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Südsudan: Papst bittet Kirchenleute um Teamgeist

Kirchenleute müssen nicht perfekt organisiert sein, aber sie müssen an der Seite ihres Volkes gehen und sich die Hände für die Menschen schmutzig machen. Und sie müssen im Südsudan besser zusammenarbeiten. Darum hat sie Papst Franziskus bei einer Begegnung am Samstag in der südsudanesischen Hauptstadt Juba gebeten.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Die Bischöfe, Ordensleute, Priester, Diakone und Seminaristen von Sudan und Südsudan waren in der Kathedrale von Juba zusammengekommen, um Franziskus zu begegnen; er ist der erste Papst im bitterarmen Südsudan, der 2011 vom mehrheitlich muslimischen Sudan unabhängig geworden war. Die beiden Länder haben zusammen eine Bischofskonferenz. Vorsitzender ist Bischof Yunan Tombe Trille Kuku Andali von El Obeid im Sudan.

Ehe Franziskus sprach, erzählten ein sudanesischer Priester und eine südsudanesische Schwester aus der Realität der Kirche im Land. Die Ordensfrau, Regina Achan, schilderte den tragischen Tod zweier Mitschwestern vor gerade eineinhalb Jahren, sie waren auf dem Heimweg von einem kirchlichen Fest in einer Hinterhalt geraten. 

„Vor dem Guten Hirten verstehen wir, dass wir keine Stammesführer sind“

Die (süd)sudanesischen Kirchenleute sollten sich fragen, was genau es eigentlich heiße, „ Diener Gottes in einer Geschichte zu sein, die von Krieg, Hass, Gewalt und Armut durchzogen ist“, so Franziskus. Er empfahl zunächst eine Haltung der Fügsamkeit Gott gegenüber. Die Antwort auf die Leiden und Nöte der Menschen sei nicht in menschlichen Mitteln „wie Geld, List und Macht“ zu finden, sondern in Offenheit für die Weisungen Gottes – nur von ihm her lasse sich das jeweilige kirchliche Amt recht begreifen. „Vor dem Guten Hirten verstehen wir, dass wir keine Stammesführer sind, sondern mitfühlende und barmherzige Hirten; keine Herren des Volkes, sondern Diener, die sich bücken, um unseren Brüdern und Schwestern die Füße zu waschen; keine weltliche Organisation, die irdische Güter verwaltet, sondern die Gemeinschaft der Kinder Gottes.“

Wirklich auf der Seite der Menschen stehen

Wirklich auf der Seite der Menschen stehen: Das war der zweite Ratschlag, den der Papst den katholischen Kirchenleuten im Südsudan und im Sudan mitgab. Sie seien dazu aufgefordert, die „Kunst des ,Mittendringehens´ zu entwickeln: inmitten von Leid und Tränen, inmitten des Hungers nach Gott und des Durstes nach Liebe der Brüder und Schwestern. Unsere erste Verpflichtung besteht nicht darin, eine perfekt organisierte Kirche zu sein, sondern eine Kirche, die im Namen Christi inmitten des vom Volk durchlittenen Lebens steht und sich die Hände für die Menschen schmutzig macht.“

Hier zum Hören:

„Es ist sehr traurig, wenn die Hirten nicht zur Gemeinschaft fähig sind“

Franziskus rief ausdrücklich zur Zusammenarbeit auf. „Ich möchte dieses wichtige Wort wiederholen: gemeinsam. Bischöfe und Priester, Priester und Diakone, Hirten und Seminaristen, geweihte Amtsträger und Ordensleute – und dabei immer den Respekt für die wunderbare Besonderheit des Ordenslebens zu hegen. Bemühen wir uns darum, unter uns die Versuchung des Individualismus und der Partikularinteressen zu überwinden. Es ist sehr traurig, wenn die Hirten nicht zur Gemeinschaft fähig sind, nicht zusammenarbeiten können, sich sogar gegenseitig ignorieren! Lasst uns gegenseitigen Respekt, Nähe und konkrete Zusammenarbeit pflegen. Wenn das nicht unter uns geschieht, wie können wir es dann anderen predigen?“

Stammeskonflikte auch in der Kirche

Konflikte zwischen den Angehörigen verschiedener Ethnien kommen im jüngsten Staat Afrikas häufig vor und verschonen auch die Kirche nicht. Die beiden größten Volksgruppen im Land sind Dinka und Nuer, die zusammen etwa die Hälfte der Bevölkerung stellen. Auf der Ebene der Religionszugehörigkeit bekennt sich ebenfalls etwa die Hälfte der Bevölkerung zum katholischen Glauben, doch auch Anglikaner, Presbyterianer und andere protestantische Konfessionen sind zahlreich vertreten. Etwa ein Drittel der Menschen im Südsudan hängen traditionellen afrikanischen Religionen an, einigen Quellen zufolge stellen sie sogar die Mehrheit.

Besonderer Geist der Ökumene

Eine Trennung zwischen den offiziellen Kirchen im Südsudan wird in der Praxis aber nicht empfunden. Das Leid und die Sehnsucht der Menschen nach Stabilität und Frieden „übersteigt sozusagen die Identitäten der verschiedenen Kirchen", sagte uns der Nuntius im Südsudan, Erzbischof Hubertus van Megen. „In diesem Sinn sind die Kirchen im Südsudan eins und arbeiten zusammen für das Volk.“

Die Verfassung des Südsudan erkennt ausdrücklich die Gleichheit der Konfessionen und die Freiheit der Religionsausübung an. Mehrfach haben politische Führer nach der Unabhängigkeit von 2011 die Unterstützung der Kirchen für den Frieden und den Aufbau der Nation gewürdigt und ihren Beitrag zum menschlichen, sozialen und zivilen Wachstum der südsudanesischen Gesellschaft gelobt. Allerdings versuchten südsudanesische Behörden fallweise, die Stimme der Kirche einzuschränken, wenn sie unbequem war. So mussten 2014 einige katholische Radiostationen vorübergehend schließen, weil sie sich angeblich in die politischen Angelegenheiten des Landes einmischten. Die Sender hatten über den 2013 ausgebrochenen Bürgerkrieg berichtet.

Engagement der Kirche für Frieden im Südsudan

Das Thema Frieden spielt eine große Rolle in den christlichen Kirchen im Südsudan. Mit diesem Anliegen arbeiten sie im Südsudanesischen Kirchenrat (Sscc) zusammen. Dieser gilt als eine der wenigen nationalen Institutionen, die sich konsequent für die Versöhnung einsetzen und dabei die solidarische Unterstützung der anderen Kirchen in Afrika und der ganzen Welt sowie des Heiligen Stuhls genießen.

In den vergangenen Jahren haben Bischöfe, Missionare und andere christliche Führungspersönlichkeiten immer wieder die dramatische humanitäre Lage infolge von Krieg und Hunger angeprangert. Unzählige Appelle für Frieden und Versöhnung ergingen an die Konfliktparteien und die internationale Gemeinschaft. So rief im Juli 2017, am sechsten Jahrestag der Unabhängigkeit, der Vorsitzenden der sudanesischen Bischofskonferenz (Scbc) Bischof Edward Hiiboro Kussala zu einem vollständigen Waffenstillstand, zur Unterstützung des von Präsident Salva Kiir vorgeschlagenen nationalen Dialogs und zum unablässigen Gebet für den Frieden auf.

Einsatz für Versöhnung

Das Engagement der christlichen Gemeinschaft für Versöhnung findet auf verschiedenen Ebenen statt. Eine davon ist die Mediation, an der die Ortskirchen seit den Anfangsjahren des neuen Staates beteiligt sind. Im Jahr 2013 berief Präsident Salva Kiir den emeritierten Bischof von Torit, Paride Taban, und den anglikanischen Erzbischof Daniel Deng Bul an die Spitze eines neuen Ausschusses, der den nationalen Versöhnungsprozess fördern sollte. Bei diesen Vermittlungsprozessen erfahren die Kirchen Unterstützung von außen, etwa in Form der „Rom-Initiative". Dieser parallele Friedensprozess, den die Gemeinschaft Sant'Egidio seit 2020 betreibt, versucht auch Oppositionsbewegungen an den Verhandlungstisch zu bringen, die das revitalisierte Friedensabkommen von 2018 nicht unterzeichnet haben.

Von den 14 Millionen Menschen im Südsudan sind zwei Millionen Binnenflüchtlinge, also Vertriebene im eigenen Land. Auch bei der humanitären Hilfe für sie engagieren sich die sudanesischen Kirchen stark. Mit einigen dieser Binnenflüchtlinge wollte sich Papst Franziskus noch am Freitag in Juba treffen. Auch ausländische Priester und Ordensleute helfen bei der Betreuung der Vertriebenen und stellen ihre Hilfe ganzheitlich auf. Denn Armut, fehlende Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen und die Geißel der Kindersoldaten gelten als die größten Hindernisse für den Frieden im Südsudan.

(vatican news – gs)

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04. Februar 2023, 08:22