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Wortlaut: Generalaudienz von Papst Franziskus

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus bei der zweiten Generalaudienz des neuen Jahres an diesem Mittwoch gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan.

Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer offiziellen Fassung werden auf der Internetseite des Heiligen Stuhls veröffentlicht.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!

Die Evangelisten Matthäus und Markus beschreiben Josef als „Zimmermann“ oder „Tischler“. Wir haben vorhin gehört, dass die Leute von Nazareth, als sie Jesus reden hörten, fragten: „Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns?“ (13,55; vgl. Mk 6,3). Jesus übte den Beruf seines Vaters aus.

Der griechische Begriff tekton, mit dem das Werk Josephs bezeichnet wird, kann auf verschiedene Weise übersetzt werden. Die lateinischen Kirchenväter übersetzten es mit „Zimmermann“. Wir sollten jedoch bedenken, dass im Palästina der Zeit Jesu Holz nicht nur zum Herstellen von Pflügen und Möbeln verwendet wurde, sondern auch für den Bau von Häusern mit Holzrahmen und Terrassendächern, die aus mit Ästen verbundenen Balken bestanden.

„Josef arbeitete hart und verdiente nicht viel“

Daher war „Zimmermann“ oder „Tischler“ ein Oberbegriff, der sowohl Holzhandwerker bezeichnete als auch Arbeitnehmer im Baugewerbe. Es war eine ziemlich harte Arbeit, da man mit schweren Materialien wie Holz, Stein und Eisen arbeiten musste. Wirtschaftlich verdiente man dabei nicht viel. Das lässt sich aus der Tatsache schließen, dass Maria und Josef, als sie Jesus im Tempel darbrachten, nur ein paar Turteltauben oder Tauben opferten (vgl. Lk 2,24), wie es das Gesetz für die Armen vorschrieb (vgl. Lev 12,8).

So lernte also der heranwachsende Jesus dieses Handwerk von seinem Vater. Als er als Erwachsener zu predigen begann, fragten seine erstaunten Nachbarn: „Woher hat er diese Weisheit und die Kraft, Wunder zu tun?" (Mt 13,54), und empörten sich über ihn (vgl. V. 57) - denn er war der Sohn des Tischlers, aber er sprach wie ein Gesetzeslehrer, und darüber empörten sie sich.

„Das Drama, keinen Arbeitsplatz zu haben“

Diese biografische Notiz über Josef und Jesus lässt mich an die Arbeiter in aller Welt denken, vor allem an diejenigen, die in Bergwerken und Fabriken Schwerstarbeit leisten; an diejenigen, die schwarz arbeiten und ausgebeutet werden; an die Todesopfer am Arbeitsplatz - wir haben gesehen, dass es in letzter Zeit in Italien viele von ihnen gibt; an die Kinder, die zur Arbeit gezwungen werden, und an diejenigen, die auf der Suche nach etwas Brauchbarem Müllhalden durchstöbern... Ich erlaube mir, das zu wiederholen, was ich schon gesagt habe: die verborgenen Arbeiter, die Arbeiter, die kräftezehrende Arbeiten in Minen oder in gewissen Fabriken verrichten: Denken wir an sie. An die, die mit Schwarzarbeit ausgenutzt werden, diejenigen, die das Gehalt hintenrum auszahlen, ohne Altersvorsorge, nichts. Und wenn du nicht arbeitest, dann hast du überhaupt keine Sicherheit. Schwarzarbeit gibt es heutzutage, und wie. Denken wir an die Opfer von Arbeitsunfälen; an die Kinder, die zur Arbeit gezwungen werden: Das ist schrecklich! Kinder im Spielalter müssen spielen, hingegen werden sie zur Arbeit gezwungen wie Erwachsene. Denken wir an die armen Kinder, die die Müllhalden auf der Suche nach etwas Brauchbarem durchstöbern. Sie alle sind Brüder und Schwestern, die sich ihren Lebensunterhalt auf diese Weise verdienen, mit Arbeiten, die ihre Würde nicht anerkennen! Denken wir daran, Und dies geschieht heute in der Welt, heute geschieht dies!

Aber ich denke auch an diejenigen, die arbeitslos sind: wieviele Menschen klopfen an die Türen der Fabriken und Firmen und fragen: ,Gibt es etwas zu tun?' (und erhalten als Antwort, Einf. d. R. ) ,Nein, nichts gibt es...'. Die Arbeitsknappheit! Und ich denke auch an diejenigen, die sich in ihrer Würde verletzt fühlen, weil sie diese Arbeit nicht finden. Sie kehren nach Hause zurück und werden gefragt: ,Hast du etwas gefunden?' und müssen zur Antwort geben, nein nichts, aber ich bin bei der Caritas vorbeigegangen und bringe etwas Brot mit... Das, was dir die Würde gibt, ist nicht, das Brot nach Hause zu tragen. Du kannst es bei der Caritas abholen, nein, das gibt dir nicht die Würde. Das, was dir die Würde gibt, ist, das Brot zu verdienen, und wenn wir unsere Leute, unsere Männer und Frauen nicht in die Lage versetzen, das Brot zu verdienen, dann ist das eine soziale Ungerechtigkeit an dieser Stelle, in diesem Land, in diesem Kontinent. Die Regierenden müssen allen die Möglichkeit geben, das Brot zu verdienen, denn dieser Verdienst gibt ihnen die Würde. Die Arbeit gibt Würde, das ist wichtig.

„Die Arbeit gibt Würde, das ist wichtig“

Viele junge Menschen, viele Väter und Mütter erleben das Drama, keinen Arbeitsplatz zu haben, der ihnen ein friedliches Leben ermöglicht. Und oft gestaltet sich die Suche danach so dramatisch, dass sie schließlich alle Hoffnung und Freude am Leben verlieren. In diesen Zeiten der Pandemie haben viele Menschen ihren Arbeitsplatz verloren, und einige haben sich, erdrückt von einer unerträglichen Last, das Leben genommen. Ich möchte heute an jeden einzelnen von ihnen und ihre Familien denken. Legen wir einen Augenblick des Schweigens ein in Erinnerung an diese Männer und Frauen, die verzweifelt sind, weil sie keine Arbeit finden.

Es wird zu wenig berücksichtigt, dass die Arbeit ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens ist, auch auf dem Weg der Heiligung des Menschen. Die Arbeit ist nicht nur ein Mittel, um den Lebensunterhalt zu verdienen: Sie ist auch ein Ort, an dem wir uns ausdrücken, uns nützlich fühlen und die große Lektion der Praxis lernen, die uns hilft, unser geistiges Leben nicht abheben zu lassen. Leider ist die Arbeit jedoch oft eine Geisel der sozialen Ungerechtigkeit, und anstatt ein Mittel zur Humanisierung zu sein, wird sie zu einer existenziellen Peripherie. Oft frage ich mich: Mit welchem Geist gehen wir unserer täglichen Arbeit nach? Wie gehen wir mit Müdigkeit um? Sehen wir unsere Tätigkeit nur mit unserem eigenen Schicksal verbunden oder auch mit dem Schicksal anderer? Tatsächlich ist Arbeit ein Ausdruck unserer Persönlichkeit, die von Natur aus beziehungsorientiert ist. Die Arbeit ist auch eine Art, um unsere Kreativität auszudrücken. Jeder verrichtet die Arbeit auf seine Weise, mit dem eigenen Stil; die gleiche Arbeit, aber mit einem anderen Stil.

„Den Wert der Arbeit wiedergewinnen“

Es ist schön, sich vorzustellen, dass Jesus selbst gearbeitet hat und dass er dieses Handwerk vom heiligen Josef gelernt hat. Wir sollten uns heute fragen, was wir tun können, um den Wert der Arbeit wiederzugewinnen, und welchen Beitrag wir als Kirche leisten können, damit Arbeit aus der Logik des bloßen Profits herausgelöst und als ein Grundrecht und eine Grundpflicht des Menschen erfahren werden kann, die seine Würde zum Ausdruck bringt und mehrt.

Liebe Brüder und Schwestern, in all diesen Anliegen möchte ich heute mit Ihnen das Gebet sprechen, das der heilige Paul VI. am 1. Mai 1969 an den heiligen Josef richtete:

O heiliger Josef,
Schutzpatron der Kirche
du, der du neben dem fleischgewordenen Wort
jeden Tag gearbeitet hast, um Brot zu verdienen (…);
du, der die Angst vor dem Morgen gekannt hat,
die Bitterkeit der Armut, und wie prekär Arbeit sein kann;
du, dessen Gestalt heute ein Beispiel abgibt,
demütig vor den Menschen,
aber sehr groß vor Gott:
Schütze die Arbeitnehmer in ihrem harten Alltag,
bewahre sie vor Mutlosigkeit,
vor der verneinenden Revolte,
aber auch vor den Versuchungen des Hedonismus;
und bewahre den Frieden in der Welt,
den Frieden, der allein die Entwicklung der Völker gewährleisten kann. Amen.

(vatican news – sk)
 

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12. Januar 2022, 10:37