Franziskus über „Fake News“: Papst nimmt Journalisten in die Pflicht
Anne Preckel - Vatikanstadt
So wie viele andere Formen von Fehlverhalten entspringt auch der verzerrte Gebrauch der Kommunikation letztlich dem menschlichen Egoismus, geht Papst Franziskus in seiner Botschaft dem Phänomen auf den Grund. Die „Verfälschung der Wahrheit“ sei das „typische Symptom dieser Verzerrung sowohl auf individueller als auch kollektiver Ebene“, so der Papst. „Fake News“ würden etwa gezielt eingesetzt, „um politische Entscheidungen zu beeinflussen oder Vorteile für wirtschaftliche Einnahmen zu erlangen“. Gier sei der Grund dafür, dass sich gefälschte Nachrichten oft rasend schnell – „wie ein Virus“ – verbreiteten, so Franziskus weiter: „Die wahre Wurzel der wirtschaftlichen und opportunistischen Hintergründe der Desinformation ist unser Hunger nach Macht und Besitz, unsere Vergnügungssucht – eine Gier, die uns letztlich auf einen Schwindel hereinfallen lässt, der noch viel tragischer ist als jede seiner Ausdrucksformen: den Schwindel des Bösen, der sich von Falschheit zu Falschheit seinen Weg bahnt in unser Herz und es seiner Freiheit beraubt.“
Fake News sind „irgendwie überzeugend“
Dass so viele Menschen diesen vorgetäuschten Nachrichten auf den Leim gingen, hänge einerseits mit der scheinbaren Plausibilität der Falschmeldungen zusammen. Andererseits bedienten sich Fake News oftmals Vorurteilen und Stereotypen, indem sie die Emotionen der Menschen ansprächen, so der Papst. Über die sozialen Netzwerke fänden sie eine enorme Verbreitung: „So erhalten auch Inhalte, die eigentlich jeder Grundlage entbehren, eine so große Sichtbarkeit, dass der Schaden selbst dann nur schwer eingedämmt werden kann, wenn von maßgeblicher Seite eine Richtigstellung erfolgt.“
„Divergierende Meinungen oder Blickwinkel“ finden wenig Eingang in die „digitalen Räume“, fährt der Papst fort. Dies mache es schwierig, Fake News aufzudecken und auszumerzen, auch würden parteiische Meinungen unabsichtlich weiterverbreitet. Wo kein konstruktiver Dialog, kein Dementi stattfinden könne, komme es nicht selten zur Hetze gegen andere, so Papst Franziskus: „Das Drama der Desinformation ist die Diskreditierung des anderen, seine Stilisierung zum Feindbild bis hin zu einer Dämonisierung, die Konflikte schüren kann“. Die Falschheit sei so Quelle von Intoleranz und Hass.
Fake News zersetzen und manipulieren
Fake News und Desinformation seien raffiniert konstruiert und dementsprechend schwer zu bekämpfen, so der Papst weiter. Nichtsdestotrotz könne sich niemand „der Verantwortung entziehen, solchen Unwahrheiten entgegenzutreten“. Desinformation sei nämlich keinesfalls harmlos: „Im Gegenteil: dem zu vertrauen, was falsch ist, hat unheilvolle Folgen. Schon eine scheinbar leichte Verdrehung der Wahrheit kann gefährliche Auswirkungen haben“, so Franziskus.
Urheber der ersten Fake News sei die „schlaue Schlange“ im Buch Genesis, greift der Papst auf den biblischen Sündenfall zurück. Die Verführung durch die Schlange, die mit „vielversprechenden, aber unwahren Argumenten ins Herz des Menschen schleicht“, habe „zahllose andere Formen des Bösen gegen Gott, den Nächsten, die Gesellschaft und Schöpfung“ nach sich gezogen.
Der Papst lobt in seiner Botschaft all jene Maßnahmen, die Institutionen, Bildungseinrichtungen und Medienunternehmen anwenden, um gegen gefälschte Nachrichten vorzugehen. Um Fake News zu erkennen und sich vor ihnen zu schützen, sei „sorgfältige Unterscheidung“ notwendig, betont das Kirchenoberhaupt weiter. Als innere Haltung gehe es darum, zu lernen, Verlangen und die Neigungen, die uns bewegen, einordnen und abwägen zu lernen, damit es uns nie an Gutem fehlen möge, sodass wir dann auf die erstbeste Versuchung hereinfallen“.
Letztes Ziel kann nicht die Spaltung sein
„Radikalstes Mittel gegen den Virus der Falschheit“ sei die Wahrheit, betont der Papst im zweiten Teil seiner Botschaft, die den biblischen Satz „Die Wahrheit wird euch befreien“ (Jh 8,32) aus dem Johannesevangelium als Motto nimmt. Dabei gehe es aus christlicher Sicht nicht allein um die Unterscheidung zwischen wahr und falsch oder die „Enthüllung der Realität“, das Ans-Licht-Bringen der Dinge. Gefragt sei vielmehr ein ganzer Lebensstil der Wahrhaftigkeit, und der habe zu tun mit Glaube und Zuversicht: „Die Wahrheit ist das, worauf man sich stützen kann, um nicht zu fallen“, betont Franziskus, „in diesem relationalen Sinn ist das einzig Zuverlässige und Vertrauenswürdige, das einzige Wahre der lebendige Gott“.
Leitfaden für eine solchermaßen auf Wahrhaftigkeit gegründete, konstruktive Kommunikation sei die Unterscheidung „zwischen dem, was der Gemeinschaft und dem Guten zuträglich ist, und dem, was dazu neigt, zu isolieren, zu spalten, Gegensätze zu schüren“. So möge eine auf „unleugbare Fakten“ gestützte Argumentation zwar „schlüssig“ erscheinen, was aber nicht unbedingt bedeute, dass sie auch „wahr“ sei, so der Papst: „Wird sie dazu genutzt, den anderen zu verletzten, ihn in den Augen Dritter abzuwerten, dann wohnt ihr nicht die Wahrheit inne“. „Die Wahrheit der Aussagen erkennt man an ihren Früchten: daran also, ob sie Polemik, Spaltung und Resignation auslösen – oder eine gewissenhafte und reife Diskussion, einen konstruktiven Dialog und ein fruchtbares Schaffen.“
„Journalismus für den Frieden“
Vor allem die Journalisten – jene „Hüter der Nachrichten“, „denen die Verantwortung beim Informieren schon von Berufswegen auferlegt ist“ – ruft der Papst auf den Plan, gegen Fake News und Desinformation vorzugehen: „Trotz der Kurzlebigkeit der Nachrichten und im Strudel der Sensationspresse darf er nie vergessen, dass im Zentrum der Nachricht der Mensch steht – und nicht, wie schnell eine Nachricht verbreitet wird und welche Wirkung sie auf das Publikum hat.“ Franziskus erinnert hier an die journalistischen Tugenden wie etwa die Sorgfaltspflicht. Journalisten müsse es letztlich darum gehen, zur „Entwicklung des Guten beizutragen, Vertrauen zu schaffen und Wege der Gemeinschaft und des Friedens zu erschließen“. Als „Mission“ dieser Berufsgruppe sieht der Papst auch, durch die journalistische Arbeit „gute Handlungsweisen“ anzuregen und auf „alternative Lösungen“ für Probleme hinzuweisen.
Dabei dürften die Dinge freilich nicht „schöngefärbt“, auch Missstände nicht geleugnet werden, präzisiert der Papst. Wesentliches Anliegen eines „Journalismus von Menschen für Menschen“ sei es, den tatsächlichen Ursachen der Konflikte auf den Grund zu gehen und gerade Menschen, „die keine Stimme haben“, abzubilden. Abzulehnen seien hingegen Sensationsgier und Effekthascherei, verbale Aggressionen und ein rein profitorientiertes Nachrichtengeschäft, so der Papst. Und als Abschluss seiner Botschaft fügt er ein Gebet des heiligen Franziskus an: „Herr, mache uns zum Werkzeug deines Friedens“.
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