Erzbischof Heße bei Papst Leo: Sehr zugewandt und interessiert
Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Radio Vatikan: Erzbischof Stefan Heße, Sie waren diesen Donnerstag in Audienz bei Papst Leo XIV.. Was können Sie uns darüber sagen?
Stefan Heße, Erzbischof von Hamburg und Flüchtlingsbeauftragter der DBK: „Es war eine sehr freundliche und warmherzige Begegnung, die unser Weihbischof und ich zusammen mit dem Papst im Apostolischen Palast hatten. Wir haben ihm über unser Erzbistum Hamburg erzählt, damit er eine gewisse Ahnung hat, was da in Deutschland so los ist - beziehungsweise was im Norden so los ist. Und da war er sehr zugewandt und wirkte sehr interessiert."
Radio Vatikan: Sie sind auch Flüchtlingsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz. Ging es auch um das Thema Migration?
Wie geht es Migranten - auch ohne Papiere - in Deutschland
Heße: „Ja, ich habe ihm natürlich erzählt, dass wir im Erzbistum Hamburg ein Drittel der Katholiken mit Migrationshintergrund haben. Und das war die Brücke, um dann auch etwas zu sagen über die Lage der Migranten in unserem Land. Da wirkte er dann noch mal interessierter und hat auch ein paar Dinge aus dem lateinamerikanischen Kontext beigesteuert. Vor allen Dingen war seine Frage: Wie geht es den Menschen, die illegal in einem Land sind, die keine Papiere haben? Und ob es das auch in Deutschland gäbe und und vor allen Dingen, wie die Pastoral für diese Menschen möglich wäre.
Fremdsprachige Missionen sind Schlüsselstellen
Und da denke ich, können wir dankbar sein, dass gerade die fremdsprachigen Missionen Schlüsselstellen sind, die Zugang zu Menschen in diesen Situationen haben, weil sie natürlich froh sind, dass sie sich an Menschen wenden können, an Seelsorger wenden können, die ihre Sprache sprechen und von denen sie wissen, das ist jetzt keine Vollzugsbehörde, sondern das ist Seelsorge. Und da, glaube ich, läuft über die Seelsorge, aber auch über die Ordensleute, ziemlich viel Gutes."
Radio Vatikan: Kommt Deutschland denn noch nach mit dem Angebot an fremdsprachiger Seelsorge?
Heße: „Wir haben bei uns im Erzbistum Hamburg etliche Sprachgruppen und jeden Sonntag in 20, 30 verschiedenen Sprachen Messfeiern. Da sind eine ganze Reihe von Seelsorgern da. Ich merke natürlich, dass es in den Heimatländern auch schwierig wird, Priester zu finden, die dann in die Mission gehen, weil es natürlich gar nicht mehr so viele gibt. Dann gibt es auch Umgehungsstrukturen, dass bestimmte Ordensgemeinschaften auch Mitbrüder schicken, die diverse Sprachen sprechen. Vielleicht müssen wir das auch in der Zukunft dann doch ein bisschen umstellen, dass alles internationaler und und auch integrierter wird. Wahrscheinlich wird es auf die Zukunft hin, etwa beim Gottesdienst, internationaler werden. Aber das ist ja nicht nur eine Sache der Sprache, sondern es geht auch um die Kultur.
Das merke ich zum Beispiel bei der portugiesischsprachigen Mission, wo es Portugiesen aus Portugal gibt, aber eben auch Lateinamerikaner, die ebenfalls Portugiesisch reden, aber deren kultureller Background vollkommen verschieden ist. Und da hat jetzt schon der Pfarrer die Aufgabe, diese Verschiedenheiten zusammenzuführen. Und das würde natürlich noch mal komplexer, wenn andere Nationen dazukommen. Wir versuchen da Pilotprojekte - wir haben an einer Pfarrei jetzt Firmvorbereitung für Deutsche und Portugiesen gemeinsam. Mal gucken, was daraus wird. Also ich glaube, in die Richtung müssen wir einfach uns weiter vorbereiten."
Radio Vatikan: Kommen wir noch mal nach Rom, in den Vatikan, zum Heiligen Jahr. Sie sind als Begleiter der großen Wallfahrt Ihres Erzbistums hier. Am Freitag beginnt das Heilige Jahr für die Synodalteams. Was erwarten Sie sich da?
Papst Leo setzt Synodalität fort - und ordnet
Heße: „Ich bin mal gespannt, was da passiert. Da sind natürlich Leute aus der ganzen Welt. Das macht das Ganze spannend - das kann es aber auch spannungsvoll machen. Ich hatte den Eindruck, schon bei der Synode war deutlich geworden, dass die Uhren in verschiedenen Teilen der Welt doch etwas verschieden ticken. Und man wird das wohl alles nicht so einfach synchronisieren können, sondern man muss sich jetzt überlegen: Wie kann eine Weltkirche in einer sich pluralisierenden Gesellschaft, und zwar in allen möglichen Teilen dieser Welt, Weltkirche bleiben und sein? Und da ist, glaube ich, der Gedanke der Synodalität, den Papst Franziskus so eingespeist hat, stark.
Ich sehe, dass Papst Leo das weiter fortsetzt. Ich habe den Eindruck, die beiden Päpste sind schon sehr verschieden: Franziskus hat mit seinem Temperament so manches sozusagen hineingeworfen in die Kirche, hat vielleicht auch manches aufgerüttelt und vielleicht auch ein bisschen Unruhe hineingebracht. Und Leo scheint mir eher derjenige zu sein, der das ein bisschen ordnet und zusammenführt. Und das ist ja eben die Aufgabe des Papstes, die Einheit der Weltkirche hinzukriegen. Und das ist natürlich kein monolithischen Block, sondern Einheit in Vielheit.
Das muss aber gut austariert sein. Und da, so glaube ich, braucht der neue Papst Weitblick, Überblick, aber auch Zusammen-Blick, um das gut hinzubekommen.
Deswegen, glaube ich, ist das jetzt für ihn ein erstes wichtiges Treffen, das weit über viele andere Treffen im Heiligen Jahr hinausgeht - die sind ja für die Gruppen dann die, die hier ihr Heiliges Jahr feiern - aber hier geht es jetzt, glaube ich, auch um Inhalte. Ich denke jedenfalls daran und wünsche diesem Treffen gutes Gelingen."
Papstschreiben „Dilexi te": Mehrfach lesen, meditieren und ins Handeln kommen
Radio Vatikan: Papst Franziskus und Papst Leo XIV. zeichnen beide für das erste Schreiben von Papst Leo XIV., das jüngst veröffentlicht wurde, „Dilexi te", verantwortlich. Was ist Ihnen davon besonders in Erinnerung geblieben und wie setzen Sie das Schreiben um?
Heße: „Das Schreiben ist Gott sei Dank nicht so ganz so lang. Deswegen kann man es ruhig auch noch mal wiederholt lesen. Es geht um die Armut und um die Armen. Und er macht das, wie das für solche päpslichen Schreiben eigentlich typisch ist, indem er durch die Kirchengeschichte, natürlich auch durch die Bibel durchgeht und schaut, wo das Thema Armut und der Arme uns begegnet. Insofern ist es, glaube ich, auch ein guter Meditationsstoff. Aber letztlich ist es natürlich etwas, das ins Handeln führen muss, denn wir können ja nicht einfach nur fromm über die Armut an und für sich meditieren.
Und erst recht, wenn es um das Schicksal der Armen geht. Das ist immer Anlass, sozusagen den Lazarus vor der eigenen Tür nicht zu übersehen, sondern sich ihm zuzuwenden und ein bisschen mehr zu tun, als ihm nur die herunterfallenden Brotkrumen zukommen zu lassen. Insofern, glaube ich, setzt Leo hier einen Akzent der Kontinuität zu seinem Vorgänger und motiviert uns, das Thema Arme und Armut nicht zu vergessen.
Deutschland: Reiches Land, aber viele sind einsam
Und das, glaube ich, ist für uns in Deutschland sehr wichtig. Wir gehören ja eher in den reicheren Teil der Welt. Aber wenn ich so durch die Weltkirche komme, gerade als Flüchtlingsbischof, dann sehe ich, wie verschieden eben die die Entwicklungsstände, die Niveaus, sind. Und die Armut der anderen ist eben auch Anruf an unsere Solidarität. Das können wir nicht nur an Hilfswerke oder große Kollekten abschieben, sondern das ist auch konkretes Wirken. Und Armut ist eben nicht nur das Materielle, sondern oft auch das Seelische. Ich glaube zum Beispiel bei uns in Deutschland gibt es eine eine Armut, die sich etwa in Einsamkeit äußert. Menschen, die keinen haben, mit dem sie reden können oder ihr Leben teilen können. Und das, glaube ich, ist mindestens genauso herausfordernd wie wie viele andere Formen der Armut.
(vatican news - sst)
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