Symbolbild: Forum Romanum im Hintergrund San Giuseppe dei Falegnami Symbolbild: Forum Romanum im Hintergrund San Giuseppe dei Falegnami  (ANSA)

Auf den Spuren der ersten Christen Roms: Als der ewige Advent kürzer schien | Teil I

Der Advent ist im Kirchenjahr die liturgische Zeit des Wartens auf die Ankunft Jesu Christi an Weihnachten. Doch unser Warten reicht über diese Wochen hinaus: Es wird als „ewiger Advent“ bezeichnet, weil wir – wie die ersten Christen – bis heute auf die Wiederkunft Jesu hoffen, wenn auch auf andere Weise. In diesem Advent schauen wir in vier Beiträgen auf die Hoffnung der ersten Christen in Rom, die einen Teil ihrer Zuversicht von den Apostelfürsten Petrus und Paulus empfangen haben.

Benedikt Lang - Rom/Vatikanstadt*

Nur wenige Schritte vom Kolosseum und dem Forum Romanum entfernt liegt ein Ort, der von außen kaum erahnen lässt, welch dunkle Kapitel der römischen Geschichte sich unter seinen Mauern verbergen. Die Kirche San Giuseppe dei Falegnami erhebt sich unscheinbar über einem der gefürchtetsten Gefängnisse der Antike: dem Carcer Tullianus. Heute führt uns unsere Spurensuche zu zwei Männern, die hier ihren Dienst taten – und deren Begegnung mit den Apostelfürsten ihr Leben auf radikale Weise veränderte: den Heiligen Processus und Martinianus.

Ein Brunnenhaus, das zum Kerker wurde

Betritt man den unterirdischen Teil des Gebäudes, öffnet sich eine Welt aus kaltem Stein, schmalen Gewölben und den Schatten von mehr als zwei Jahrtausenden. Ursprünglich war die Anlage ein schlichtes Brunnenhaus, ein mit dem Felsen verbundener Schacht, aus dem Wasser geschöpft wurde. Doch mit den politischen Wirren der späten Republik verwandelte sich dieser Ort in ein Staatsgefängnis – berüchtigt, gefürchtet, oft tödlich.

Hier fanden Männer wie der gallische Anführer Vercingetorix, der Numiderkönig Jugurtha und die Mitglieder der catilinarischen Verschwörung ihr Ende. Der Überlieferung nach stieg Jugurtha mit den bitteren Worten: Wie kalt doch eure Bäder sind, Römer!“, durch die Kreisrunde Öffnung des Gefängnisses hinab. In der Enge des Tullianums warteten auf die Gefangenen bittere Zeiten: Hunger, Erstickung und häufig die Hinrichtung. Die Leichname landeten später auf der Gemonischen Treppe und schließlich im Tiber.

In dieser Atmosphäre der Gewalt und Hoffnungslosigkeit versahen Processus und Martinianus der Legende nach ihrem Dienst als Wachen.

Begegnung mit Petrus und Paulus

Zur Zeit Kaiser Neros – einer Epoche schwerer Christenverfolgung – erzählt die christliche Überlieferung von einem außergewöhnlichen Ereignis: Die Apostelfürsten Petrus und Paulus sollen monatelang im Tullianum festgehalten worden sein. Die beiden Wachleute seien von der Haltung und dem Glauben der Apostel so tief berührt worden, dass sie sich Christus zuwandten.

Doch im dunklen Gefängnis gab es ein praktisches Problem: Das Wasser war längst versiegt. Der Legende zufolge jedoch geschah hier ein Wunder: Petrus und Paulus sollen die alte Quelle neu zum Fließen gebracht haben. An dieser rekultivierten Quelle ließen sich Processus und Martinianus, und mit ihnen angeblich 47 weitere Menschen, taufen.

Ein Moment des Lichts im tiefsten Dunkel. Ein Advent – das Kommen Christi mitten in der Tiefe der Erde.

Ein Glaube mit Konsequenzen

Doch ihre Entscheidung hatte Folgen. In einer Zeit, in der das Bekenntnis zu Christus als Staatsverrat galt, wurde der Weg der beiden jungen Männer zum Martyrium.

Der Gefängniswärter Paulinus erfuhr von der Taufe und forderte Processus und Martinian auf, Christus abzuschwören. Aber sie bekannten sich zu Christus. Die Beiden wurden daraufhin mit Eisenstangen geschlagen, mit Feuer verbrannt und schließlich mit dem Schwert enthauptet, so die Legende. Ihr Blutzeugnis stellt sie in die Reihe jener, die glaubten, dass der Herr wiederkommen werde, um Gerechtigkeit zu schaffen – und in die Reihe jener, die für diese Hoffnung alles gaben. Sie warteten – so heißt es – in eben jenem Gefängnis, das sie einst bewacht hatten, auf ihren Tod.

Ein Ort, der erzählt

Wer heute den Carcer Tullianus besucht, betritt nicht nur eine historische Anlage, sondern auch einen Ort des Glaubens. Zwischen den alten Steinen, der Säule, an der der Heilige Petrus angekettet gewesen sein sollte, spürt man noch die Spannung zwischen Macht und Ohnmacht, Gewalt und Gnade. Und man kann sich fragen: Wie muss es gewesen sein, als zwei römische Wachsoldaten im Kerker der Weltmacht Rom einem Glauben begegneten, der die Zeiten – bis heute – überdauern sollte?

Processus und Martinianus sind – wenn auch legendär – Zeugen eines Glaubens, der den Mut hatte, selbst im tiefsten Felsenkeller aufzubrechen – weil Christus nahe schien. Vielleicht näher, als wir es heute manchmal wahrnehmen.

*Hauptquellen dieser Recherche: In cammino sulle orme dell`Apostolo Paolo a Roma, Vademecum del pellegrino, hg. Carlo Munns, EDIZIONE SAN PAOLO, 2008 - Der mamertinische Kerker und die römischen Traditionen vom Gefängnisse und den Ketten Petri Author(s): H. Grisar Source: Zeitschrift für katholische Theologie , 1896, Vol. 20, No. 1 (1896), pp. 102-120 Published by: Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck

(vatican news - bl)

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28. November 2025, 11:32