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Advent - Zeit zur Besinnung Advent - Zeit zur Besinnung 

Unser Sonntag: Hoffnungsfrohe Einladung

Der Ruf Johannes des Täufers wird auch für uns in dieser Adventszeit zur eindringlichen und zugleich hoffnungsfrohen Einladung, so Weihbischof Hegge. Wer das Reich Gottes annehmen will, darf sich aber nicht als Besserwisser im Glauben aufführen.

Weihbischof Christoph Hegge

Mt 3, 1-12

2. Adventssonntag (A)

„Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“, so hören wir Johannes den Täufer im Evangelium rufen. Gewöhnlich verbinden viele Christen die Begriffe Bekehrung und Umkehr mit dem Gefühl eines schlechten Gewissens oder einer moralischen Herausforderung, es im Leben besser machen zu müssen.

Hier zum Nachhören

Umkehr und Bekehrung im Advent sind aber kein moralischer Appell, nicht eigene Leistung, sondern eher ein bewusstes Zulassen, ein Öffnen unserer Herzen für die großartige Liebe und Barmherzigkeit, die Gott uns in Jesus Christus schenkt und die uns Leben eröffnet über alle Dunkelheiten, alle Nöte und sogar den Tod hinaus.

Das Himmelreich ist nahe

Daher sollten wir den Aufruf Johannes des Täufers gewissermaßen rückwärts lesen: Das Himmelreich ist nahe! Denn der Messias kommt, um uns „mit Heiligem Geist und mit Feuer“ zu taufen, sagt der Täufer. Und Jesus Christus wird seinen Jüngern sagen: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Lk 17, 21) Der Anbruch des Himmelreichs auf Erden durch den Eintritt des Messias in diese Weltgeschichte entzündet in den Jüngern Jesu das Feuer der Umkehr, denn es weckt in den Jüngern die sichere Hoffnung, Teil der Familie Gottes und seines Reiches zu sein.

Ein alternativloser Appell

„Kehrt um!“, dieser Ruf Johannes des Täufers wird auch für uns in dieser Adventszeit zur eindringlichen und zugleich hoffnungsfrohen Einladung, das Licht, die Fülle der Liebe und des Lebens des kommenden Christus in den Blick und in unser Herz zu nehmen. Es ist der unüberbietbare und alternativlose Appell, uns im Alltag Christus zuzuwenden, ihm unser Herz zu öffnen, mit seiner Gegenwart zu rechnen, die uns im Heiligen Geist bereits geschenkt ist. Christen leben daher in einer ständigen inneren Umkehrbewegung zu Christus, unserem Erlöser und Heiland, der sich danach sehnt, heute und jeden Tag unseres Lebens von uns geliebt zu werden.

„Jesus hat mich wirklich angeschaut“

Das erinnert mich an eine Wallfahrt nach Florenz, bei der wir einen Abend mit Lebenszeugnissen und eine Anbetung Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie erleben konnten. Die Jugendlichen waren zutiefst ergriffen von den freien Gebeten und den frohen Lobliedern. Im Anschluss an das Gebet kam eine 16-jährige Jugendliche auf mich zu mit Tränen in den Augen und sagte: „Sie mögen mich vielleicht für verrückt halten, aber ich habe etwas unendlich Schönes erlebt: Jesus hat mich wirklich angeschaut, ich habe gesehen, wie er in mein Herz geschaut hat mit einer unendlichen Liebe, die mein Herz nicht fassen konnte. Nun weiß ich, dass Jesus bei mir ist, jeden Tag und jede Stunde.“

Augenblick einer tiefen Bekehrung

Es war für diese Jugendliche der Augenblick einer tiefen Bekehrung zu Christus, weil sie ihr Herz geöffnet hatte und Christus die Möglichkeit gab, sich ihr erkennen zu geben. Was bei dieser Jugendlichen zurückblieb: Eine unendliche Freude und Dankbarkeit, die Gewissheit, dass Christus ihr Leben ist.
„Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ In den Worten Johannes des Täufers kündigt sich an, dass sich die alttestamentliche Verheißung des Neubeginns und der Hoffnung auf den kommenden Messias in Jesus Christus erfüllt.

„Er nimmt alle Menschen unterschiedslos an als Kinder Gottes“

Er nimmt alle Menschen unterschiedslos an als Kinder Gottes, ganz gleich ob Juden oder Heiden. Das Evangelium berichtet davon, dass „die Leute von Jerusalem und ganz Judäa und aus der ganzen Jordangegend“ zu Johannes dem Täufer hinaufzogen, selbst viele Pharisäer und Sadduzäer kamen zur Taufe. Aber das Zeichen reicht nicht, es bedarf der echten Umkehr der Herzen zum kommenden Christus, einer Umkehr, die Früchte hervorbringt: Früchte des anbrechenden Gottesreiches, Früchte, die sichtbar machen, dass wir unsere Herzen der Liebe, der Barmherzigkeit und des Friedens Gott und allen Menschen gegenüber geöffnet haben.

Keine Besserwisser im Glauben

Wer das Reich Gottes annehmen will, der darf sich weder als Besserwisser im Glauben aufführen noch andere Menschen ausgrenzen. Darum ist das erste Zeugnis, die erste Frucht unserer Gotteskindschaft und unserer Erlösung und Versöhnung in Christus, dass auch wir unterschiedslos und vorurteilsfrei die Menschen aller Kulturen und Religionen annehmen, ihnen jenen Raum der Begegnung schenken, den Christus selbst in seinem Leben, seinem Sterben und seiner Auferstehung allen Menschen eröffnet hat. Denn für alle Menschen ist ER Mensch geworden, alle Menschen hat ER erlöst.

„Die Liebe schulden wir einander immer“

Wie ein solch‘ entschiedenes christliches Zeugnis aussehen kann, erlebte ich bei einer Jugendwallfahrt nach Israel. An einem Abend hatten wir eine Begegnung mit christlichen palästinensischen Jugendlichen in Jerusalem geplant. Eine der Jugendlichen kam zwei Stunden zu spät, weil sie an einem Checkpoint aufgehalten worden war. Sie berichtete, dass sie sich dort bis auf die Unterwäsche ausziehen musste und zwei Stunden lang von einem jungen Soldaten mit Maschinengewehr bewacht wurde. Es gab keinen Grund dafür, es schien einfach nur Schikane zu sein. Nach zwei Stunden fasste die Jugendliche ihren ganzen Mut zusammen, ging auf den jungen Soldaten zu und sagte: „Ich habe keine Angst vor dir, denn ich bin Christin. Unser Gebot heißt Nächstenliebe. Und ich liebe auch dich!“ Ein wenig verstört und unsicher ließ der junge Soldat die jugendliche Palästinenserin den Checkpoint passieren. Und, ja, es stimmt: Wir brauchen niemanden zu urteilen, sondern als Christen leben wir, was der Heilige Paulus sagt: „Die Liebe schulden wir einander immer.“

Wir haben seine Botschaft niedlich gemacht

Was Johannes der Täufer den Pharisäern und Schriftgelehrten sagt, gilt also auch uns: „Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt…“ (Mt 3, 8). Auch wenn Christus bereits gekommen ist, fehlt es uns oft an der Bereitschaft, ihn wirklich von ganzem Herzen aufzunehmen.
Der Theologe Ludwig Weimer drückt es mit den Worten aus: „Wir haben uns inzwischen an einen lieben Heiland, der uns akzeptiert, wie wir sind, und uns nur manchmal leise bittet, ein bisschen netter zu sein, so gewöhnt, oder genauer: Wir haben seine Botschaft so niedlich gemacht, dass wir seinen Anspruch eher ablehnen als zulassen.“

„Johannes der Täufer hingegen ist der ganz und gar Unangepasste“

Johannes der Täufer hingegen ist der ganz und gar Unangepasste. Er hat alle Insignien von Reichtum oder Bequemlichkeit abgelegt, trägt einen Kamelhaarmantel, ernährt sich von Heuschrecken und wildem Honig. Er will nichts, außer Gott. Er, der nichts sein will, der sich demütig vor dem Messias hinkniet und nicht wert ist, „ihm die Schuhe auszuziehen“, kündigt mit drastischen Worten den an, der alles ist: Messias, Heiliger Geist, Feuer der Liebe und des Friedens Gottes (Mt 3, 11). Wer sich nicht vom Feuer dieser Liebe und des Friedens Gottes durchströmen und total erneuern lässt, wer nicht alle Ich-Sucht aus seinem eigenen Herzen herausbrennen lässt durch das Liebesfeuer Gottes, dem wird dieses Feuer zum Gericht, den wird es verbrennen. „Gott ist ein verzehrendes Feuer“. Wer nicht in seiner Liebesglut brennen will, wird an dieser Glut ewig verbrennen. Diese Liebesflamme, dieser umfassende Friede, die der Erlöser Jesus Christus bringt, will nicht nur das Volk Israel ergreifen, sondern die ganze Welt. (vgl. L. Weimer)

Brennt in uns das Feier der Liebe Christi?

Und zu Beginn der zweiten Adventswoche dürfen wir uns daher fragen lassen, ob das Feuer des Heiligen Geistes, das Feuer der Liebe Christi wirklich in uns brennt? Denn Jesus will Feuer auf die Erde bringen: Geist vom Geist Gottes, Glut vom Herzen Gottes. Wir sind gerufen, ganz und gar neu zu werden, uns eintauchen zu lassen in das Feuer der Liebe und Barmherzigkeit, die uns in Jesus Christus erschienen ist und die uns fähig macht, Gott zu loben, zu danken und zu preisen.
Der ehemalige Bischof von Aachen, Klaus Hemmerle, schreibt einmal: „Jesus ist gekommen, wirklich gekommen, aufgebrochen aus dem Herzen Gottes selbst, her zu uns. Indem er es annahm, Mensch zu ein, nahm er uns an, so wie wir sind, und nahm zugleich an unserer Stelle und für uns Gott an, die ganze, alles fordernde Wucht seines heiligen Willens.“

Gott möchte uns hineinziehen in seinen Frieden

Und in jedem Vater unser beten und bitten wir, wie Kinder Gottes, dass Gottes Reich komme und sein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Stellen wir uns mit Christus in dieses Licht des Willens Gottes, der nichts anderes möchte als unser Leben, als unsere Liebe, um alle Menschen hineinzuziehen in seinen Frieden, seine Gerechtigkeit und sein Leben, das kein Ende kennt.
Halten wir das für möglich angesichts des wachsenden Individualismus, der Radikalisierung in unserer Gesellschaft, der Kriege und Flüchtlingsströme in der Welt? Halten wir es für möglich, dass auch heute durch Christus die Menschen ein Herz und eine Seele werden und niemand mehr gegen den anderen auch nur einen bösen Gedanken hätte?

Die letzte Wirklichkeit

Denn das ist doch die zentrale Verheißung der christlichen Botschaft! Das wäre auch das Wunder, das unsere Kirche stark machen könnte – in der Kraft des Geistes, den der Täufer verhieß –, so stark, dass sie den streitenden Nationen diesen Frieden bringen könnte. Es ist jene reale Utopie des Friedens, die die unterschiedlichsten Menschen, die Ängstlichen, die Hilflosen, die mit kräftigen Ellenbogen, die Brutalen und Gefühllosen verwandelt und in Frieden und Einklang miteinander leben lässt. Denn die Worte Johannes des Täufers drücken keine irreale Vision aus, sondern die letzte Wirklichkeit, die unsere Welt zu verwandeln und zu retten vermag: „Das Himmelreich ist nahe.“ Christus, unser Heiland und Erlöser. „Kehrt um!“

(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)

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06. Dezember 2025, 10:20