Meine Richtschnur: Frieden, Gerechtigkeit, Wahrheit
von Birgit Pottler - Vatikanstadt
Dabei bekräftigte er den Einsatz der Kirche für „die Herausforderungen unserer Zeit“ und nannte Migration, Bewahrung der Schöpfung und Künstliche Intelligenz. Umgekehrt forderte der Papst „uneingeschränkte Religionsfreiheit“ in jedem Land.
Päpstliche Diplomatie sei Ausdruck der Katholizität der Kirche, betonte Leo XIV., also ihres weltweiten Wirkens. Sie suche keine Privilegien, sondern stehe „im Dienst der Menschheit“. Es sei das Bestreben der Kirche und sein persönliches, „jedes Volk und jeden einzelnen Menschen auf der Welt zu erreichen“, der Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden brauche.
Persönliche Lebensgeschichte als Brücke
Seine eigene Lebensgeschichte führte der in den USA geborene Papst als Beleg an: „In gewisser Weise ist meine eigene Lebenserfahrung, die sich zwischen Nordamerika, Südamerika und Europa entfaltet hat, repräsentativ für dieses Bestreben, Grenzen zu überschreiten, um verschiedenen Menschen und Kulturen zu begegnen.“
Reisepläne nannte der Papst nicht, formulierte aber gegenüber den Diplomaten den Wunsch, im Laufe seines Pontifikats noch weitere Kulturen kennenzulernen, „um so viele über die ganze Welt verstreute Brüder und Schwestern im Glauben zu stärken und neue Brücken zu allen Menschen guten Willens zu bauen.“
Schlüsselbegriffe: Frieden, Gerechtigkeit und Wahrheit
Drei „Schlüsselwörter“, so der Papst, sollten die Kirche in ihrem missionarischen Handeln und die Diplomatie des Heiligen Stuhls gleichermaßen berücksichtigen: Frieden, Gerechtigkeit und Wahrheit.
Frieden: Ein Geschenk, das verpflichtet
Frieden sei mehr als „die bloße Abwesenheit von Krieg und Konflikten“, mehr als ein „bloßer Waffenstillstand“. Aus christlicher Sicht sei Friede ein Geschenk des Auferstandenen. Ein kurzer Rückblick: Die ersten Worte des neu gewählten Papstes waren der Ostergruß aus den Evangelien: „Der Friede sei mit euch allen!“ Friede sei aber ein Geschenk, das jeden, unabhängig von kulturellem Hintergrund und Religionszugehörigkeit, in die Pflicht nehme.
„Der Friede entsteht im Herzen und aus dem Herzen heraus, indem man Stolz und Forderungen zurückstellt und die Worte abwägt, denn man kann auch mit Worten verletzen und töten, nicht nur mit Waffen.“
„Entwaffnen wir die Worte“, hatte Papst Leo XIV. auch den Medienschaffenden aufgetragen. Gegenüber den Diplomaten und Vermittlern aus aller Welt – zu 184 Staaten sowie zur EU unterhält der Heilige Stuhl derzeit volle diplomatische Beziehungen – wiederholte er diese Mahnung auf ähnliche Weise.
Grundlegend für den Frieden seien der Beitrag der Religionen und der interreligiöse Dialog. Dies setze „die uneingeschränkte Achtung der Religionsfreiheit in jedem Land“ voraus.
Wille zum Dialog
Ohne einzelne Staaten oder konkrete Verhandlungen zu benennen, mahnte Papst Leo zu gemeinsamen Anstrengungen und einem „aufrichtigen Willen zum Dialog“, der von dem Wunsch beseelt sei, „sich zu begegnen, anstatt sich zu bekämpfen“: „Multilaterale Diplomatie und die internationalen Institutionen, die ursprünglich zur Beilegung etwaiger Streitigkeiten innerhalb der internationalen Gemeinschaft gedacht waren, [müssen] wiederbelebt werden.“
Aufruf zur weltweiten Abrüstung
Leo XIV. machte sich die letzte Friedensbotschaft seines Vorgängers Franziskus am Ostersonntag zu eigen und forderte weltweite Abrüstung.
„Es kann keinen Frieden geben ohne echte Abrüstung! Der Anspruch eines jeden Volkes, für seine eigene Verteidigung zu sorgen, darf nicht zu einem allgemeinen Wettrüsten führen.“
Gerechtigkeit: Zweite Säule der Diplomatie
Voraussetzung für Frieden sei Gerechtigkeit, die zweite Säule von Diplomatie und Sendung in den Augen Leos XIV. Erneut erinnerte der Papst an die Sozialenzyklika Rerum Novarum und Leo XIII. Die Welt erlebe erneut einen Epochenwandel, und der Heilige Stuhl müsse seine Stimme gegen weltweite Ungleichgewichte und Ungerechtigkeiten erheben, denn diese führten zu unwürdigen Arbeitsbedingungen, zunehmend fragmentierten und konfliktgeladenen Gesellschaften und tiefen „Furchen zwischen Kontinenten, Ländern und sogar innerhalb einzelner Gesellschaften“.
Die Familie als Fundament der Gesellschaft
Die Regierungsverantwortlichen rief der Papst dazu auf, sich um den Aufbau friedlicher Zivilgesellschaften zu bemühen. Grundlage hierfür sei die Familie. Diese, so der Papst in seiner Ansprache an die Diplomaten, beruhe „auf der stabilen Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau“.
Schutz der Menschenwürde
Unabdingbar sei der Schutz der Würde des Menschen, besonders der Schwächsten, vom ungeborenen Kind bis zum alten Menschen, unabhängig von Herkunft oder sozialem Status. Der Papst nannte keine Staaten, keine Politiker, aber verwies erneut auf seine persönliche Geschichte als „Nachkomme von Einwanderern, der seinerseits Auswanderer ist“:
„Jeder von uns kann sich im Laufe seines Lebens gesund oder krank, erwerbstätig oder arbeitslos, in der Heimat oder in einem fremden Land wiederfinden: Unsere Würde bleibt jedoch immer dieselbe, nämlich die eines von Gott gewollten und geliebten Geschöpfes.“
Wahrheit als dritte Säule des Friedens
Friedliche Beziehungen seien ohne Wahrheit nicht möglich, unterstrich der Papst – und erteilte mit seinen Worten auch Fakenews und medialen Manipulationskampagnen eine Absage:
„Wo Worte zweideutige und ambivalente Bedeutungen annehmen und die virtuelle Welt mit ihrer veränderten Wahrnehmung der Realität unkontrolliert die Oberhand gewinnt, ist es schwierig, authentische Beziehungen aufzubauen, weil die objektiven und realen Voraussetzungen der Kommunikation verloren gehen.“
Gemeinsame Herausforderungen
Wahrheit entfremde nicht, sondern befähige, „die Herausforderungen unserer Zeit mit größerem Nachdruck anzugehen“, bekräftigte Papst Leo XIV. Als gemeinsame Herausforderungen der internationalen Gemeinschaft nannte er als Beispiele Migration, die ethische Nutzung der künstlichen Intelligenz und die Bewahrung der Schöpfung. „Dies sind Herausforderungen, die das Engagement und die Zusammenarbeit aller erfordern, denn niemand kann sich ihnen allein stellen.“
Dem Auftrag, „die Wahrheit über den Menschen und die Welt auszusprechen“, könne sich die Kirche niemals entziehen, so das Kirchenoberhaupt: „auch wenn sie, wenn nötig, zu einer deutlichen Sprache greift, die vielleicht ein anfängliches Unverständnis hervorruft.“
Blick auf die Ukraine und das Heilige Land
Zwei Regionen nannte der Papst in seiner Ansprache beim Namen: die Ukraine und das Heilige Land. Es müsse in allen Situationen gelingen, einen neuen Weg einzuschlagen, „angefangen bei denen, die am meisten geprüft sind“, sagte Leo XIV. mit Verweis auf das aktuelle Heilige Jahr. Jeder solle „entsprechend seiner Sensibilität und Verantwortung eine Welt aufbauen, in der jeder sein Menschsein in Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden verwirklichen kann“.
(vatican news)
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