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Sr. Lea Ackermann Sr. Lea Ackermann 

„Eine Träumerin bin ich sicher nicht, sondern eine Frau der Tat“

Ungerechtigkeit ließ sie nicht los. Bis ins hohe Alter half Lea Ackermann – vor allem Frauen in Not, gegen Prostitution und Zwangsheirat. Jetzt starb die deutsche Ordensfrau und Frauenrechtlerin mit 86 Jahren.

Die Frauenrechtlerin und Ordensfrau Lea Ackermann ist tot. Nach einer Operation in einem Trierer Krankenhaus erwachte die 86-Jährige nicht mehr aus der Narkose. Erst vor ein paar Wochen war die Gründerin der Frauenhilfsorganisation Solwodi aus gesundheitlichen Gründen vom Rhein in ein Seniorenzentrum an der Mosel gezogen.

Als Bankerin in Paris, Ordensschwester in Afrika und Frauenrechtlerin in Deutschland hat die Solwodi-Gründerin Lea Ackermann unter anderem gewirkt. Die heutige Solwodi-Vorsitzende Maria Decker zeichnet im Gespräch mit dem Kölner Domradio den Lebensweg von Sr. Lea Ackermann und ihren tiefen Glauben nach:

„Sie war eine sehr charismatische Persönlichkeit, die Menschen einfach fesseln konnte und das Talent hatte, Menschen anzusprechen und für ihre Themen zu begeistern. Dieses Talent hat sie in ganz hervorragender Weise genutzt, um auf die Not von Frauen aufmerksam zu machen, die am Rande stehen, in prekären Verhältnissen leben oder Gewalt erfahren.“

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Schönster Sandstrand und das Elend nigerianischer Frauen

Ihr Engagement für Frauen und gegen Prostitution hatte Mitte der 1960er Jahren begonnen, als die Ordensfrau erstmals nach Afrika kam. Noch Jahrzehnte später konnte sie davon berichten und hatte dann den Strand in Mombasa vor Augen. Schönster Sandstrand, blau-türkis schillerndes Meerwasser und Palmen. Und im Kopf das Elend nigerianischer Frauen und Kinder.

„Ich habe mich geärgert über die Touristen, die sich eine Weltreise nach Kenia leisten konnten, die Armut und das Elend von Frauen und Kindern dort gesehen haben – und das für ihr billiges Vergnügen ausnutzten“, erinnerte sich die Frau, die am liebsten Schwester Lea genannt werden wollte. Ihrer Stimme hörte man auch Jahrzehnte später die Entrüstung an.

„Dann habe ich mit Gott einen Deal gemacht und gesagt: Lieber Gott, das sind deine Töchter, die haben nie eine Chance erhalten. Hilf mir, dann gebe ich ihnen eine Chance“, sagte sie und betonte: „So ist das Ganze geworden.“ Das Ganze, damit meinte sie ihr Lebenswerk.

Sie forderte ein Sexkaufverbot

Zunächst baute sie ab 1985 in Kenia Beratungszentren für Frauen in Not auf. Daraus wurde die Organisation Solwodi, die Frauen und Kinder unterstützt, die Opfer von Menschenhandel, Prostitution, Zwangsheirat oder häuslicher Gewalt geworden sind. Der Name steht für „Solidarity with Women in Distress“ – Solidarität mit Frauen in Not.

Seitdem kämpfte Schwester Lea für Frauenrechte und gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution. Jahrelang mischte sie sich in politische Debatten ein, forderte etwa ein Sexkaufverbot. In Deutschland hat Solwodi inzwischen 18 Beratungsstellen und 7 Schutzhäuser für Frauen. International ist Solwodi vor allem in Afrika tätig, berät Frauen und Mädchen in Gewaltsituationen, bietet Schulprogramme und berufliche Unterstützung an.

Zuerst Bankkauffrau

2020 zog sich Ackermann aus der Leitung von Solwodi zurück und gründete die „Lea Ackermann Stiftung“ für Kinder in Not. Neue Wege einschlagen, das passt zu ihrer Biografie, die 1937 in Völklingen im Saarland begann und sie zunächst als Bankkauffrau nach Saarbrücken und Paris führte. Mit 23 Jahren trat sie 1960 den Weißen Schwestern in Trier bei. Sie studierte Theologie, Pädagogik und Psychologie.

Für ihre neue Stiftung arbeitete sie auch mit Mitte 80 noch fest getaktet. Fast täglich von 9 bis 18 Uhr wirkte sie in ihrem Büro in Boppard, sammelte Spenden, ermittelte Bedarfe der Hilfsprojekte, schrieb Dankesbriefe und pflegte ihr Netzwerk. Mittags kochte sie für sich und einen Pflegesohn, der mit in der Stiftung arbeitet.

„Träumerin bin ich ganz sicher nicht“, betonte Schwester Lea. Und sagte über sich: „Ich bin optimistisch und eine Frau der Tat.“ Und ihre Nachfolgerin sagt jetzt über Sr. Lea Ackermann:

„Denn es reicht nicht, sich über etwas zu ärgern oder es nicht gut zu finden. Man muss dann auch nach Alternativen suchen. Das war eine ihrer großen Stärken, dass sie das immer beherzt angepackt hat. Sie hat zudem immer versucht, den Frauen eine Ausbildung oder vielleicht die Eröffnung eines kleinen Geschäftes zu ermöglichen.“

(kna/domradio – mg)

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03. November 2023, 12:31