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D: Jesus, der Manager?

Der Theologe und Coach Christian Jäger hat Jesus als Führungspersönlichkeit analysiert. In seinem neuen Buch „Der Manager von Nazareth“ könnten viele Menschen Tipps finden, nicht nur Führungskräfte. Denn Jesus war – das behauptet zumindest Jäger im Interview mit dem Kölner Domradio – ein „Topmanager“.

Interview

Wieso war Jesus damals Manager?

„Es gibt in der Literatur einige Kriterien, woran man ein Management festmacht, unter anderem Fachwissen und Zielorientiertheit. Ganz spannend finde ich die Kompetenz im Umgang mit Menschen und soziale Verantwortung. Wenn wir die vier zusammennehmen, war Jesus ein Topmanager.“

Ihr Buch nennt sich ‚Der Manager von Nazareth‘ und richtet sich an viele unterschiedliche Personen oder beschreibt Situationen im Leben. Jeder kann daraus etwas lernen, sagen Sie. Was können zum Beispiel Schüler und Azubis daraus lernen?

„Es ist ja gar nicht so einfach, mit Vorgesetzten zu arbeiten, die in der Hierarchie höher sind. Das ist bei Schülern und Auszubildenden häufig ein großer Punkt. Ich glaube, dass jeder mithilfe des Buches, mit dem, was ich von Jesus als Kompass für Menschen herausgezogen habe, lernen kann, sich selber gut einzuschätzen. Das ist ein wesentlicher Faktor für Führungskräfte und für die, die es einmal werden wollen.

Zweitens kann man, wenn man es schafft, die eigenen Ziele wirklich erreichbar zu gestalten, auch große Erfolge erleben. Es geht um Motivation von innen, die aber auch außen dadurch sichtbar wird, dass ich was erreiche.

Schließlich steckt in dem Buch auch ein kurzer Ratgeber für Kommunikation. Wie mache ich das im Vorstellungsgespräch oder in der Verhandlung? Ich bin Kommunikationstrainer, aber die Bibel bietet so eine Bandbreite, dass ich das auf das Buch heruntergebrochen habe.

Schließlich habe ich selber davon profitiert, irgendwann zu verstehen, wie meine Ausbilder, Eltern oder Professoren ticken. Dadurch konnte ich mein Verhalten und mein Verhältnis zu ihnen verändern.“

„Wir nennen das heute den M-Blick - ein Zuhörer-, Zuschauer- oder Empfänger-orientiertes Sprechen“

Haben Sie ein Beispiel aus der Bibel?

„Zum Beispiel sollen Christen nicht schwören, sondern klar und wahrhaftig sein. Das ist bei der Frage nach eidesstattlichen Erklärungen ein großes Thema. Jesus erklärt: ‚Euer Ja sei ein Ja und euer Nein sei ein Nein‘. Das zieht sich durch, das setzt sich fort.
Oder die Frage, wie Menschen mit der Körpersprache erreicht werden können. Beispielsweise sitzen viele Menschen bei der Verkündigung auf dem Berg der Seligpreisungen und Jesus stellt sich hin und schaut in ihre Richtung, sieht und spricht sie an. Auch bei den Brotvermehrungsgeschichten sollen sich die Menschen immer in 50er Gruppen hinsetzen, damit sie wirklich erreicht werden können.

Wir nennen das heute professionell den sogenannten M-Blick - ein Zuhörer-, Zuschauer- oder Empfänger-orientiertes Daraufzugehen und Sprechen.“

Was verstehen Sie unter Führung mit Blick auf Führungskräfte heutzutage?

„In vielen Organisationen ist die Leitungskraft gefordert, die viel Administratives wie Dienstpläne und so weiter macht. Die Führungskraft begleitet, begeistert, bremst aber auch Menschen.

Das hat Jesus im Umgang mit seinen ersten Jüngerinnen und Jünger wunderbar gemacht. Die Menschenfischer waren ganz einfache Fischer, die er zu sich gerufen, instruiert und gefördert hat. Aber er hat ihnen auch gesagt, wenn sie zu weit gehen. Das ist modernes Führen und das Führen á la Jesus.“

Es gibt auch Chefs, die aus der Haut fahren, ihren Laden nicht im Griff haben oder nicht den richtigen Ton finden. Was machen sie falsch?

„Zunächst mal erkennen viele das gar nicht als Problem, sondern nur die Mitarbeitenden. In der Regel sind diese Menschen, die ausrasten, überfordert und überschätzen sich manchmal selbst. Beratung und Führungskräftecoaching kann helfen.

Deshalb appelliere ich an alle, die jemanden dieser Couleur im Unternehmen haben, die Probleme öffentlich zu machen. Es geht nicht darum, diese Menschen bloßzustellen, sondern ihnen Hilfe anzubieten. Denn dieses wertschätzend Miteinanderumgehen ist wesentlich produktiver, als die Leute zur Sau zu machen.“

Auch innerhalb einer Familie oder Partnerschaft gibt es Probleme. Ist da Ihr Buch auch ein Leitfaden?

„Ja, ich hoffe doch sehr. Zumal ganz viele Konflikte, gerade auf der Ebene entstehen, dass die Werte zwar noch zueinander passen, aber man aneinander vorbei lebt. Das heißt, der Weg, diese Ziele oder Werte zu erreichen, bricht unterwegs ab. Da sind Spaltungen vorhanden und es bringt ganz viel, sich wieder auf diese gemeinsamen Werte und Ziele zu konzentrieren.

Wenn das gelingt, werden die meisten Paare, ob verheiratet oder nicht, wieder kommunikationsfähig. Das ist der erste Schritt, auch jesuanisch vorbildlich vorgelebt, ein Feedback anzunehmen, also von einem außenstehenden Vermittler oder von dem Partner zu hören, wie das eigene Verhalten auf den anderen wirkt.

Ich stelle dar, ich mache klar, ich werde dadurch transparent und wieder kommunikativ. Das sollte zumindest in Impulsen aus dem ‚Manager aus Nazareth‘ auch hervorgehen.“

„Es hakt nicht nur, es knarzt nicht nur im Gebälk, es bricht an vielen Stellen zusammen“

Sie sind auch als Coach in Kirchengemeinden unterwegs. Wo hakt es denn da?

„Es hakt nicht nur, es knarzt nicht nur im Gebälk, es bricht an vielen Stellen zusammen. Ich finde, die drei wichtigsten Faktoren aus kirchlicher Sicht sind die Glaubwürdigkeit, das Vertrauen und die Sprache. Viele Kolleginnen und Kollegen von uns sprechen eine Sprache, die liturgisch verstehbar ist, die aber die meisten Menschen nicht mehr erreicht.

Wenn wir dann, überschattet von diesen unglaublichen Skandalen, versuchen, die Botschaft Jesu nach vorne zu bringen, scheitern wir daran, dass wir diese Menschen gar nicht mehr erreichen können. Sie schalten quasi ab. Das gilt es aus meiner Sicht zu verhindern. Der Coach und der Theologe in mir sagen: Wir haben die tollste Botschaft der Welt für ein friedliches und schöpfungsorientiertes Zusammenleben. Und da gehören wir hin.“

Hört ein Pfarrer auf Sie?

„In der Regel hören die Pfarrer auf mich, wenn sie mit mir arbeiten. Ich habe auch einen Bischof, den ich ab und zu begleite und viele ehrenamtlich Engagierte. Sie hören nicht auf mich, weil ich irgendeine besondere Weisheit habe, sondern weil ich aufgrund der kommunikativen Kompetenz und dieses Blicks auf den ‚Manager aus Nazareth‘ ihnen und mir die gemeinsamen Wurzeln wieder zeige.

Wir müssen Empfänger-orientiert kommunizieren. Das kann ich nur erreichen, wenn ich weiß: Wer sitzt da, kommt zu mir ins Gespräch oder in den Gottesdienst? Was brauchen diese Menschen? Diesen Weg zu finden, ist nicht mit einem Schnipp getan. Viele Gemeinden, die mich einkaufen, machen das mit großen Gruppen, dann mit kleineren Gruppen, auch im Einzelcoaching. Es zeigen sich Erfolge und die freuen mich sehr.“

„Was mir überhaupt keine Sorgen bereitet, ist der Inhalt der Vatikan-Erklärung“

Papst Franziskus hat dem Synodalen Weg in Deutschland seine Grenzen aufgezeigt. Gleichzeitig ermutigt er aber, Ideen in die Weltsynode einzubringen. Ist das jetzt nicht eher ein schlechter Führungsstil?

„Es ist der vatikanisch übliche, das sogenannte ‚et et‘, ‚sowohl als auch‘… Was mir überhaupt keine Sorgen bereitet, ist der Inhalt. Ich weiß, dass viele Kolleginnen und Kollegen auch im Synodalen Weg auf Ebene der Bischofskonferenz sagen, sie würden beschnitten und müssten sich rechtfertigen. Das ist gar nicht der Fall. Das, was der Synodalen Weg in Deutschland macht, ist, fortschrittliche Ideen zu beschließen, einen Konsens herzustellen, der nach Rom gegeben wird.

Was wir alleine umsetzen können, setzen wir um. Niemand aus Rom, niemand in der Weltkirche kann uns aufgrund dieses Schreibens daran hindern. Wenn wir jetzt davon überzeugt sind, dass der Heilige Geist auch noch mitwirkt, nicht nur persönlich inspirierend, sondern im Gesamtsystem, kann ich nur ermutigen, dass der Synodale Weg weitergegangen wird, die Rollen und die Diversität in der Kirche gestärkt werden. Dafür sind wir genau in der richtigen Epoche.“

Stellen wir uns mal vor, Papst Franziskus hat Ihr Buch auf dem Tisch liegen und blättert es durch. Würde das vielleicht die eine oder andere Brücke schlagen können?

„Ich würde mich sehr freuen, wenn er das macht. Die Brücke lässt sich schlagen. Ich wäre auch sehr gerne bereit, mit ihm darüber zu sprechen, denn Franziskus hat eine doppelte Verantwortung. Nicht nur die Verantwortung, die Universalität der Kirche, also das ganze Universum Kirche, zusammenzuhalten und miteinander ins Gespräch zu bringen, sondern auch Franz von Assisi zu folgen, dessen Namen er ja gewählt hat.

Dieser Franziskus war ein Verbindender und ein Schlichter. Seine Begegnung damals mit dem Sultan während der Kreuzzüge, sein Marsch zum Papst, dieser kleine, unbedeutende Franz, der dann eine Kirche aufbauen darf, einen Orden gründet, der bis heute für diese Werte steht, die sollte Franziskus wissen. Und einige Anregungen zu seinem Führungsverhalten findet er garantiert im ‚Manager aus Nazareth‘.“

Inwiefern ist Jesus jetzt Vorbild für Menschen, die führen müssen oder wollen?

„Wertvoller im Sinne der Werteorientierung lässt sich nicht führen. Jesus steht für das, was unsere Welt, auch unsere Kirche so dringend braucht. Von daher bin ich nicht dem Sohn Gottes auf den Spuren gefolgt, sondern tatsächlich diesem historischen Anführer, demjenigen, der seine Botschaft, sein Unternehmen, der Etablierung des Reiches Gottes in Teilen hier auf der Erde umzusetzen versucht.

Dieser Manager aus Nazareth kann durch diese unterschiedlichen Faktoren, die vorkommen, ein Beispiel für alle sein, auch für die, die nicht christlich sind, auch für die, die nicht bibelfest sind. Ich glaube, dass es sich wirklich erschließt. Es geht um ein werthaftes, verantwortungsvolles Führen.“

(domradio – sk)

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12. August 2022, 11:08