Unser Sonntag: Der Weckruf
Mag. Miriam Pawlak, Köln
26. So im Jk: Lk 16,19-31
(folgend die Betrachtung in Stichworten zusammengefasst)
Mit dem Gleichnis von dem reichen Mann, der überschwänglich Partys feiert und der von dem armen Lazarus vor seiner Tür weiß, sich aber nicht für ihn interessiert, wird die lukanische Thematik von arm und reich fortgeführt.
Die beiden Protagonisten werden scharf kontrastiert. Dabei geht es vorrangig um die Verurteilung von Überheblichkeit des Reichen, das wird deutlich mit der Erwähnung von Purpur (Ein teurer Stoff, den sich oft nur Könige und Kaiser leisten konnten und mit dem sie äußerlich ihre Macht, ihren Reichtum symbolisierten); es geht auch um die Verurteilung von Geldgier, mit der Jesus vor allem die Pharisäer adressiert.
Insgesamt liest sich dies nach dem alttestamentlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang. Das, was du auf der Erde getan oder nicht getan hast, dafür wirst du im Himmel belohnt oder du musst in der Hölle bezahlen. Auch Weisheitsschriften zeugen davon, dass Gutes Tun belohnt, Böses bestraft wird. Dieses Muster antiker Legenden wird im Lukasevangelium verstärkt, weil es die ethische Dimension übersteigt und das Unrecht in den Fokus setzt:
Mit dem Gleichnis legt Jesus gewissermaßen den Finger in die Wunde.
Denn der Luxus des Reichen steht diametral zum Elend des Lazarus. Dieser erleidet nicht nur qualvoll Hunger, sondern er hat zudem auch noch mit Krankheit zu kämpfen, die ihn ausgrenzt vom sozialen Leben – er befindet sich also am Rand der Gesellschaft, wird herausgedrängt und ist ein „Weggeworfener“, um es mit einem Wort von Papst Franziskus zu sagen; gegensätzlicher könnten die beiden Biografien nicht gezeichnet werden.
Wir kennen Lazarus beim Namen
Der Tiefpunkt der Erniedrigung erinnert ein wenig an die lukanische Erzählung vom „verlorenen Sohn“, der in der größten Not sehnsüchtig auf den Futtertrog der Schweine blickt und davon nichts erhält; bei Lazarus, der ebenfalls Hunger leidet, ist die Erniedrigung durch die Hunde gekennzeichnet, die an seinen Geschwüren lecken. Obwohl Lazarus der Arme ist, kennen wir Hörende und Lesende seinen Namen. Der spricht für sich, denn er ist verwandt mit dem Namen Eleazar (Ex 18) und bedeutet so viel wie „Gott hilft“. Der Reiche ist bloß der mit den prunkvollen Kleidern, aber er bleibt namenlos.
Eschatologische Bilder
Die Schilderung des Todes dreht die Kontrastierung bereits um: Während Lazarus behutsam und feierlich von Engeln getragen wird, stirbt der Reiche einfach und wird begraben. Lazarus aber ist in „Abrahams Schoß“ : ein Bild für das göttliche Erbarmen und den Bund Gottes mit Abraham, der ewiges Leben verheißen hat. Während also Lazarus für die Hoffnung auf Gerechtigkeit im Jenseits steht, wird der Reiche leer ausgehen; Von Engeln getragen, Abrahams Schoß, Flamme, Ort der Qual – all das sind eschatologische Bilder, die hier entworfen werden, sie verweisen auf das Gericht Gottes und auf die Jenseitsvorstellungen, dass es die Scheol – die Unterwelt – gibt und das ewige Leben – beide Sphären werden durch eine unüberbrückbare Kluft voneinander getrennt.
Vor diesem Hintergrund beschreibt Lukas den Dialog zwischen dem bittenden Reichen und Abraham in negativen Bildern und Warnungen. Er übertrifft die klassische Form von Gleichnissen, wie sie uns bekannt sind. Das zeigt sich insbesondere in dem Teil der Beispielerzählung, der im Jenseits stilisiert wird: der Reiche sucht das Gespräch mit Abraham, dem Stammvater und damit der Größe des Volkes Israel schlechthin. Abraham spricht in seiner ganzen Autorität und bildet den Ursprung der Erwählung und des Segens des ganzen Gottesvolkes.
Die dreimalige Bitte bleibt unerfüllt
Den Bitten des Reichen, die zwar menschlich verständlich sind, kommt Abraham nicht nach; sie bleiben unerfüllt. Erst geht es um sein Wohl, dann um das seiner Brüder, die scheinbar einen ähnlichen Lebensstil pflegen wie er selbst. Was nach Solidarität und Bewahrung vor dem gleichen Schicksal klingt, ist das Verharren im gleichen Muster: denn die Brüder sind Familie; Lazarus wird benutzt; er soll ihm helfen; Lazarus, der der Hilfe bedurfte und vom Reichen nicht einmal beachtet wurde. Der Reiche bittet drei Mal und wird drei Mal abgelehnt. Er bleibt hartnäckig und widerspricht Abraham, den er mit „Vater“ anspricht. Die allegorische Deutung – Gott als Vater klingt mit.
Das Jenseits bringt die Wende: Lazarus wird getröstet. Er bleibt passiv und wird nur beschrieben; aktiv ist der Reiche, der noch in der Unterwelt streitet: Der Dialog offenbart die Kritik des Reichen, der für viele Pharisäer steht. Der Reiche, der weder bereut noch bekehrt er sich, bittet ohne um Vergebung zu bitten und ohne zu danken für das ihm auf Erden geschenkte Gut. Er verkennt, dass die Tora und die Propheten bereits vorgeben, worin das Gesetz des Lebens besteht. Daher fordert er das Wunder der Auferstehung – letztlich wiederum zu seinen Gunsten; damit er und die anderen den ultimativen Beweis haben. Die Entgegnung Abrahams, dass auch Wunder keine Wirkung haben, wenn Tora und Propheten verkannt oder missdeutet werden, bildet die letzte Abweisung.
Jesus als Anwalt der Armen
Das Gleichnis Jesu im Lukasevangelium klingt hart. Jesus tritt als Anwalt der Armen ein. Das ist eine Warnung mit alttestamentlichen Bildern, die einschlägig sind: Neben der materiellen und sozialen Armut, für die die Pharisäer mit in Rechenschaft gezogen werden – weil sie statt Besitz zu teilen, andere ausgrenzen – steht auch die Ausgrenzung anderer durch die Deutungsmacht der heiligen Schriften Israels im Blick; Diese Macht darf nicht missbraucht werden. Das Gleichnis bleibt ein Weckruf an die Jünger Jesu, aber insbesondere auch an alle, die sich wie der Reiche in der Welt verhalten, als seien sie alleinige Weltherrscher. Ich denke, dass insbesondere Menschen, die mit materieller und geistlicher Manipulation durch Geld, Technik und die Beeinflussung von Nachrichten einen Spiegel vorgehalten bekommen. Aber auch jeder Einzelne steht vor der Frage, ob Selbstgerechtigkeit der richtige Weg ist.
(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)
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