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Jesus Christus Jesus Christus 

Unser Sonntag: Er erhob die Augen zum Himmel

In dieser Betrachtung erläutert Prof. Weimann die Geste Jesu, der "seine Augen zum Himmel erhob". Der Theologe vertieft das Verständnis für diese symbolträchtige Handlung.

Prof. Dr. Dr. Ralph Weimann

Joh 17,1-19

Siebter Sonntag in der Osterzeit (A)

 

Liebe Brüder und Schwestern,

der siebte Sonntag in der Osterzeit ist insofern besonders, weil er zwischen Christi Himmelfahrt und dem hohen Pfingstfest liegt. An Christi Himmelfahrt wurde nach bewährter Tradition nach dem Evangelium die Osterkerze ausgelöscht, als Zeichen für die Himmelfahrt des Auferstandenen.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

Nun sind die Jünger versammelt und erwarten das Kommen des Heiligen Geistes.
Um vorbereitet zu sein und den Heiligen Geist in den Herzen aufnehmen zu können, versammeln sich auch heute die Gläubigen zum Gebet, etwa in der Pfingstnovene an neun Tagen zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Wofür aber steht dann der heutige Sonntag?

Veränderte Perspektive

Im Evangelium wird deutlich, dass sich die Perspektive der Jünger verändert, der Blick richtet sich mehr und mehr gen Himmel. Dies zeigt sich auch daran, dass Jesus Christus seine Augen zum Himmel erhob (vgl. Joh 17,1). Dieses kleine Detail, auf das der Evangelist Johannes hinweist, ist sehr zeichenhaft. Denn auch der Priester, der Jesus Christus im Vollsinn des Wortes repräsentiert, tut es ihm gleich. Früher fand dieser Gestus während des Offertoriums Verwendung: wenn der Priester Gott Vater die Gaben darbrachte, erhob er zunächst die Augen gen Himmel. Heute ist dieser Gestus nur noch im ersten eucharistischen Hochgebet übriggeblieben, dort heißt es: „Am Abend vor seinem Leiden nahm er das Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob die Augen zum Himmel, zu dir, seinem Vater.“ Diese symbolträchtige Handlung wird im heutigen Evangelium beschrieben und es lohnt sich, das Verständnis dieser Geste zu vertiefen.

1. Die Augen zum Himmel gewandt

Der Herr – so heißt es – erhob „seine Augen zum Himmel“ (Joh 17,1). Auch an dieser Aussage zeigt sich, warum die Heilige Schrift lebendiges Wort Gottes ist, denn den Worten kommt ein überreicher Bedeutungsgehalt zu. Dies kann anhand der zitierten Aussage verdeutlicht werden.
Das Auge ist zunächst jenes Organ, durch das Licht aufgenommen wird und ohne das Auge bliebe der Mensch im Dunkeln. Das Auge ist zugleich Sinnbild für das innere Schauen, es ist Spiegel der Seele und so kann ein Blick mehr sagen, als viele Worte.
Durch das Auge wird also Licht wahrgenommen und Gott ist das ungeschaffene Licht; er ist Gott von Gott, Licht vom Licht, wie wir im Glaubensbekenntnis bekennen. Daher steht das Auge in der Heiligen Schrift für die Allwissenheit Gottes, so heißt es im Buch Jesus Sirach: „die Augen des Herrn [sind] zehntausendmal […] heller als die Sonne, sie überblicken alle Wege der Menschen und dringen vor in verborgene Bereiche“ (Sir 23,19).

Das Auge steht auch für inneres Sehen

Von daher ist es nicht verwunderlich, dass der Apostel Johannes in seiner Schau göttlicher Dinge, die er in der Offenbarung schildert, die vier Lebewesen am Thron Gottes als „voller Augen“ (vgl. Offb 4,6) beschreibt. Auch deswegen haben die Kirchenväter dem Auge des Herrn eine besondere Bedeutung zugemessen. Weil das Auge auch für ein inneres Sehen steht, wurden damit die theologischen Tugenden von Glaube und Hoffnung in Verbindung gebracht, die hingeordnet sind auf die Liebe. Im Hohen Lied wird dies eindrücklich beschrieben (vgl. 1,15; 7,5).

„Geistige Blindheit besteht darin, sich im Irdischen so zu verlieren, dass man das Göttliche nicht mehr sieht.“

Auch der Blindheit kommt demzufolge ein doppelter Sinn zu: es gibt zum einen die physische Blindheit, es gibt zum anderen aber auch eine geistige Blindheit, die darin besteht, sich im Irdischen so zu verlieren, dass man das Göttliche nicht mehr sieht. Daher verwundert es nicht, dass der Herr immer wieder von der Bedeutung des inneren Sehens spricht. Dies wird beispielsweise im Matthäusevangelium deutlich, in dem es heißt: „Die Leuchte des Leibes ist das Auge. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Leib hell sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muss dann die Finsternis sein!“ und er fügt hinzu: „Niemand kann zwei Herren dienen“ (Mt 6,22-24).
So wie nämlich das Auge das physische Licht wahrnimmt, so die Augen der Seele das übernatürliche Licht, das von Gott kommt. Wenn nun Jesus seine Augen zum Himmel erhebt, wie es der Evangelist beschreibt, dann ist all das damit gemeint. Seine Augen stehen für die Allgegenwart Gottes, weshalb in vielen Kirche das Auge Gottes von einem Dreieckssymbol umrahmt ist, als Ausdruck für die Heiligste Dreifaltigkeit. Wer sich dessen bewusst ist, den wundert es nicht, was als nächstes beschrieben wird.

2. Gott Vater als Adressat des Gebets

Jesus Christus wendet sich im Gebet an Gott Vater, zu dem er die Augen erhoben hat. Was folgt, kann an Bedeutung nicht überschätzt werden. Bevor darauf eingegangen werden kann, soll jedoch noch ein anderer Aspekt Erwähnung finden, der dem Verstehen dient.
Alles christliche Gebet ist an Gott Vater gerichtet. So beginnt christliches Beten „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Das Gebet endet wie es beginnt. Dies hat Eingang gefunden in der Architektur des Petersdoms. In der Kuppel (ganz oben) thront Gott Vater, der Sohn ist symbolisiert durch den Altar und das Kreuz, der Heiligen Geist wird durch die Taube dargestellt. Wenn der Papst dort die heilige Messe mit den Worten „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ beginnt, dann spiegelt sich dies in der Architektur der Kirche wider. Was dort architektonisch verwirklicht ist, soll vor allem im Geiste lebendig werden, wie es in der Heiligen Schrift beschrieben wird.

„In diesem Blick erkennt der Sohn, dass die Stunde gekommen ist, die allein nur der Vater kennt“

Kommen wir also zurück zum Evangelium. Jesus erhob die Augen zum Vater, ihre Augen treffen sich gleichsam. Sie erkennen sich, weil sie sich im Vollsinn des Wortes kennen. Einen Eindruck von dem, was das bedeutet, vermittelt das Matthäusevangelium. Dort sagt der Herr von sich: „niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27). In diesem Blick erkennt der Sohn, dass die Stunde gekommen ist, die allein nur der Vater kennt (vgl. Mk 13,32). Daher spricht er von der Verherrlichung, die er nun vom Vater erbittet. Damit ist keineswegs gemeint, dass der Sohn für sich irgendetwas erbittet, was ihm Ehre oder Ruhm bringen könnte, denn alles gehört ihm ohnehin. Mit dieser Verherrlichung ist die Erlösung gemeint, die jetzt beginnt.

Jesus legt Zeugnis ab für die Wahrheit

Denn Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen und jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf seine Stimme (vgl. Joh 18,37). Er richtet sich im Gebet an den Vater, weil er für uns ewige Leben erwirken will. Dies wird überdeutlich wenn er zum Vater mit den Worten spricht: „Denn du hast ihm Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt“ (Joh 17,2). Er fügt hinzu: „Das aber ist das ewige Leben: dass sie dich, den einzigen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus“ (Joh 17,3-4).
In diesem betenden Gespräch von Sohn und Vater spiegelt sich das ganze „Vater unser“ wider. Der Apostel Johannes hat dies als einziger der Evangelisten überliefert und tiefe Einblicke gewährt, wie der Sohn mit dem Vater spricht. Nicht nur die gegenseitige Vertrautheit sticht hervor, sondern das Geheimnis Gottes leuchtet darin auf.

3. Fürbittendes Gebet

Daraus ergibt sich ein letzter abschließender Aspekt, der noch Erwähnung finden soll, zumal so die Vorbereitung auf Pfingsten ggf. besser gelingen kann. In seinem Gebet zum Vater bittet der Herr für uns, für jene, die zum Glauben an ihn gekommen sind (vgl. Joh 17,8). Er sagt: „Für sie bitte ich; nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast; denn sie gehören dir. Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlicht. Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt und ich komme zu dir“ (Joh 17,9-11).
Jesus Christus ist unser Anwalt beim Vater. Er lässt uns nicht als Waisen zurück (vgl. Joh 14,18), sondern die von ihm erwirkte Gnade ist jedem zugesagt, der ihm die Treue hält. Wie tröstlich sind doch diese Worte, gerade in einer Zeit, der Unsicherheit, des Krieges und vielfacher Schwierigkeiten.

„Er zeigt sich als der Immanuel, der Gott mit uns, denn er wendet sich uns zu und tritt für uns ein“

Wie tröstlich ist es in Krankheit, Leid und Verfolgung zu wissen, dass der Sohn für uns beim Vater eintritt. Er zeigt sich als der Immanuel, der Gott mit uns, denn er wendet sich uns zu und tritt für uns ein. Mehr noch, er wendet seine Augen dem Vater zu, um uns Heil und Heilung, Trost und Zuversicht zu erwirken.
Diesem Beispiel sollten auch wir folgen, besonders in der Zeit, vor dem hohen Pfingstfest. Das Gebet besteht darin, die Augen zu Gott zu erheben und von Angesicht zu Angesicht mit dem Herrn zu sprechen. Dabei sollten wir lernen, mit den inneren Augen des Geistes zu sehen und zu beten, um fürbittend uns an Gott zu wenden. Das so vor Gott gebrachte Gebet vermag Großes zu erreichen, denn es ist die Kraft, die die Welt trägt und die beste Voraussetzung für das Kommen des Heiligen Geistes, den die Welt so dringend braucht.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

 

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20. Mai 2023, 11:00