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1. Advent 1. Advent  

Unser Sonntag: Kehrt um!

Weihbischof Christoph Hegge greift den Grundtenor des Evangeliums auf: Seid wachsam, kehrt um. Das Evangelium sollte das Drehbuch für unser Leben sein, da steht drin, wie Christsein geht.

Weihbischof Dr. Christoph Hegge

Mt 24,37-44

1. Advent (A)

„Seid wachsam!“ Dieser Aufruf zu Beginn der Adventszeit bildet den Grundakkord der Schilderung Jesu von der gewaltigen kosmischen Vision vom Ende der Welt. Mond, Sonne und Sterne werden erschüttert, die Menschen leben in großer Not und Angst, der Menschensohn erscheint auf den Wolken des Himmels in Macht und Herrlichkeit bei lautem Posaunenschall. Die Wiederkunft des Erlösers steht unter der definitiven Heilszusage Jesu: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ (Mt 24, 35)

Hier zum Nachhören

Im Weltgericht wird der Menschensohn mit seinem Leben und seinem Zeugnis der Liebe und Barmherzigkeit zum Richter der Welt. Seine selbstlose Liebe, seine Lebenshingabe wird zum Maßstab jeglicher Geschichte. Daher ist die Aufforderung Jesu: „Seid wachsam!“, „Haltet auch ihr euch bereit!“ ein Aufruf zur Umkehr unserer Herzen, zum entschiedenen Eintritt in die Haltung der Liebe und des Dienstes Jesu Christi für den Frieden, für die Einheit des Menschengeschlechts, für die Gerechtigkeit, die allen Menschen widerfahren soll. Mit dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi und seiner Geistsendung am Pfingstfest hat die Endzeit begonnen und die gesamte Menschheit geht der Fülle des Lebens in Jesus Christus entgegen, der im Kommen ist.

„Leben aus dem Geist Jesu Christi können wir nicht terminieren oder delegieren. Leben in der Nachfolge Christi meint das „Hier und Jetzt“ meines Lebens“

„Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ (Mt 24, 42). Leben aus dem Geist Jesu Christi können wir nicht terminieren oder delegieren. Leben in der Nachfolge Christi meint das „Hier und Jetzt“ meines Lebens, meint den heutigen Tag, meine aktuelle Lebensstunde. Diese Dramatik spricht aus den Worten der Mystikerin Chiara Lubich, wenn sie schreibt: „Wenn du wüsstest, wen du in dir trägst! Wenn du für Ihn alles lassen würdest! Wenn du doch dieses kurze Leben, das jeden Augenblick vergehen kann, Gott zuwenden würdest. …Also, dich verlieben würdest in Gott… Lebe für Ihn. Gott wird binnen weniger Jahre alles für dich sein, sobald dieses kurze Leben vorbei ist. Wirf dich in Ihn hinein!“

Bedürftige in Liebe aufrichten 

„Seid wachsam“ bezeichnet daher die Haltung derjenigen Jüngerinnen und Jünger, die Jesus nachfolgen und an seinem Wort festhalten, das nicht vergehen wird. Und seine Worte kennen wir: Den Nächsten lieben, einander dienen, wie Jesus es uns vorgemacht hat, miteinander teilen, die Armen, die Notleidenden an unseren Tisch einladen, Trauernde trösten und die Bedürftigen in Liebe aufrichten.
Wachsamkeit, Bereitschaft im Sinne Jesu bedeutet: Leben aus seinem Wort, aus seiner Botschaft; bedeutet: mit unserem Herzen, unserem Denken und Handeln für unsere Mitmenschen ein „anderer Jesus sein“, also geradezu SEINE Lebenshaltung annehmen und bezeugen,
bedeutet schließlich: unsere Mitmenschen gewissermaßen mit den „Augen Jesu“ anschauen und – wie der barmherzige Samariter – dem Notleidenden zum Nächsten werden, sodass er in uns die Liebe Jesu Christi wiederentdecken kann.

Eintauchen in das Leid der noch Unerlösten

Gerade im Advent wird uns bewusst, dass sich viele Völker der Erde im Elend befinden und viele Nationen miteinander im Krieg liegen. Mehr noch: Wir können wahrnehmen, wie in unserer Gesellschaft, in unserer konkreten Umgebung, Gewalt, Ausgrenzung und Egoismus zunehmen. Hier liegt die Herausforderung, dass wir als getaufte und erlöste Christen in das Leid und die Sehnsucht der noch unerlösten Menschen eintauchen, dass wir nicht nur Zuschauer sind, sondern selbst helfen und teilen, wo es möglich ist und darin Christus, unserem Messias und Erlöser nacheifern, der gekommen ist, nicht um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.

„Wo sind wir heute diese Christinnen und Christen, diese Gemeinschaften und Gemeinden, die aus der Kraft des Geistes Jesu Christi die Wunden der Welt zu heilen helfen?“

Wo sind wir heute diese Christinnen und Christen, diese Gemeinschaften und Gemeinden, die aus der Kraft des Geistes Jesu Christi die Wunden der Welt zu heilen helfen? Als Getaufte und Gefirmte leben wir bereits im Licht und in der Wahrheit der Botschaft Jesu Christi, so dass uns sein „Tag der Wiederkunft“ nicht mehr überraschen kann. Im Licht seiner Worte, die nicht vergehen, bereiten wir uns im Glauben und in der Liebe auf seine Ankunft vor.

Das Evangelium als Drehbuch für unser Leben

Denn die Worte Jesu sind gelebte Erfahrung der Liebe Gottes zu uns Menschen und der Liebe der Menschen untereinander. Darum ist das gesamte Evangelium Jesu wie eine Art „Drehbuch“ für unser Leben. Wir selbst sollen mit unserem Leben noch einmal wiederholen, was Jesus für uns Menschen getan hat und welche unendliche Liebe Gottes unter uns lebendig ist, wenn wir einander begegnen, wie er es uns vorgemacht hat. Daher kann keiner und keine unter den Christen heute sagen, er oder sie wüsste nicht, wie Christsein geht.
Denn Gott selbst hat es uns in Jesus Christus vorgemacht, mit beiden Beinen auf der Erde und mit einem unendlich großen Herzen für alle Menschen.

Was tue ich heute aus der Kraft der Liebe Christi?

Leben aus den Worten Jesu, „die nicht vergehen“ stellt uns Christen vor die konkrete Frage: Was tue ich heute aus der feurigen und in mir brennenden Kraft der Liebe Christi, um das Reich Gottes in dieser Welt, in meiner konkreten Umgebung sichtbar, erfahrbar und berührbar werden zu lassen?

Christen, die miteinander aus den Worten Jesu leben, Gemeinden und Gemeinschaften, die Jesu Gerechtigkeit, seine Barmherzigkeit und seinen Frieden in den Mittelpunkt ihrer Beziehungen stellen, stoßen vielleicht auf Widerstand, aber sie sind zugleich Zeuginnen und Zeugen des anbrechenden Gottesreiches. Sie haben es nicht nötig, sich mit den Waffen dieser Welt zu verteidigen, denn sie leben mit einem „abgerüsteten Herzen“ und lieben ihre Nächsten mit entwaffneten und entwaffnenden Worten und Gesten.

Aus der Hoffnung leben, die nicht trügt

Wer so lebt, braucht keine Sorge zu haben vor der Wiederkunft des Herrn, denn er weiß sich in jedem Augenblick seines Lebens angeschaut vom Blick der überwältigenden Liebe Jesu Christi, der ihn umarmt. Wer so in den Advent des eigenen Lebens hineingeht, der spürt die innere Kraft, nicht in Wunden und Verletzungen unterzugehen, sondern bereits heute - „jenseits der Wunden“ – aus einer Hoffnung zu leben, die nicht trügt.
„Seid wachsam!“, „Haltet euch bereit!“ Mit diesem Aufruf Jesu zu Beginn der Adventszeit soll uns im Herzen aufgehen: Jesus Christus ist immer neu der Kommende: Im Wort, das er zu uns spricht; in den Sakramenten, die wir empfangen; in der Schwester und im Bruder, denen wir dienen. Darum lasst uns, wie es im Tagesgebet zum 1. Advent heißt, „dem kommenden Christus entgegengehen und uns durch Taten der Liebe auf seine Ankunft vorbereiten“.

(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)


 

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29. November 2025, 10:46