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Zerstörte Infrastruktur in Syrien Zerstörte Infrastruktur in Syrien  (AFP or licensors)

D: Caritas sieht Flüchtlingsdebatte zu Syrien kritisch

Der Leiter von Caritas International, Oliver Müller, appelliert, die Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren. Eine zwangsweise Rückkehr sei gefährlich und verantwortungslos, äußerte er in einem Kommentar für Table Briefings zur jüngsten Debatte innerhalb der CDU über Rückführungen und Flüchtlingspolitik.

Müller ist auch Caritas-Vorstand für Internationales, Migration und Katastrophenhilfe. In seinem Beitrag betont er: „Machen wir uns klar: Die Menschen, über deren Köpfe hinweg gerade debattiert wird, sind unsere Nachbarinnen und Nachbarn, unsere Kolleginnen und Kollegen, die Freundinnen und Freunde unserer Kinder. Ihnen wird aktuell vermittelt, dass sie in Deutschland nicht willkommen sind, obwohl sie in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen haben, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden. Ein fatales Signal.“

Müller erinnerte an zahlreiche Probleme Syriens: „70 Prozent der 24 Millionen Syrerinnen und Syrer brauchen humanitäre Hilfe; jedes dritte Wohnhaus in großen Städten wie Aleppo, Idlib und Homs ist unbewohnbar; das Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps: 43 Prozent der Krankenhäuser sind nicht funktionsfähig; 2,4 Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen, weil ihre Schulen zerstört sind oder Lehrer fehlen; und die Preise für Nahrungsmittel und Energie haben sich nach dem Regimesturz um 200 bis 400 Prozent erhöht.“ Die Caritas sehe sich genau mit dieser „bitteren Realität konfrontiert“, äußerte der Caritas-Vorstand und ergänzte, dass dies nur ein Teil der Herausforderungen sei, die das Land erlebe. Die Kürzungen der humanitären Hilfsmittel aus Deutschland und den USA oder das zum großen Teil verminte Land seien hier noch zu ergänzen.

„Ein fatales Signal“

Damit ist für Müller klar, dass, wer in Syrien lebt, sich großen Risiken aussetzt. Der Caritas-Vorstand mahnt, in der Debatte um Rückführung nicht nur Zahlen zu sehen, sondern die Menschen in den Blick zu nehmen, denn sonst könnten diese „Symboldebatten die Integration und die humanitären Prinzipien gleichermaßen gefährden“. Seinen Kommentar beendet er mit den Worten: „Vielmehr gilt es, humanitäre Hilfe zu sichern, den Wiederaufbau langfristig zu unterstützen, Geflüchtete zu schützen, Integration zu stärken und politische Debatten an den Fakten auszurichten.“ Diese Punkte fordert der Caritas-Vorstand von der Politik.

Die Debatte innerhalb der CDU/CSU

Außenminister Wadepuhl hatte in einem Vorort der syrischen Stadt Damaskus gesagt, dass dort „wirklich kaum Menschen würdig leben“ könnten – angesichts der großen Zerstörung und der immer wieder ausbrechenden Kämpfe. Bundeskanzler Friedrich Merz entgegnete auf die Aussage des Außenministers: „Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet, es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland.“ Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Jens Spahn, betonte, dass er es für wichtig halte, dass die syrischen Flüchtlinge aus Deutschland beim Wiederaufbau Syriens helfen. Er bezeichnete dies als „patriotische Pflicht, dass man seine Heimat wiederaufbaut“, und positionierte sich mit dieser Aussage ebenfalls gegen seinen Parteikollegen Wadepuhl.

„Machen wir uns klar: Die Menschen, über deren Köpfe hinweg gerade debattiert wird, sind unsere Nachbarinnen und Nachbarn, unsere Kolleginnen und Kollegen, die Freundinnen und Freunde unserer Kinder.“

Der Innenminister Alexander Dobrindt versucht zurzeit, einen Vertragspunkt umzusetzen, der in der Koalition zwischen CDU und SPD beschlossen wurde: Die straffällig gewordenen Syrer in Deutschland sollen wieder zurückgeführt werden. Im August 2025 befanden sich 951.406 Syrerinnen und Syrer in der Bundesrepublik, wovon 10.700 ausreisepflichtig waren.

Der Caritas-Vorstand betont, dass diese ganze Diskussion und die Umsetzungsversuche große Unsicherheiten auslösten. „Selbst Syrerinnen und Syrer mit deutscher Staatsangehörigkeit fragen mittlerweile nach, was die politischen Diskussionen für sie persönlich und die Zukunft ihrer Familie bedeuten könnten“, formulierte Oliver Müller.

(tagesschau/table briefings – bl)

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07. November 2025, 11:41