Der Wunderheiler aus Pietrelcina: Wer war Pater Pio?
Pater Pio, am 25. Mai 1887 als Francesco Forgione im apulischen Städtchen Pietrelcina geboren, ist Italiens populärster Heiliger. Beliebter - zumindest bildlich präsenter - als der Nationalheilige Franz von Assisi, als Antonius von Padua oder Katharina von Siena. Doch während die drei Letztgenannten auch im übrigen Europa, teils weltweit, hoch angesehen sind, bleibt „Padre Pio“ der italienischste aller Heiligen. Überall ist das Bildnis des grauhaarig bärtigen Kapuzinermönchs zu sehen: in Bars, Tankstellen - dort auch schon mal neben Kalendern leicht bekleideter Damen -, in Wohnzimmern, an Autoscheiben und Armaturenbrettern. In Kirchen ist Pater Pio massenhaft in Form von Kunstharzfiguren zu finden.
Die Bildnisse des 1999 selig- und 2002 heiliggesprochenen Paters sind Ikonen wie andernorts Popstarporträts. Als sein Sarg von April 2008 bis September 2009 mit dem einbalsamierten Leichnam erstmals in der riesigen neuen Wallfahrtskirche von Star-Architekt Renzo Piano zu besichtigen war, verwandelten 8,6 Millionen Menschen San Giovanni Rotondo in einen der meistbesuchten Wallfahrtsorte der Welt.
Was macht Pio so beliebt? Für ältere Italiener ist Pater Pio noch Zeitgenosse und keine Gestalt des fernen Mittelalters wie Franz von Assisi. Und die Jüngeren kennen ihn als Heiligen des Medienzeitalters. Neben den ungezählten Fotos erzählen Radiomitschnitte und Fernsehaufnahmen seine Heiligenvita, mit „Padre Pio TV“ gibt es einen eigenen Fernsehsender. Den betreiben Mitglieder des Kapuzinerordens, dem Pater Pio angehörte.
Er war ein Mann tiefer Frömmigkeit und Einfachheit. Zudem muss Pater Pio - ähnlich dem französischen Priester Jean-Marie Vianney (1786-1859), dem Pfarrer von Ars - ein außergewöhnlicher Beichtvater gewesen sein. Er habe vom „Morgen bis zum Abend“ die Beichte gehört, sagte Papst Paul VI. einmal, eine Aussage, die durch die Mitbrüder des Paters bestätigt wurde. Hunderttausenden hat er Trost, Zuversicht und Hoffnung geschenkt. Zudem hatte Pater Pio offenbar die Gabe, ausweichend Beichtenden ihre nicht klar ausgesprochenen Sünden auf den Kopf zuzusagen. Das hinterlässt bleibenden Eindruck.
Mysteriöse Wundmale
Pater Pios Beliebtheit und Aura beruhen aber auch auf den mysteriösen fünf Wundmalen Christi, die er in Ekstase empfangen haben soll. Angeblich waren sie stets offen und blutig, weswegen er an den Händen Stulpen trug, damit die Leute nicht darauf starrten. Andererseits gibt es bis heute Stimmen, die sagen, der Pater habe mit Chemikalien nachgeholfen.
Der Vatikan kam in den 1930-er Jahren zu dem Untersuchungsergebnis, die Wundmale seien ein Fall von Autosuggestion. In der offiziellen Biografie, die zu seiner Heiligsprechung im Jahr 2002 veröffentlicht wurde, werden die Stigmata nicht ausdrücklich erwähnt.
Überhaupt blieben die Kirchenoberen in Rom dem Volksheiligen aus dem Süden gegenüber lange sehr reserviert. Papst Johannes XXIII. (1958-63) soll gesagt haben, der Ordensmann richte eine „enorme Verwüstung der Seelen“ an. Schon in den 1930er und noch einmal den 1960er Jahren wurde Pater Pio gemaßregelt. Er sollte seine Auftritte, zu denen Tausende kamen, einschränken. Seiner Popularität tat das keinen Abbruch - im Gegenteil.
Johannes Paul II. (1978-2005), der ihn selig- und heiligsprach, verehrte den Kapuziner allerdings. Als junger Priester schon hatte Karol Wojtyla Padre Pio besucht, seine Predigten gehört und selbst bei ihm gebeichtet. Und es heißt, der Wunderheilige aus San Giovanni Rotondo habe dem polnischen Priester damals prophezeit, er werde einmal Papst werden. Diese Berichte hat der heilige Johannes Paul II. allerdings mehrfach als falsch zurückgewiesen.
(kap - cs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.