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Unser Sonntag: Die Ankunft Jesu im Chaos unserer Welt

In seiner Betrachtung zum ersten Advent erläutert Pater Ortner, dass es schon so etwas wie Untergangsstimmung in der Welt geben könnte: Gaspreise, Strompreise, Inflation und Kriegsgeschehnisse beschäftigen uns - alles andere als adventlich. Aber: Jesus will bei uns einkehren - so wie wir sind.

Pater Sebastian Ortner SJ

1. Advent

Mt 24, 29-44

Wir feiern heute den ersten Adventsonntag.

Advent lässt mich an die Adventkranzfeiern denken, die ich als Kind mit meiner großen Schwester, meinen Eltern und Großeltern feiern durfte.
Ich erinnere mich an die Lieder, die wir gesungen haben, die Geschichten, das Rosenkranzgebet, v. a. aber an den hellen Schein der Kerzen. Jeden Sonntag kam eine Kerze dazu und machte das dunkle Esszimmer ein Stück heller. Es lag etwas Besonderes in der Luft.

 

Am heiligen Abend, wenn der Christbaum in voller Pracht erstrahlte, die Bienenwachskerzen das Wohnzimmer mit Glanz erfüllten und mit Duft, dann dachte ich mir: Gott muss es doch gut mit uns meinen, gerade in dieser dunklen, kalten Jahreszeit, in der die Tage grau und feucht, die Nächte länger und die Tage kürzer sind, in einer schwierigen Zeit; dass gerade da durch dieses Licht deutlich wird, dass Gott trotzdem da ist.
Das heutige Evangelium ist kein angenehmer Text, sondern ein apokalyptischer. Apokalypse und Advent haben miteinander zu tun.

Apokalypse

Am heutigen Adventsonntag ist die Rede von Apokalypse ziemlich aktuell.
Kriege gehen weiter, die Temperatur steigt, Menschen müssen ihre Heimat verlassen, Wälder sterben.
Die apokalyptischen Bilder, die Matthäus verwendet, sind zwar malerischer, aber nicht weniger dramatisch:
Sonne, Mond und Sterne werden sich verändern; das Meer wird toben und donnern; die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Und es ist von Angst die Rede: Die Menschen werden vergehen vor Angst, in Erwartung all dieser Dinge, die kommen werden.

„Himmel und Erde werden vergehen, sagt Jesus. Alles, was bleiben wird, sind seine Worte.“

In frühchristlicher Zeit waren solche apokalyptischen Vorstellungen weit verbreitet. Das jüdische Volk stand unter Fremdherrschaft der Römer. Daran änderten auch Aufstände und ein schrecklicher Krieg nichts. Im Gegenteil: Um 70 n. Chr. wurden Jerusalem und der Tempel zerstört. Dieses Trauma wirkte Jahrzehnte in den Menschen nach. Und solche Texte wie der heutige [Evangelienabschnitt], halfen den Menschen zu verarbeiten, was sie erlebt hatten.
Himmel und Erde werden vergehen, sagt Jesus. Alles, was bleiben wird, sind seine Worte.
Seine Botschaft von unserer Gemeinschaft mit Gott ist etwas, das bleiben wird, selbst, wenn alles untergeht.

In unserer Situation hier und heute begegnet uns auch immer wieder so etwas wie eine Untergangsstimmung.Die Gaspreise steigen, Strompreise steigen, die Inflation wächst, gesellschaftlichen Spannungen nehmen zu.Der Klimawandel beschäftigt uns nach wie vor, die Pandemie ist auch noch nicht ausgestanden und die Kriegsgeschehnisse erreichen uns von Tag zu Tag: Alles andere als adventlich. Das hört sich doch eher apokalyptisch an.

Jesus will bei uns einkehren - so wie wir sind

Mitten in dieser Situation, ja, man könnte sagen, mitten in diesem „Saustall“ unseres Lebens, möchte Gott zu uns kommen. Advent heißt Ankunft, Ankommen. Gerade da, an diesem Ort, wo ich bin, gerade da passiert die Ankunft des Herrn:
In den Problemen der Welt, im Stall, dort, wo es nicht immer so gut riecht, im Chaos ist der Ort, wo Gott mir begegnen möchte.
Gerade jetzt, in der aktuellen Situation, mit ihren Problemen, mit den Herausforderungen vor denen ich im Alltag stehe, möchte Gott zu mir kommen.
Gerade in uns, als jene, die wir sind, so, wie wir sind, möchte Jesus bei uns einkehren.

Das Kommen des Menschensohnes ist nahe!

Inmitten unserer Welt, im hier und jetzt kommt Jesus an.
Er kommt an, um uns zu befreien; um uns von dem zu befreien, was uns hindert, erfüllt zu leben, was uns hindert, als die zu leben, die wir sind, zu denen er uns berufen hat. Das Bild von der Wolke erinnert uns an die Befreiung des Gottesvolkes aus Ägypten: „Der Herr zog vor ihnen her, bei Tag in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten“, heißt es im Buch Exodus Ex (13, 21), dem Buch der Befreiung.

„Wie möchten wir umgehen mit dieser Schöpfung, die Gott uns anvertraut hat?“

Befreiung aus zerstörerischen Dynamiken ist es, was Jesu Handeln an uns bedeutet. Es hat etwas Befreiendes, wenn ins Chaos Klarheit kommt, wenn das gesammelt wird, was zerstreut war. Der Kampf zwischen zerstörerischen Mächten und Christus ist bei Matthäus kosmisch dargestellt. Auch unser Kosmos, unsere Weltordnung, ist in dieses heilsgeschichtliche Ringen verwickelt. Manches in unserem Umgang mit unserer Welt, mit unseren Mitmenschen, läuft schief. Unser konkretes Verhalten wirkt sich aus auf andere, auf unsere Welt, auf die kommenden Generationen.
Wie möchten wir umgehen mit dieser Schöpfung, die Gott uns anvertraut hat?

Wacht und betet allezeit!

Das Grün des Adventkranzes ist Farbe der Hoffnung, des Lebens.
Die Kerzen machen deutlich, dass Jesu Licht in unserer Welt sichtbar wird.
Dass er uns nahe ist, wo auch immer wir zu ihm beten.
„Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags eure Herzen nicht beschweren! Wacht und betet allezeit …!“, heißt es im Evangelium. Jesus fordert seine Jünger und auch uns auf, wach durchs Leben zu gehen, zu beten, uns diese Zeit zu nehmen für ihn, eine Zeit für uns in der Beziehung mit Gott. Jesus ist wichtig, dass wir auf das, was uns begegnet, achten, dass wir auf andere und auf uns selbst achtgeben.

Aufmerksamkeit für andere

Füreinander aufmerksam zu sein, in unserem Lebensumfeld eine Kultur der Aufmerksamkeit zu pflegen, das macht unsere Herzen leichter.
Aufmerksam zu sein ist nicht immer leicht, auch für die Jünger nicht. Denken wir [daran], wie sie im Garten Getsemani einschlafen, während Jesus zu seinem Vater betet. Doch nun ist die Nacht vorgerückt, der Tag nah. Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf, heißt es im Römerbrief (13, 12).

Jesus bestärkt uns darin, aus der lebendigen Hoffnung, die er uns schenkt, für diese Welt, für unsere Mitmenschen einzustehen. Legen wir als neues Gewand Jesus Christus an! Seien wir Kinder des Tages, nicht der Nacht! Jetzt ist die Stunde! Jetzt ist der Advent da. Nützen wir ihn!
Nützen wir ihn als eine Zeit der Ankunft.
Lassen wir Jesu Licht in unserer Welt ankommen, mitten im Chaos unserer Tage!

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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26. November 2022, 11:00