Schweiz: Ingenbohler Schwestern feiern 200 Jahre Mutter Scherer
Mario Galgano – Ingenbohl (Schweiz)
Für Sr. Rebekka Breitenmoser von der Provinzleitung der Schweizer Provinz ist die 200-Jahr-Feier eine Einladung, auf die Wurzeln des Ordens zu schauen – und zugleich über Zukunft und Auftrag nachzudenken.
„Ich bin 1989 ins Kloster eingetreten“, erzählt die Ordensfrau, die nach ihrer Ausbildung Betriebsökonomie studierte und 13 Jahre in einem Spital die Leitung des Personaldienstes innehatte. Heute gehört sie seit zweieinhalb Jahren zur Klosterleitung. „Unser Orden ist eine Gründung aus dem 19. Jahrhundert. Pater Theodosius Florentini, ein Sozialreformer, erkannte die Not seiner Zeit und gründete mit engagierten Frauen eine Gemeinschaft, die sich in Schule, Krankenpflege und Fürsorge einbrachte.“
Gründerin mit Weitblick
Schon früh stieß Maria Theresia Scherer zum Gründer. 1825 in Meggen geboren, übernahm sie nach dem Tod Florentinis 1865 eine von Schulden bedrängte Gemeinschaft – gegen den Rat von Juristen, aber getragen von dem Wunsch, sein geistiges Erbe zu bewahren. „Sie hat wirklich seine Ideale umgesetzt“, betont Sr. Rebekka. 1856 wurde in Ingenbohl das Kloster gebaut, von wo aus sich die Gemeinschaft bald über die Schweiz hinaus ausbreitete.
Scherer führte die Kongregation zu päpstlicher Anerkennung, schickte Schwestern nach Österreich-Ungarn, Kroatien und Italien, später auch nach Indien, Taiwan, Uganda und Brasilien. „Wir sind heute weltweit präsent, und besonders in Indien lebt ein Drittel unserer Schwestern.“ 1995 wurde Maria Theresia Scherer von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.
Frauenbildung und Nähe zu den Menschen
Von Beginn an spielte die Förderung von Frauen und Mädchen eine zentrale Rolle. „Im Kloster gab es früh eine Mädchenschule und Lehrerinnenseminare“, erinnert Sr. Rebekka. „Das war eine Selbstverständlichkeit unserer Provinz.“ Heute führen die „Ingenbohler Schwestern“ Schulen, Gymnasien und Bildungseinrichtungen, die längst auch Jungen offenstehen. Entscheidend sei jedoch, so die Provinzleiterin, dass „alle Kinder Zugang zu Bildung haben – das war von Anfang an das Ziel unseres Gründers.“
Auch in Krankenhäusern, Kinderheimen und Pfarreien prägten die Schwestern das kirchliche und soziale Leben. In Zürich und Bern waren sie die ersten katholischen Ordensfrauen nach der Reformation. „Wir haben nie Unterschiede gemacht – weder bei Religion noch Geschlecht oder Alter“, sagt Sr. Rebekka.
Ausstellung als Türöffner
Mit dem Jubiläumsjahr wollten die Schwestern aber nicht nur intern feiern. Die Ausstellung „Der Brüchigkeit trotzen“, die gemeinsam mit Künstlerinnen und der Gemeinde Brunnen entstand, versteht Sr. Rebekka als Brücke: „Es war uns wichtig, die Gesellschaft einzubeziehen. Kultur kann verbinden, Türen öffnen – auch für Menschen, die sonst nicht ins Kloster kommen würden.“
Das Thema ist bewusst gewählt. „Unsere Gemeinschaft ist überaltert – wir haben ein Durchschnittsalter von über 84 Jahren“, sagt Sr. Rebekka nüchtern. „Wir sind jetzt noch 282 Schwestern in der Schweiz, davon 15 unter 70. Unsere Brüchigkeit ist offensichtlich. Aber wir wollen trotz allem wachsen – im Geist, in der Hoffnung, im Auftrag.“
Blick in die Zukunft
Für Sr. Rebekka bedeutet die Zukunft der Gemeinschaft vor allem, das Kloster als „Ort der Begegnung“ zu erhalten. Täglich kommen Pilger zur Grabstätte von Mutter Maria Theresia, suchen Stille und ein offenes Ohr. „Wir sehen darin einen Auftrag für Kirche und Gesellschaft“, sagt sie.
Zugleich weiß die Provinzleiterin um die weltkirchliche Dimension: „Wir sitzen alle im gleichen Boot – weltweit. Die Herausforderungen sind unterschiedlich, in Uganda ganz andere als in den USA oder Europa. Aber gerade deshalb ist es wichtig, den Weg mit den Menschen zu gehen.“
Die „Ingenbohler Schwestern“ haben mit der Ausstellung ein Zeichen gesetzt: Sie zeigen, dass auch eine kleine, älter werdende Gemeinschaft Kraft hat, Impulse in Kirche und Gesellschaft zu geben. „Die Bedürfnisse der Zeit sind Gottes Wille“ – dieser Satz des Gründers Florentini ist für Sr. Rebekka aktueller denn je.
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