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Sr. Angela (unten rechts) mit ihrer Gemeinschaft der Schwestern ,Ausiliatrici delle anime del Purgatorio' aus Matera und mit Freunden Sr. Angela (unten rechts) mit ihrer Gemeinschaft der Schwestern ,Ausiliatrici delle anime del Purgatorio' aus Matera und mit Freunden  #SistersProject

Ordensfrauen in Italien: Anderen zuhören erste Form der Liebe

Auch wenn viele Ordensgemeinschaften in Europa mit der Herausforderung der Überalterung ihrer Mitglieder konfrontiert sind, bleibt der Kern ihrer Berufung unverändert: den Notleidenden mit Liebe und Hingabe zu dienen. In Matera in Süditalien tut dies weiterhin die 93-jährige Schwester Angela Sinopoli: Auf den Straßen ihrer Stadt betreibt sie Nachbarschaftsseelsorge.

Von Sr. Ilaria de Lillo

»Niemand ist so arm, als dass er nicht etwas zu geben hätte, und niemand so reich, als dass er nicht etwas erhalten müsste«, sagte der verstorbene Papst Franziskus, in Anlehnung an Don Oreste Benzi (Botschaft zum 61. Weltgebetstag um geistliche Berufungen, 21. April 2024). Wenn man das erfüllte Leben von Sr. Angela betrachtet, kann man das bejahen. Unabhängig vom Alter, den Lebenserfahrungen und dem Wohnort gibt es immer etwas aus Liebe zu geben und zu empfangen. Die pensionierte Krankenschwester ist 93 Jahre alt und blickt auf 70 Jahre glückliches Ordensleben zurück: Es handelt sich um Sr. Angela Sinopoli, Ordensschwester der Kongregation der Helferinnen, die seit 2001 in Matera Nachbarschaftsseelsorge betreibt. Diese Mission führt sie auf die Straße, wo sie Gelegenheit zu Begegnungen sucht und Menschen besucht, die einsam oder krank sind oder jemanden brauchen, dem sie sich anvertrauen und mit dem sie die Lasten des Lebens teilen können.

Sr. Angelas Energie ist unerschöpflich, weil sie von dem Bewusstsein eines Geschenkes getragen ist: Trotz ihrer 93 Jahre begegnet die Ordensfrau den Herausforderungen des Alltags mit Entschlossenheit und Humor, getragen von jener Liebe, die sie selbst empfangen hat und die sie vor keiner Schwierigkeit zurückschrecken lässt. Der Stil von Schwester Angela lässt sich mit drei Wörtern beschreiben: Kraft, Energie und Mut. Sie schöpft aus der Weisheit der ignatianischen Spiritualität, einem Grundpfeiler der Kongregation der Helferinnen, um die Begleitung als Präsenz unter und neben den Menschen zu leben.

Es ist also nicht das Alter, das ihren Wunsch, die Freude und Barmherzigkeit des Herrn mit anderen zu teilen, bremst. Auch wenn der Körper Schwierigkeiten bereiten kann, überwindet das Herz alle Grenzen. Sr. Angela hört sich die Probleme an, die ihr die Menschen anvertrauen, und wird zu einer Weggefährtin, indem sie das Erzählen als therapeutischen Moment für die Menschen nutzt. Indem sie die Dinge beim Namen nennt, kommen sie zum Vorschein und können im Licht der Hoffnung statt in der Dunkelheit der Verzweiflung angegangen werden. »Jedes Mal, wenn mir Menschen ihre Probleme und Ängste erzählen«, erklärt Schwester Angela, »versuche ich, sie zu ermutigen, weiterzumachen. Manchmal beten wir gemeinsam, manchmal tauschen wir ein Lächeln aus.« Und wenn sie nach Hause zurückkehrt, bringt sie alles in ihr persönliches und gemeinschaftliches Gebet ein. »Es ist eine Möglichkeit, ihnen die Liebe Gottes zu bezeugen.«

In der Krise der Anwesenheit ist es jetzt Zeit zum Zuhören

Sr. Angela trägt keine Uhr am Handgelenk, wenn sie früh morgens ihr Haus verlässt, um ihre Runden in der Stadt zu drehen. Sie versteht es, Zeit mit Menschen zu verbringen und sich auf unerwartete Begegnungen einzulassen. Am Morgen plant sie, welche Familien sie an diesem Tag besuchen wird; manchmal erstellt sie eine Liste mit Kontakten von Menschen, von denen sie weiß, dass sie in Schwierigkeiten sind, und betreibt »telefonisch« Seelsorge. Jemanden anzurufen, auch nur um Hallo zu sagen, kann für den anderen wie eine Umarmung sein, eine Möglichkeit, ihm zu vermitteln, dass er wichtig ist, dass es jemanden gibt, der an ihn denkt, und das schafft Vertrauen und Hoffnung.

Manchmal ist die Begegnung jedoch nicht geplant, sondern findet auf der Straße statt. Dann ist es an Sr. Angela, wie Petrus zu sagen: » Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir« (Apg 3,6). Die Ordensfrau lebt das Zuhören als eine Form der Teilhabe an den Nöten der Menschen und als Anwesenheit im Schmerz selbst, damit niemand mit seinen Problemen allein gelassen wird. Die Nähe wird von Sr. Angela als Dienst verstanden, um ein heutiges Problem anzugehen, das der Anthropologe Ernesto De Martino als »Krise der Präsenz« bezeichnet hat, d. h. den Verlust des Sinnhorizonts, die Unfähigkeit, Kontrolle über das eigene Leben und die eigene Rolle im Leben zu haben.

In Zeiten der multiplen Krisen verspürt Sr. Angela den Impuls, den Menschen durch ihre bloße Anwesenheit das Gefühl der Würde wiederzuschenken. »Es sind vor allem Mütter, die mir von den Problemen mit ihren Kindern erzählen.« Die Eltern fühlen sich allein gelassen, sie stehen vor vielen Herausforderungen bei der Erziehung, die prekäre Arbeitssituation im Süden ist ein weiterer Grund zur Sorge, es herrscht die Angst, keine Zukunft zu haben.

Sr. Angela mit den zeitlichen Professschwestern
Sr. Angela mit den zeitlichen Professschwestern

Die Kunst zuzuhören, um gemeinsam Hoffnung zu schöpfen

Wenn man diese Situationen hört, könnte man versucht sein, eine Lösung anzubieten, die es manchmal nicht gibt, oder Antworten zu geben, die möglicherweise nicht angemessen sind. Aber Sr. Angela hat in ihrem »Werkzeugkasten« Folgendes dabei: zuhören, ohne zu urteilen, schweigen, die Worte des anderen im Herzen bewahren und »die Person begleiten, damit sie nicht verzweifelt, sondern Hoffnung schöpft. Aber ich habe kein Rezept dafür, was ich sagen soll, ich lasse mich von den Worten leiten, die mir der Herr eingibt.« Und mit Demut vertraut sie auf die Vorsehung.

Von Jesus lernen, an die Peripherien zu gehen

Das Haus zu verlassen und Menschen zu besuchen, was Papst Franziskus als »an die Peripherien gehen« bezeichnet hat, ist ein evangeliumsgemäßer Lebensstil, den Sr. Angela nach dem Vorbild Jesu lebt. Sie ist fasziniert von der Art und Weise, wie Jesus andere Menschen ansieht, nämlich als geliebte Geschöpfe, und wie er sich für die Armen interessiert und ihnen Hoffnung bringt. Genau so drängt es Sr. Angela, Begegnung zu suchen, um Gott trotz Konflikten und Nöten in dieser Welt am Werk zu sehen.

Sr. Angela ist eine von vielen Ordensfrauen, die auch lange nach ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben und der Abgabe von Verantwortung weiterhin den Menschen dienen: »Unser Leben steht im Dienst anderer«, schließt sie. »Das Leben, das wir gewählt haben, und unser Charisma sind Geschenke, die wir mit Freude teilen sollten!« Und man hört nie auf, zu empfangen und zu teilen.

#sistersproject

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14. November 2025, 15:03