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Orthodoxe Oster-Zeremonie in der Grabes- und Auferstehungskirche Jesu in Jerusalem Orthodoxe Oster-Zeremonie in der Grabes- und Auferstehungskirche Jesu in Jerusalem  (AFP or licensors)

Radio-Akademie: Jesus ist Gott der Sohn (1)

Wer ist Jesus Christus für uns? Was bedeutet es, dass wir ihn als Sohn Gottes bekennen? Mit dieser Frage beschäftigt sich unsere Radio-Akademie im Monat September.

Stefan v. Kempis – Vatikanstadt

9. Mai 2025: Der neugewählte Papst Leo XIV. hält seine erste Predigt, in der Sixtinischen Kapelle. Und schlägt dabei einen überraschend ernsten Ton an: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ Von dieser Frage Jesu an seine Jünger geht der Papst aus. Und skizziert dann, welche Antworten auf diese Frage zur Zeit Jesu denkbar waren.

„Da ist zunächst die Antwort der Welt… Sie betrachtet Jesus als einen völlig unbedeutenden Menschen, höchstens als eine kuriose Figur, die mit ihrer ungewöhnlichen Art zu sprechen und zu handeln Staunen hervorrufen kann. Und so wird diese ‚Welt‘ nicht zögern, ihn zurückzuweisen und zu beseitigen, sobald er aufgrund der Ehrlichkeit und der moralischen Ansprüche, die er einfordert, lästig wird. Dann gibt es noch die zweite mögliche Antwort auf die Frage Jesu: die der einfachen Leute. Für sie ist der Nazarener kein ‚Scharlatan‘: Er ist ein aufrechter Mann, einer, der Mut hat, der gut spricht und das Richtige sagt, wie andere große Propheten in der Geschichte Israels. Deshalb folgen sie ihm, zumindest solange sie dies ohne allzu große Risiken und Unannehmlichkeiten tun können. Doch er ist für sie nur ein Mensch, und deshalb verlassen auch sie ihn in der Stunde der Gefahr, während seiner Passion, und gehen enttäuscht weg.“

Papst Leo bei seiner ersten Messe nach der Wahl in der Sixtinischen Kapelle
Papst Leo bei seiner ersten Messe nach der Wahl in der Sixtinischen Kapelle   (@Vatican Media)

„Vielfach wird Jesus, obwohl er als Mensch geschätzt wird, auch heute bloß als eine Art charismatischer Anführer oder Übermensch gesehen“

Haltungen und Vorstellungen von gestern? Nein, sagt Papst Leo – sie seien auch heute bemerkenswert aktuell. „Auch heute wird der christliche Glaube in nicht wenigen Fällen als etwas Absurdes angesehen, als etwas für schwache und wenig intelligente Menschen; vielfach werden andere Sicherheiten wie Technologie, Geld, Erfolg, Macht und Vergnügen bevorzugt… Vielfach wird Jesus, obwohl er als Mensch geschätzt wird, auch heute bloß als eine Art charismatischer Anführer oder Übermensch gesehen, und zwar nicht nur von Nichtgläubigen, sondern auch von vielen Getauften, die so schließlich in einen faktischen Atheismus geraten.“ Soweit unser neuer Papst Leo XIV.

Und diese Überlegungen des Papstes machen wir zum Ausgangspunkt bei dieser Radio-Akademie. Wir sprechen mit dem deutschen Theologen und Priester Karl-Heinz Menke. Er ist emeritierter Professor für Dogmatik der Universität Bonn, Träger des Ratzinger-Preises, war lange Mitglied der Internationalen Theologenkommission.

Frühchristliches Christus-Monogramm
Frühchristliches Christus-Monogramm   (Musei Vaticani)
Jesus ist Gott der Sohn: Eine Radio-Akademie mit Karl-Heinz Menke, von Radio Vatikan. Auszug (1)

Wenn Christen gar nicht wissen, wovon sie erlöst werden müssten

„Ich glaube, der Papst hat in der Sixtina in seiner ersten Ansprache den Nerv der Zeit getroffen“, sagt Menke in unserem Gespräch. „Die meisten Menschen halten Jesus doch mehr oder weniger natürlich für einen tollen Typen, der uns etwas Wichtiges mitgeteilt hat, der ein Vorbild sein kann, aber nicht der Erlöser ist. Das Wort Erlöser setzt voraus, dass Jesus Christus gekommen ist, um die Menschheit von etwas zu erlösen, was sie andernfalls in eine Situation brächte, die man als Verlorenheit bezeichnen kann. Und dieses Bewusstsein ist nicht mehr da! Das sieht man nicht zuletzt an den leer gewordenen Beichtstühlen. Natürlich haben die auch noch andere Gründe, aber einer der wichtigsten Gründe ist, wenn man fragt: Ist Jesus Christus für dich der Erlöser? Dann kommt die Antwort: Ich weiß gar nicht, was Erlösung ist oder wovon ich erlöst werden müsste.“

Auch viele Christen glaubten heute nicht mehr daran, dass Jesus Christus der gekommene Erlöser sei und dass er wirklich Gott war und nicht nur ein Mensch. „Ein Mensch kann nur ein gutes Vorbild sein oder ein Vermittler einer wichtigen Botschaft“, so Menke. „Doch wenn Gott selbst dahin gekommen ist, wo die Verlorenheit des Menschen ist, dann ist einsichtig: Er m u s s t e selber kommen, weil ein Mensch die Erlösung nicht vollbringen kann. Aber diese Zusammenhänge sind so weit weg vom allgemeinen Bewusstsein, wie der Papst richtig gesagt hat, dass hier auch die Neuevangelisierung einsetzen müsste.“

Der emeritierte Bonner Dogmatik-Professor Karl-Heinz Menke
Der emeritierte Bonner Dogmatik-Professor Karl-Heinz Menke

Gott hört nicht auf, Gott zu sein, wenn er Mensch wird

Jesus als Gott und Mensch: Das hat vor ziemlich genau 1.700 Jahren das Konzil von Nizäa definiert. Eine anspruchsvolle Formel – wie lässt sie sich den Menschen von heute nahebringen? Menke hält es für wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Ausgangspunkt des Konzils die Frage nach der Erlösung war.

„Man muss zunächst verstehen, dass die Sünde von Gott trennt und dass deswegen das Kommen Gottes selbst in diese Welt notwendig ist. Darauf fußend fragt das Konzil von Nizäa: Ja, wie ist das denn ontologisch möglich? Und daraufhin nehmen nun die Väter des vierten Jahrhunderts die griechische Philosophie, also praktisch die höchste Reflexionsstufe der damals bekannten Vernunft, zu Hilfe, um auszudrücken: Wie ist das möglich, dass Gott, der außerhalb von Raum und Zeit, der transzendent ist, der Welt immanent wird? Und das ist eben nur möglich – so lautet die Antwort der Väter – durch die Trinitätslehre, dass Gott durchaus Gott bleibt. Er hört nicht auf, Gott zu sein, wenn er Mensch wird.“

Jesus Christus sei „nicht das Gegenteil von Gott, sondern er ist die Offenbarkeit Gottes“, so Menke. „Also, je menschlicher jemand ist, desto mehr offenbart er das Wesen Gottes…“

Christus-Fresko des 16. Jahrhunderts in einer römischen Basilika
Christus-Fresko des 16. Jahrhunderts in einer römischen Basilika   (©Renáta Sedmáková - stock.adobe.com)

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(vatican news)
 

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14. September 2025, 11:42