Der protestantische Theologe Frank-Dieter Fischbach ist Generalsekretär der „Konferenz Europäischer Kirchen“ (KEK) Der protestantische Theologe Frank-Dieter Fischbach ist Generalsekretär der „Konferenz Europäischer Kirchen“ (KEK) 

„An diesem Ökumene-Text hätte heute auch Luther mitgearbeitet“

Der protestantische Theologe Frank-Dieter Fischbach ist Generalsekretär der „Konferenz Europäischer Kirchen“ (KEK) – und hat am Donnerstag in Rom eine aktualisierte Fassung des ökumenischen Textes „Charta Oecumenica“ unterzeichnet.

Interview

Pfarrer Fischbach, warum brauchte die Charta Oecumenica denn eine Aktualisierung?

„Seit 2001, als die erste Charta unterzeichnet worden ist, hat sich doch in Europa vieles verändert – in der Ökumene, in den Kirchen, aber auch Europa selbst hat sich stark verändert. Neue Themen sind aufgekommen, die die erste Charta nicht so im Blick hatte. Und deswegen sind wir gemeinsam zu der Überzeugung gekommen: Es ist gut, noch mal daranzugehen und diese Charta zu überarbeiten, für heute in Europa.“

Was sind denn diese neuen Themen? Ist das zum Beispiel Umwelt, Klima?

„Ja, Umwelt und Klima einerseits. Das war auch schon in der ersten Charta mit integriert und ist jetzt noch mal stärker ausgearbeitet worden – auch mit der Frage, womöglich ein Schöpfungsfest als liturgischen Teil im Kirchenjahr einzuführen. Andererseits sind Themen wie Migration neu aufgenommen worden, dann die Frage von neuen Technologien, Künstliche Intelligenz und allem, was damit zusammenhängt. Das Thema Krieg und Frieden, das zuvor auch schon ein Thema war, ist aufgrund der aktuellen Gegebenheiten des Krieges gegen die Ukraine, aber auch in Palästina, Israel, noch mal überarbeitet worden.“

Ein Moment der Unterzeichnung des überarbeiteten Ökumene-Dokuments
Ein Moment der Unterzeichnung des überarbeiteten Ökumene-Dokuments   (© ccee.eu)
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„Das Thema Krieg und Frieden, das zuvor auch schon ein Thema war, ist aufgrund der aktuellen Gegebenheiten des Krieges gegen die Ukraine, aber auch in Palästina, Israel, noch mal überarbeitet worden“

Nun ist die eigentliche Charta Oecumenica ja schon von 2001 und, sagen wir mal, sehr pastoral auf ökumenische Zusammenarbeit ausgerichtet. Der wirkliche theologische Dialog zwischen den Kirchen ist noch mal eine ganz andere Schiene, oder?

„Ich denke, die Charta Oecumenica bietet einen Rahmen an und beschreibt, was in diesem Rahmen alles passieren kann. Dazu gehört der theologische Dialog, dazu fordert die Charta ja auch auf; aber es geht eben auch um das gemeinsame Leben, den gemeinsamen Dialog auf den verschiedenen Ebenen unserer Kirchen. Deswegen ist für uns jetzt der Rezeptionsprozess.sehr wichtig: Wie wird die Charta aufgenommen werden? Wie werden Kirchen, aber auch zum Beispiel die nationalen Kirchenräte sie aufnehmen, um daraus zu schöpfen und daraus auch weitere Dialoge zu formen?“

„Als ich mein Amt als Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen angetreten habe, war ich auch erst etwas überrascht über diesen Prozess, die Charta zu überarbeiten“

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen: Wir produzieren auch viel Papier hier im Vatikan. Aber wenn man in die Ökumene schaut – da werden ja ganze Papierberge angesammelt! Müsste man da nicht mal sagen: ‚Halt! Wir tagen jetzt einfach mal zusammen und behandeln diese international relevanten Themen in einem gemeinsamen Papier‘?

„Ja, das ist eine sehr gute Frage. Als ich im Sommer letzten Jahres mein Amt als Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen angetreten habe, war ich auch erst etwas überrascht über diesen Prozess, die Charta zu überarbeiten. Wir haben aber dann feststellen können (und das war eine ungemein positive und und inspirierende Erfahrung), wie viele sich an diesem Konsultationsprozess beteiligt haben. Wir hatten ja nur ein halbes Jahr als Konsultationsprozess vorgesehen, vom Sommer letzten Jahres bis zu Weihnachten des letzten Jahres, und über 70 Kirchen, ökumenische Verbände und Organisationen haben sich an der Überarbeitung der Charta beteiligt. Daraus ist uns deutlich geworden: Die Charta ist ein Instrument, um tatsächlich ökumenisch im Gespräch zu sein, ins Gespräch zu kommen, und sie wird dafür sehr genutzt. Insofern, würde ich sagen, ist es ein etwas anderes Papier als andere Papiere, die oft dann tatsächlich relativ schnell auch wieder abgelegt werden und in gewisser Weise verbleichen. Das ist, glaube ich, bei der Charta tatsächlich anders.

Und etwas Zweites kommt noch hinzu, was gerade jetzt interessant ist: Wir erleben ja zurzeit ungemeine Umbrüche in der Welt, aber auch in Europa – auch in der Politik, in der Wirtschaft usw. Und ich glaube, da kommt die Charta jetzt zu einem richtigen Zeitpunkt, weil sie den Kirchen und den an Ökumene Interessierten, aber auch darüber hinaus, ein Angebot macht, noch einmal darüber zu diskutieren: Wer sind wir eigentlich als Kirche, als Kirchen in Europa, und was wollen wir beitragen zu diesem Europa? Insofern, glaube ich, kommt dieses Update der Charta Oecumenica eigentlich im genau richtigen Moment für die Kirchen in Europa.“

„Wer sind wir eigentlich als Kirche, als Kirchen in Europa, und was wollen wir beitragen zu diesem Europa?“

Wobei die Kirchen in Europa trotzdem nicht bei wichtigen Themen geschlossen auftreten…

„Das stimmt – wobei wir das natürlich auch innerhalb unserer eigenen Konfession – ich selber komme aus der evangelischen Kirche – durchaus eine Pluralität an Meinungen haben. Aber darum geht es halt gerade auch: zu sehen, wie wir beieinanderbleiben, gerade in Zeiten, wo vieles auch auseinanderzugehen scheint. Auch im politischen, im europäischen Bereich beieinander zu bleiben und an den Fragen dranzubleiben und daran zu arbeiten. Und dazu fordert die Charta auf und betont auch noch einmal, dass wir das, was wir zusammen tun können, auch zusammen tun. Daran müssen wir uns natürlich auch messen lassen…“

Kritiker der Charta sagen: Die hat ja gar keinen eigenen Einheitsbegriff, das Ziel verschwimmt im Ungefähren.

„Das ist bestimmt auch auch richtig. Aber es ist auch kein Dokument, um eine Vision einer geeinten Kirche darzustellen, sondern es geht in der Tat mehr darum zu sagen: Wie sind wir gemeinsam auf dem Weg? Also, die Charta ist fern davon, alle theologischen Fragen zu klären oder angehen zu wollen, sondern bezieht sich meines Erachtens in der Tat darauf, wie wir einen gemeinsamen Weg in Europa beschreiten können, der natürlich darauf zielt, eine immer engere Gemeinschaft und des Miteinanders von Kirchen zu erleben.“

„Das, was wir als Kirchen zusammen tun können (und das ist eine ganze Menge), das sollen wir auch zusammen tun!“

Ihr Lieblingssatz aus der Charta Oecumenica?

„Den habe ich tatsächlich gerade eben schon schon zitiert, weil ich denke, dass das ein Satz ist, den wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen müssen: Das, was wir als Kirchen zusammen tun können (und das ist eine ganze Menge), das sollen wir auch zusammen tun! Denn das macht uns stärker und auch überzeugender in der Öffentlichkeit, in der Gesellschaft.“

Würde Martin Luther heute auch die Charta Oecumenica mit aktualisieren oder daran mitarbeiten?

„Ich denke schon, dass er heute, im 21. Jahrhundert, auch mit dabei wäre und sagen würde: Jawohl, wir müssen diesen Weg suchen! Gemeinsam in einer Zeit, die ganz anders ist, die ganz andere Herausforderungen hat als die Zeit, in der er gelebt hat… Doch, ich würde sagen, da würde er auch mitgehen und dabei sein.“

Die Fragen an Pfarrer Fischbach stellte Stefan von Kempis.

(vatican news)
 

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06. November 2025, 12:38