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Papst Franziskus beim Interview in der RAI-Talksendung "Che tempo che fa" von Fabio Fazio Papst Franziskus beim Interview in der RAI-Talksendung "Che tempo che fa" von Fabio Fazio  (ANSA)

Papst Franziskus: „Gott segnet alle, alle, alle“

Auch Paare, die nicht dem Ideal der katholischen Kirche entsprechen, können einen Segen empfangen, weil Gott „alle, alle, alle“ segnet. Das hat Papst Franziskus in einem am Sonntag ausgestrahlten TV-Interview erklärt. Er bestätigte darin auch zwei Reisen in diesem Jahr, eine nach Polynesien, die andere in sein Heimatland Argentinien.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Zum Unbehagen gegen die Erklärung „Fiducia supplicans“ in Teilen der Weltkirche, vor allem Afrika, sagte Franziskus, wer eine Entscheidung treffe, müsse „den Preis der Einsamkeit zahlen“. Oft liege der Grund für das Nichtakzeptieren einer Entscheidung aber einfach darin, „dass man sie nicht kennt“. Der Papst riet, Zweifel über den nun erlaubten Segen für alle offen zu formulieren und in „eine brüderliche Diskussion“ einzutreten. „Die Gefahr besteht darin, dass es mir nicht gefällt und ich es in mein Herz einschließe, so dass ich in einen inneren Widerstand gerate und böse Schlüsse ziehe. Das ist bei den jüngsten Entscheidungen über den Segen für alle passiert.

Im Interview mit Fabio Fazio, dem Moderator des Talk-Formats „Che tempo che fa” im italienischen öffentlich-rechtlichen Sender RAI, nahm Franziskus zum ersten Mal ausführlich Stellung über „Fiducia supplicans“, das als Erklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre am 18. Dezember erschienen und seither kontrovers diskutiert worden war. Vor allem Glaubenspräfekt Kardinal Víctor Fernández war regelrechten Anfeindungen ausgesetzt. Von Bischöfen in Ortskirchen des Westens erhielt die Segenserlaubnis für sogenannte „irreguläre“ Paare indes überwiegend Zustimmung.

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„Der Herr segnet alle, alle, alle, die kommen“

„Der Herr segnet alle, alle, alle, die kommen“, erläuterte der Papst in dem Interview das Anliegen. Danach müssten die betreffenden Menschen freilich „mit dem Segen des Herrn ins Gespräch kommen und sehen, was der Weg ist, den der Herr ihnen vorschlägt“. Dabei bräuchten sie von Menschen der Kirche mitfühlende Hilfe und keine Verurteilungen. „Ich sage den Beichtvätern immer: Vergib alles und behandle die Menschen sehr freundlich, so wie der Herr uns behandelt, und wenn du dann den Menschen helfen willst, dann kannst du immer mit ihnen reden und ihnen helfen, vorwärts zu kommen, aber vergib ihnen allen.“ Er selbst habe in 54 Jahren als Priester nur ein einziges Mal jemandem die Vergebung verweigert, so der Papst, und zwar „wegen der Heuchelei der Person“. Beichtväter sollten selbst dann lossprechen, wenn absehbar ist, dass die betreffende Person rückfällig wird. Gott vergebe trotzdem, er sei „verrückt vor Liebe“. Sogar Waffenherstellern, „die den Tod produzieren“, sei Gott nahe„er berührt ihre Herzen, um sie zu einer Lebensänderung zu bringen, und der Herr wird nicht müde, zu vergeben“.

Kirche hat „herzliche Dimension"

Die Kirche, so Franziskus in einer originellen Formulierung, habe „diese herzliche Dimension: dass sie aus dem Herzen kommt, alle, alle zu Hause, alle drinnen.“ Er verwies auf das Gleichnis mit den Hochzeitsgästen, die nicht kommen wollten, woraufhin der Vater seine Helfer ausschwärmen ließ und alle einlud, die er traf, „gute und schlechte, gesunde und kranke, junge und alte... Alle, alle. Alle hinein. Das ist die Einladung des Herrn. Und jeder mit seiner eigenen Last, denn jeder hat seine eigene und der Herr sagt: „Alle“. Das sagt der Herr, das sage nicht ich. Schwierig wird es, wenn wir eine Auswahl treffen: der hier Ja, der hier Nein... Lassen wir Gott machen. Und drinnen sehen wir dann weiter.“

Links Fabio Fazio, rechts Papst Franziskus
Links Fabio Fazio, rechts Papst Franziskus

Zu den Kriegen in der Ukraine und in Gaza sagte Papst Franziskus: „Es ist wahr, dass es riskant ist, Frieden zu schließen, aber es ist noch riskanter, Krieg zu führen." Er berichtet von einem Treffen vergangenen Mittwoch mit einigen Kindern aus der Ukraine. Keines der Kinder habe gelächelt, und dahinter stehe ein Verbrechen. Jeder Krieg lebe vom Waffenhandel. Franziskus sagte auch, er mache sich Sorgen über eine mögliche Ausweitung des Konflikts: „Man fragt sich, wie wir enden werden - mit Atomwaffen, die alles zerstören. Wie werden wir enden? Wie die Arche Noah? Das macht mir Angst, die Fähigkeit zur Selbstzerstörung, die die Menschheit heute hat.“

„Die Fähigkeit zur Selbstzerstörung, die die Menschheit heute hat...“

Migration: Recht zu bleiben, Recht zu gehen

Fazio sprach den Papst auch auf das Thema Migration an. Es ging um die Umarmung für Pato, den jungen Kameruner, dessen Frau und Tochter in der Wüste zwischen Tunesien und Libyen starben. Franziskus hatte ihn im November in Santa Marta empfangen. „Es gibt so viel Grausamkeit in der Behandlung dieser Migranten in dem Moment, in dem sie ihre Heimat verlassen und hier in Europa ankommen", sagte Franziskus. Jeder Mensch sowohl das Recht, in seiner Heimat zu bleiben wie auch das Recht auszuwandern. Der Papst fordert eine „gut durchdachte" Migrationspolitik, die dazu beiträgt, „das Migrantenproblem in den Griff zu bekommen" und „all diese Mafias zu beseitigen, die Migranten ausbeuten".

Argentinien: „Ich möchte hingehen"

Die Frage nach einem möglichen Rücktritt des Papstes sparte Fazio ebenfalls nicht aus: „Es ist eine Möglichkeit, die allen Päpsten offensteht, aber im Moment ist sie nicht im Mittelpunkt meiner Gedanken und Sorgen, meiner Gefühle", antwortete Franziskus. Wie zur Bestätigung kündigte er zwei Reisen in diesem Jahr an: Polynesien und Argentinien. Für sein Heimatland sei es „ein schwieriger Moment“, erklärte Franziskus, der in seinen bald elf Jahren als Papst noch nie in Argentinien war. „Die Möglichkeit einer Reise in der zweiten Jahreshälfte ist in Planung, denn jetzt gibt es einen Regierungswechsel, es gibt neue Dinge.... Ich möchte hingehen.“ Demnächst empfängt der Papst den neuen Regierungschef Javier Milei. Der Populist hatte im Wahlkampf Franziskus scharf attackiert, sich aber nach seinem Amtsantritt in seinen Stellungnahmen über den Papst gemäßigt.

(vatican news – gs)

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15. Januar 2024, 09:21