben wir uns obligatorischer Weise an die kanonische Definition einer Ordenskongregation angepasst.«

Hat sich viel für Euch geändert, seitdem Ihr eine Ordenskongregation geworden seid?

     Ja, in mancherlei Hinsicht schon, aber zum Glück haben wir uns den Missionseifer bewahrt! Wir sind sogar die allererste Kongregation gewesen, die eine Frau nach Japan geschickt hat! In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Sr. Mathilde Raclot. Eine außergewöhnliche, waghalsige und zugleich ihrem Institut verbundene Frau, die es fertigbrachte, zur Zeit der Änderung der Konstitutionen unseres Instituts ihren Auftrag in Asien zu erfüllen, als es für alles der Autorisationen durch die Oberen bedurfte, was an einem so entlegenen Ort ein Ding der Unmöglichkeit ist! Wir haben Jahre erlebt, in denen wir Vorreiter in Sachen Bildung waren, Vorreiter für die Gesellschaft der Zeit, für die Frauen Frankreichs, Malaysias. Wir haben immer noch 15.000 Schülerinnen in Singapur und zählen unter die besten Schulen des Landes.

Und was ist dann geschehen?

     Ich kann sagen, dass wir viele guten Dinge bewirkt haben, da der Wille vorhanden war, auf die Bedürfnisse der Zeit einzugehen. Aber wollte unser Gründer wirklich nur das? Heute haben wir während der Vollversammlung von der Verletzlichkeit sprechen hören und ich habe an ihn gedacht. Gott ist so groß, aber er hat sich so klein gemacht, um den Kleinsten nahe zu sein, indem er als Kind geboren wurde. Deshalb besteht das erste Ziel und die erste Form dieses Instituts darin, arm zu sein, wie Christus arm gewesen ist. Ein armes Kind aufnehmen heißt Christus aufnehmen, denn er hat gesagt: ›Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.‹ Das Herzstück unseres Charismas besteht darin, das arme, verlassene Kind aufzunehmen, um ihm durch die Erziehung seine Würde und durch den Glauben das Glück zurückzuerstatten. Das ist schön, nicht wahr? Manchmal läuft man, um das Gute zu tun und auf die Bedürfnisse der Zeit einzugehen, Gefahr, die Armen zu vergessen; deshalb ist es äußerst wichtig, vom Lebenssaft der eigenen Wurzeln genährt zu werden. Es ist schwer, ihn wiederzufinden. Und wir haben dieses Problem auch heute noch.

Wie stellt man es an, zur Quelle zurückkehren, um zu erkennen, welcher Weg einzuschlagen ist?

     Wir haben heute von einer Wandlung gesprochen, die durchgemacht werden muss. Das ist mit Sicherheit die Quelle. Als ich in das Institut eingetreten bin, habe ich die Texte unseres Gründers gelesen. Hochinteressant! Sie waren inkompatibel mit den kanonischen Regeln, die uns auferlegt worden waren. Zu jener Zeit durften die Frauen kein Teil des öffentlichen Lebens sein, weil sie für den privaten Bereich bestimmt waren. Bei meiner Ausbildung bestand das erste Ziel des Instituts den kanonischen Vorgaben der Zeit entsprechend darin, durch das Ablegen der Ordensgelübde auf die eigene Heiligkeit hinzuarbeiten. Unserem Gründer zufolge heiligt uns Gott, wenn wir den armen und verlassenen Kinder voller Liebe dienen, damit sie heilig werden. Es war eine Art und Weise, uns umkehren zu lassen und zu verwandeln. Aber es war schwer. Entschuldige, wenn ich das so sage, aber die Sache geht mir sehr nahe. Es ist ein Weg, den wir wieder einschlagen, indem wir uns den Geist unserer Ursprünge wieder zu eigen machen, um unsere Verwandlung fortzusetzen.

 

#sistersproject

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18. Juni 2022, 12:45