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Papst Franziskus beim Angelus Papst Franziskus beim Angelus  

Papst beim Angelus: Lernen, dort hinzusehen, wo Not herrscht

Wenn man beim Almosengeben dem Bedürftigen nicht in die Augen sieht und seine Misere nicht berührt, dann ist es, als hätte man das Almosen nur „für sich selbst gegeben“. Darauf weist Papst Franziskus bei seinem Mittagsgebet an diesem Sonntag hin.

Er ging bei seinen Überlegungen vom Gleichnis des Barmherzigen Samariters aus, von dem das Tagesevangelium berichtet. Zwei religiöse Männer gehen achtlos an einem schwer verwundeten Mann vorbei, der am Straßenrand liegt, während erst ein Samaritaner die dringend benötigte Hilfe leistet. Dieser, so unterstreicht der Papst mit Blick auf die Erzählung, war selbst auf der Reise, habe also seine „eigenen Pläne“ gehabt und sich dennoch von den Ereignissen auf seinem Weg herausfordern lassen: „Denken wir nach: Lehrt uns der Herr nicht, genau das zu tun?“, so der Papst vom Fenster des Apostolischen Palastes. „Den Blick weit in die Ferne richten, auf das endgültige Ziel, und dabei genau auf die Schritte achten, die wir hier und jetzt unternehmen müssen, um dorthin zu gelangen.“

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Es sei „bezeichnend“, dass die ersten Christen „Anhänger des Weges“ genannt worden seien, so Franziskus mit Blick auf die in der Apostelgeschichte genannte Bezeichnung für die ersten Jünger.

„In der Tat ist der Gläubige dem Samariter sehr ähnlich: wie er ist er auf der Reise, er ist ein Wanderer. Er weiß, dass er nicht jemand ist, der ,angekommen‘ ist, sondern einer, der jeden Tag lernen will, indem er dem Herrn Jesus folgt, der gesagt hat: ,Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben‘ (Joh 14,6). Ich bin der Weg... Der Jünger Christi geht in seiner Nachfolge und wird so zu einem ,Anhänger des Weges‘.“

„In den Fußstapfen Christi wird er zum Wanderer und lernt - wie der Samariter - zu sehen und Mitleid zu haben“

Er gehe dem Herrn nach, der immer auf dem Weg sei und dort Menschen begegne, Kranke heile und Dörfer und Städte besuche, führt Franziskus weiter aus. Der „Anhänger des Weges“ sehe also, dass sich „sein Denken und Handeln allmählich ändert und sich immer mehr dem des Meisters“ anpasse: „In den Fußstapfen Christi wird er zum Wanderer und lernt - wie der Samariter - zu sehen und Mitleid zu haben.“ Er öffne seine Augen für die Realität und bleibe nicht in seinen eigenen Gedanken verschlossen, so wie der Priester und der Levit, die den hilfsbedürftigen Mann zwar sahen, „aber es ist, als ob sie ihn nicht sehen würden, sie gehen weiter“:

„Das Evangelium erzieht uns zum Sehen: Es leitet jeden von uns an, die Wirklichkeit richtig zu verstehen und dabei Tag für Tag Vorurteile und Dogmatismus zu überwinden.“ Denn viele Gläubige versteckten sich mithilfe des Dogmatismus vor der Realität, präzisiert Franziskus. Ebenso lehre die Nachfolge Jesu, Mitgefühl zu entwickeln und einzugreifen wie der Samariter. Dabei gelte es, nicht in die Spirale der Schuldzuweisungen oder der Selbstanklage zu verfallen, so der Papst, der an dieser Stelle „eine andere Art der Übung“ vorschlagen wolle:

„Bitten wir den Herrn, uns aus unserer egoistischen Gleichgültigkeit herauszuholen“

„Natürlich müssen wir erkennen, wann wir uns gleichgültig verhalten und uns gerechtfertigt haben, aber wir sollten nicht dabei stehen bleiben. Bitten wir den Herrn, uns aus unserer egoistischen Gleichgültigkeit herauszuholen und uns auf den Weg zu bringen. (...) Bitten wir ihn, die Menschen, denen wir auf unserem Weg begegnen, zu sehen und sich ihrer zu erbarmen, vor allem diejenigen, die leiden und in Not sind, dass wir auf sie zugehen und helfen, wo wir können.“

Denn, so gab der Papst zu bedenken, ein flüchtig hingeworfenes Almosen gelte vor allem denjenigen, der es gebe - und habe nicht die bedürftige Person selbst zum Ziel. Es gelte, die Realität des Bedürftigen mit eigenen Händen zu berühren, ihm in die Augen zu sehen, mahnte Franziskus abschließend. 

(vatican news - cs)

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10. Juli 2022, 09:43