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Holocaust-Gedenktag: Vorurteile sind Nährboden für Antisemitismus

Vorurteile sind der Nährboden für Antisemitismus: Das sagt Wolfgang Benz, emeritierter Professor der Zeitgeschichte aus Berlin und Vorsitzender des Vereins „Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung“ sowie ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, im Interview mit Radio Horeb. Anlässlich des Holocaust-Gedenktags an diesem Freitag erläutert er, man müsse sich mit den Vorurteilen auseinandersetzen und sie bekämpfen.

Papst Franziskus hat in seinem Tages-Tweet an diesem Freitag an den Gedenktag erinnert. Auf seinem deutschsprachigen Twitter-Account hat er geschrieben: „Die Vernichtung von Millionen Menschen jüdischen und anderen Glaubens darf weder vergessen noch geleugnet werden. Es kann keine Brüderlichkeit geben ohne die vorherige Beseitigung der Wurzeln von Hass und Gewalt, die den Holocaust genährt haben. #HolocaustRemembranceDay“

Zum Nachhören - zum Holocaust-Gedenktag

Erinnerung an die Opfer des Holocaust

Jedes Jahr um den 27. Januar würdigt die UNESCO die Erinnerung an die Opfer des Holocaust und bekräftigt ihr Engagement zur Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen der Intoleranz, die zu gruppenbezogener Gewalt führen können. Das Datum markiert den Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Vor genau 78 Jahren wurde das KZ befreit. Auschwitz ist das Symbol für den Massenmord der Nazis an Juden, Sinti und Roma und anderen Verfolgten.

Ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung

Benz ist auch früherer Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung. Eine gelungene Erinnerungskultur besteht laut Benz darin, „aller Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, auch der sogenannten Berufsverbrecher, also derjenigen, die als Kriminelle nach der Verbüßung ihrer Straftat zusätzlich noch ins KZ kamen“. Das jährliche Gedenken im Bundestag beziehe inzwischen auch Opfergruppen ein, die vor einigen Jahren noch nicht beachtet worden seien: „Aber wir haben die Lektion erst dann gelernt, wenn wir nicht nur das Schicksal der ermordeten Juden beklagen, sondern wenn wir all derer in Trauer und Respekt gedenken, die vom Nationalsozialismus verfolgt worden sind.“

Eine Demo gegen Antisemitismus 2021 vor der Synagoge in Berlin-Kreuzberg
Eine Demo gegen Antisemitismus 2021 vor der Synagoge in Berlin-Kreuzberg

Jüdisches Leben in Deutschland seit Wende sehr verändert

„Jüdisches Leben in Deutschland ist wahrscheinlich auch von einem Nichtjuden etwas schwer zu beschreiben. Seit der Wende hat es sich sehr verändert. Aus einigen wenigen Schwerpunkten und Schwerpunktgemeinden wie München, Frankfurt und Berlin ist jetzt eine größere jüdische Population geworden. Die kommt zum Teil durch Zuzug aus der ehemaligen Sowjetunion. Das sind die sogenannten Kontingentflüchtlinge, die in Deutschland eine neue Heimat gesucht und gefunden haben. Jüdisches Leben erfreut sich hoher Beachtung durch die Mehrheitsgesellschaft.“

Warum gerade in Deutschland?

Er beschäftige sich als Historiker seit Jahrzehnten mit dem jüdischen Leben in Deutschland sowie mit dem Problem des Judenmordes in der Zeit des Nationalsozialismus. „Und ich kann alle Details und alle Einzelheiten genau erklären“, fügt er an. „Aber die große Frage bleibt: Warum ist diese Menschheitskatastrophe gerade in Deutschland, im Lande der Dichter und Denker, in dem hoch aufgeklärten Land geschehen? Warum konnte aus dem überall verbreiteten latenten oder auch offenen Antisemitismus gerade in Deutschland der Wille, die Entschlossenheit und die Gefolgschaft einer großen Mehrheit zum Völkermord an den Juden geschehen? Das bleibt und bleibt ein Rätsel“, urteilt der Historiker.

(radio horeb)

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27. Januar 2023, 13:30