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Bei dem Gottesdienst im Petersdom Bei dem Gottesdienst im Petersdom  (ANSA)

Papst Leo: „Tröstet, tröstet mein Volk“

Trost spenden, Frieden leben und Frieden schaffen: dazu hat Papst Leo XIV. am Montagabend anlässlich des Jubiläums des Trostes aufgerufen, zu dem Gäste aus aller Welt im Petersdom waren. Das Jubiläum war Menschen gewidmet, die in ihrem Leben Trauer, Leid oder Armut erleben oder erlebt haben. Dabei berichteten Betroffene über eigene Leiderfahrungen.

Anne Preckel – Vatikanstadt

Die Vesper mit dem Papst beschloss den eintägigen Motto-Tag, der im Rahmen des Heiligen Jahres der Hoffnung stand. Neben Betroffenen von Verlust, Leid und Armut aus mehreren Kontinenten nahmen auch Vertreter von Vereinen und religiösen Organisationen teil, die sich um Menschen in Trauer und Not kümmern. Die katholische Kirche gedenkt am 15. September der Schmerzen Mariens.

Hier der Beitrag zum Nachhören

Bewegende Berichte zweier Frauen

Vor dem Papst trugen bei der Vesper zwei Frauen im Petersdom vor, die über den Verlust Angehöriger erzählten. Lucia Di Mauro Montanino aus Neapel berichtete, wie sie den Schmerz über die Ermordung ihres Mannes überwand, indem sie einen der jungen Täter traf und begleitete.

Diane Foley trug bei der Feier vor
Diane Foley trug bei der Feier vor

Diane Foley aus den USA, deren Sohn Jim, ein Journalist, 2014 in Syrien von Dschihadisten getötet wurde, erzählte von Versöhnung und Vergebung durch die Kraft des Glaubens. Als ihr Sohn am 22. November 2012 entführt wurde, wusste die Familie lange Monate nicht, ob er überhaupt noch lebte oder tot war. „Im Laufe dieser Monate wurde mein persönlicher Kreuzweg immer intensiver. Mein unschuldiger, gutherziger Sohn wurde mit Waffengewalt verschleppt, verkauft und gefangen gehalten wegen des ,Verbrechens‘, Journalist zu sein – genau wie unser geliebter Jesus für unsere Sünden zum Tode verurteilt wurde.“ Sie habe ihre Arbeit aufgegeben, um verzweifelt Hilfe zu suchen, bei der amerikanischen Regierung wie bei den UN und in Großbritannien, Frankreich und Spanien, die ebenfalls Bürger in der Gewalt des IS hatten. 

„Mitte Juli 2014 war ich völlig erschöpft. Endlich wurde mir klar, dass ich Jim aufgeben musste. Ich ging in unsere Anbetungskapelle und vertraute Jim ganz Gott an. In diesem Moment war ich mir sicher, dass Gott Jim befreien würde.“

„Herr, das ist nicht, was ich gemeint habe, als ich dir Jim übergeben habe“

Doch nur zwei Wochen später wurde Jim brutal und gewaltsam enthauptet, ein Schock, berichtet die sichtlich bewegte Mutter.

„Als die Realität einsetzte, stieg Wut in mir auf – Wut auf den IS, auf unsere Regierung, auf diejenigen, die sich weigerten zu helfen. Bitterkeit drohte mich zu verschlingen. Ich erinnere mich, dass ich zu Gott schrie: ,Herr, das ist nicht, was ich gemeint habe, als ich dir Jim übergeben habe.‘ Wie kann das sein? Ich taumelte unter der Last dieses Verlustes und war mir nicht sicher, ob ich weitermachen konnte. In diesen dunklen Momenten betete ich verzweifelt um die Gnade, nicht zu verbittern, sondern vergebungsbereit und barmherzig zu sein!“

Eine große Hilfe dabei sei die Unterstützung durch Familie, Freunde und Fremde aus aller Welt gewesen, so die verwaiste Mutter: „Ihr Mitgefühl gab uns die Kraft und Hoffnung, durchzuhalten.“

„Gott schenkte mir die Gnade, ihn als einen Mitmenschen zu sehen, der wie ich der Barmherzigkeit bedurfte“

Später ergab sich die Möglichkeit, einem der mittlerweile gefassten und in die USA ausgelieferten Täter zu begegnen – ein aufwühlendes Treffen, von dem ihr im Vorfeld viele Menschen abgeraten hatten, sagte Diane Foley: „Obwohl es anfangs unangenehm war, wurden die drei Tage des Treffens mit Alexanda zu Momenten der Gnade. Der Heilige Geist ermöglichte es uns beiden, einander zuzuhören, zu weinen und unsere Geschichten zu erzählen. Alexanda zeigte große Reue. Gott schenkte mir die Gnade, ihn als einen Mitmenschen zu sehen, der wie ich der Barmherzigkeit bedurfte.“

Ihr Sohn und Gott hätten sie dazu inspiriert, drei Wochen nach dem Mord eine Friedensstiftung zu gründen, so die amerikanische Katholikin. Auch dank der Stiftung habe sich nicht nur die US-Politik in der Frage entführter Bürger geändert, was sich in der Befreiung von über 170 Geiseln niedergeschlagen habe, sondern auch moralischen Mut geweckt und zu Sicherheitstrainings für angehende Journalisten geführt.

„Diese Arbeit war für mich zutiefst heilsam. Sie ist ein Beweis dafür, dass durch Christus das Böse in etwas Gutes verwandelt werden kann“, so die sichtlich bewegte Friedensaktivistin.

Hier im Video

Die Kraft der Vergebung

Mit einfühlsamen Worten ging danach der Papst in seiner Predigt auf menschliches Leid und die Kraft der Vergebung ein. Die Zeugnisse der beiden Frauen zeigten die Gewissheit, „dass Leid nicht zu Gewalt führen muss; dass Gewalt nicht das letzte Wort hat, weil sie von der Liebe überwunden wird, die zu vergeben weiß“, formulierte Leo XIV..

„Welche größere Befreiung können wir uns erhoffen als die, die aus der Vergebung kommt, die kraft der Gnade das Herz öffnen kann, auch wenn es alle Arten von Brutalität erlitten hat? Die erlittene Gewalt kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber die Vergebung, die denjenigen gewährt wird, die sie verursacht haben, ist ein irdischer Vorgeschmack auf das Reich Gottes, sie ist die Frucht seines Handelns, das dem Bösen ein Ende setzt und Gerechtigkeit schafft.“

Trost teilen

„Welche größere Befreiung können wir uns erhoffen als die, die aus der Vergebung kommt?“

Leo XIV. ermutigte zu Hoffnung im Glauben und rief zu Solidarität und Unterstützung Leidender auf. „In Momenten der Dunkelheit lässt Gott uns, auch wenn es anders aussehen mag, nicht allein. Ja, gerade in diesen Momenten sind wir mehr denn je aufgerufen, auf die Nähe des Erlösers zu hoffen, der uns nie verlässt“, unterstrich er. „Tröstet, tröstet mein Volk“ (Jes 40,1) – diese Aufforderung des Propheten Jesaja gelte auch für uns, fuhr er fort, es gehe darum, „Gottes Trost mit den vielen Brüdern und Schwestern zu teilen, die schwach und traurig sind und Not leiden“.

Teilnehmende grüßen den Papst
Teilnehmende grüßen den Papst   (ANSA)

Tränen sind eine Sprache

„Wir sollten uns nicht schämen zu weinen.“

Menschen fänden nicht immer Trost, räumte der Papst ein, es gebe Situationen, in denen „Worte nichts nützen“ und in denen selbst die aufrichtige Anteilnahme anderer keinen Trost spende. Weinen erzähle von tiefer Verwundung, sei aber auch „ein stummer Schrei nach Mitgefühl und Trost“, erinnerte der Pontifex. Tränen könnten auch eine „Befreiung und Reinigung der Augen, Gefühle und des Denkens“ sein, gab er zu bedenken. „Wir sollten uns nicht schämen zu weinen“, machte Leo XIV. Mut, „es ist ein Weg, unsere Traurigkeit und unser Verlangen nach einer neuen Welt auszudrücken; es ist eine Sprache, die von unserem schwachen und geprüften, aber zur Freude berufenen Menschsein spricht.“

Warum?

Mit dem Leid sei unweigerlich die Frage nach dem „Warum“ verbunden, fuhr der Papst fort. Fragen und Gedanken aber, die „uns isolieren und zur Verzweiflung bringen“, „demütigen auch unsere Intelligenz“, warnte er. Besser seien Fragen, die - „wie in den Psalmen - Protest, Klage, Beschwörung der Gerechtigkeit und des Friedens sind, die Gott uns versprochen hat. Dann bauen wir eine Brücke zum Himmel, auch wenn er stumm zu sein scheint.“

Trost sei im gemeinschaftlich gelebten Glauben zu finden, Kirche bedeute „niemals allein“, erinnerte Leo XIV... Und wo Schmerz tief sei, müsse die Hoffnung, die aus der Gemeinschaft entstehe, „noch stärker sein.“ Trost im Glauben zu finden, bedeute auch, Trost spenden zu können. Und im Glauben an das Ewige Leben liege der Trost, sich am Ende wiederzufinden.

Papst über Missbrauch und Kriege

„Die Kirche kniet heute gemeinsam mit euch vor der Mutter nieder...“

In seiner Predigt wandte sich der Papst auch an Menschen, die „Ungerechtigkeit und Gewalt durch Missbrauch“ erlitten haben - auch innerhalb der Kirche. Die Kirche „kniet heute gemeinsam mit euch vor der Mutter nieder“, formulierte er. „Mögen wir alle von ihr lernen, die Kleinsten und Schwächsten mit Behutsamkeit zu schützen! Mögen wir lernen, auf eure Verletzungen zu hören und gemeinsam mit euch zu gehen. Mögen wir von Maria, der schmerzhaften Mutter, die Kraft erlangen, zu erkennen, dass das Leben nicht allein durch das erlittene Übel bestimmt ist, sondern durch die Liebe Gottes, die uns niemals verlässt und die ganze Kirche leitet.“

Neben individuellem Leid kam der Papst zudem auf „den kollektiven Schmerz ganzer Völker“ zu sprechen, die unter Gewalt, Hunger und Krieg leiden. „Es ist ein gewaltiger Schrei, der uns verpflichtet, zu beten und zu handeln, damit alle Gewalt aufhört und die Leidenden zur Ruhe kommen“, so Leo XIV., der sich mit einem Aufruf an alle Menschen guten Willens und die Regierenden wandte.

Frieden, überall

„Der wahre Trost, den wir vermitteln können müssen, besteht darin, zu zeigen, dass Frieden möglich ist und dass er in jedem von uns gedeihen kann, wenn wir ihn nicht unterdrücken. Mögen insbesondere die Verantwortlichen der Nationen auf den Schrei so vieler unschuldiger Kinder hören, um ihnen eine Zukunft zu gewährleisten, die ihnen Schutz und Trost bietet.“

Gläubige seien gewiss, „dass Gott es angesichts von so viel Hochmut nicht an Herzen und Händen fehlen lassen wird, die Hilfe und Trost bringen, an Friedensstiftern, die es verstehen, die Leidenden und Traurigen zu ermutigen“, zeigte sich Leo XIV. zuversichtlich. „Und gemeinsam werden wir, wie Jesus es uns gelehrt hat, mit größerer Wahrhaftigkeit rufen: ,Dein Reich komme!‘“

Beim Einzug des Papstes in die Basilika war die Hymne des Heiligen Jahres zu hören. Lesung und Evangelium (2. Brief des Paulus an die Korinther; Lk 10, 25-37) erzählten über Trost und die Kraft aus dem Glauben. In den Fürbitten wurde etwa für verfolgte Christen, Opfer von Krieg, Terrorismus und Gewalt, Missbrauchsopfer, Flüchtlinge und Opfer des Menschenhandels, ungerecht Beschuldigte und Inhaftierte, Abhängige und Kranke gebetet.

Im Petersdom
Im Petersdom   (ANSA)

Gang durch die Heilige Pforte

Erster Termin der Teilnehmer des Jubiläums des Trostes war ein Gang durch die Heilige Pforte im Petersdom am Montagmorgen. Für die Veranstaltung im Rahmen des Heiligen Jahres hatten sich mehr als 8.500 Personen aus aller Welt angemeldet, wie der Vatikan im Vorfeld mitteilte. Besonders viele Teilnehmer kamen aus Italien, Deutschland, Polen, Spanien, den USA, Kanada und Lateinamerika, aber auch Vertreter aus Afrika, Asien und Nahost waren da. Teil an der Heilig Jahr-Veranstaltung nahmen neben Betroffenen auch zahlreiche Vereine und religiöse Organisationen, die sich um Menschen in Trauer und Leid kümmern.


(vatican news – pr)
 

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15. September 2025, 18:30