Papst Leo XIV. trifft Aktivisten von Ending Clergy Abuse
Stefanie Stahlhofen - Rom/Vatikanstadt
Darüber informierten ECA und der Vatikan im Anschluss an das Treffen. Neben Katsch waren bei der Begegnung mit dem Papst im Vatikan anwesend: Gemma Hickey (Kanada), Evelyn Korkmaz (Kanada, First Nation), Timothy Law (USA) , Sergio Salinas (Argentinien) und Janet Aguti (Uganda). ECA ist ein Zusammenschluss von Menschenrechtsaktivisten aus mehr als 30 Ländern auf sechs Kontinenten, von denen viele sexuelle Gewalt durch Kleriker der katholischen Kirche erlebt haben.
Die 2018 entstandene Organisation setzt sich dafür ein, dass die katholische Kirche den Empfehlungen der Vereinten Nationen von 2014 zu einer wirksamen Null-Toleranz-Politik folgt, das verursachte Leid der Betroffenen anerkennt, für eine angemessene Entschädigung sorgt und Verantwortung übernimmt.
Die Vertreter von ECA Global dankten dem Kirchenoberhaupt in einer Aussendung im Anschluss an die Audienz für die Gelegenheit, ihn direkt über zentrale Anliegen zu informieren. In einer Pressekonferenz informierten die sechs Vorstandsmitglieder an diesem Montagnachmittag über die Forderungen und Vorschläge von ECA global.
„Ein historisches Treffen“
Papst Leo sei selbst überrascht gewesen, als ihm klar geworden sei, dass es das erste Treffen eines Papstes mit einer internationalen Opferorganisation war, sagte der Deutsche Michael Katsch nach der gut einstündigen Begegnung im Interview mit Vatican News:
„Es war nicht nur das erste Treffen mit Papst Leo. Es war das erste Treffen überhaupt mit einem Papst - nicht mit individuellen Opfern von Missbrauch, sondern mit einer (internationalen, Anm. d. Red.) Opferorganisation.“ Katsch wertete dies als „qualitativen Sprung“, der dem Papst, so habe es Leo XIV. gesagt, „nicht so klar war und was ihm in dem Gespräch, in dem Austausch dann auch zu Bewusstsein gekommen ist“, wie der ECA-Vertreter aus Deutschland referierte.
Fortschritt sei letztlich eine „Schnecke“, so Katsch, der sich seit Jahren für die Anerkennung und Entschädigung von Missbrauchsbetroffenen im kirchlichen Bereich einsetzt.
Aber: „Wichtig ist, dass man dranbleibt“, zeigte er sich kämpferisch. „Manchmal hat sich das natürlich ein bisschen so wie eine Never-ending-Story angehört und angefühlt in den letzten Jahren“, räumte Katsch ein. „Aber es ändert sich halt qualitativ auch etwas. Wir sprechen heute mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche ganz anders als vor acht Jahren, als wir - Sie waren zum Teil dabei - auf der Straße demonstriert haben oder überhaupt angeklopft haben und gehört werden wollten. Also es ist eine unendlich langsame Entwicklung und es ist dem Papst selber auch klar, dass sich das langsam anfühlt. Aber solange es vorwärts geht, ist Hoffnung.“
Wunsch nach grundlegenden Veränderungen
In dem Gespräch habe er Papst Leo XIV. ganz persönlich auch noch einmal gesagt, dass er selbst „Berliner“ sei – und seine Generation auch erlebt habe, wie sich die Welt über Nacht veränderte mit dem Fall der Berliner Mauer. „Etwas, was Tage vorher kein Mensch für möglich gehalten hätte. Also, warum soll es nicht möglich sein, grundlegende Veränderungen in Gang zu bringen? Wir wissen nicht, wann es passiert… Aber da zu sein, dranzubleiben, im Gespräch zu bleiben und auch darauf zu vertrauen, dass dieser Moment geschehen kann, das ist eigentlich das, was mir Hoffnung gibt. Und ich glaube, das hat er gut nachvollziehen können.“
Papst Leo XIV. habe mit ihm bei der Begegnung sogar ein wenig auf Deutsch gesprochen, sagte Matthias Katsch nach der Pressekonferenz gegenüber Vatican News. Der Papst habe ihm gegenüber eingeräumt, nicht besonders gut Deutsch zu sprechen - es aber lesen zu können. Deshalb habe er ihm auch gerne sein Buch „Damit es aufhört“ überreicht, in dem es - auch verwoben mit seiner eigenen Lebensgeschichte - um die Beschreibung des Missbrauchs-Skandals und der Entwicklung danach ab 2010 in Deutschland geht.
„Und es endet tatsächlich 2019 mit dem Missbrauchsgipfel in Rom, bei dem ECA ins Leben trat. Insofern ist das eine wichtige Etappe gewesen und ich hoffe, dass er daraus Anregungen entnimmt, dass es sich lohnt, mit Betroffenen im Kontakt und im Austausch zu sein. Ich habe ihm auch erklärt, wie wichtig es für Betroffene ist, nicht allein zu sein. Sich zu organisieren, das ist nicht nur etwas Äußerliches. Das ist eine echte Notwendigkeit, weil viele den sexuellen Missbrauch und die Gewalt ja als Einzelne erlebt haben. Wenn sie dann als Erwachsene anfangen, darüber zu sprechen, dann besteht das Interesse, sich mit anderen sich auszutauschen, sich nicht länger allein zu fühlen. Und ich glaube, das hat er gut verstanden.“
Leo empfing Unabhängigen Betroffenenbeirat
Papst Leo hatte bereits am vergangenen Mittwoch bei seiner Generalaudienz ein Gespräch mit dem Unabhängigen Betroffenenbeirat der Erzdiözese München-Freising, die ihm ein Schreiben mit Forderungen überreichten.
Betroffene der internationalen Initiative ECA und das Safeguarding-Institut IADC der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom hatten im November 2024 einen Vorschlag präsentiert, der eine „Null-Toleranz Politik“ gegenüber Missbrauch im kirchlichen Bereich stärken soll. Einen letzten Entwurf habe ECA auch Papst Leo XIV. nun noch einmal dagelassen, berichtete Katsch. „Der erste Schritt muss sein, klarzustellen, was man will, also was erlaubt ist und was nicht erlaubt ist. Und darüber reden wir jetzt, wie das gelingen kann. Stichwort: Compliance Regeln - zu sagen, das sind unsere professionellen Standards. So sollten sich Kleriker verhalten und so nicht. Und daran messen wir, ob wir dann jemanden im Job lassen oder in der Verantwortung lassen oder nicht. Auch noch mal zu unterscheiden zwischen dem Dienst und dem persönlichen Priester sein. Das sind alles Ideen, die wir diskutiert haben und daran werden wir jetzt weiter arbeiten."
Papst hat Weltkirche im Blick
Katsch: „Es war also nicht so, dass er erst in Peru über das Thema gestolpert ist, sondern das ist ihm offensichtlich schon vorher begegnet. Und auch Menschen, die Gewalt erlebt haben, sind ihm begegnet. Ich glaube, er ist gut informiert. Er versteht einerseits die große Diversität und Unterschiedlichkeit der Kirche. Er hat betont, die Kirche gliedert sich in sehr viele einzelne Einheiten mit unterschiedlichen Bewusstseinsstand, je nachdem, wie weit sie sind in dem Prozess."
Das Treffen des Papstes mit einer internationalen Organisation, die Betroffene sexueller Gewalt in der Kirche vertritt, ist für Katsch auch ein „Signal an andere in der Kirche, dass man sich auf so einen Weg einlassen kann. In Deutschland haben wir in vielerlei Hinsicht auch schon große Fortschritte gemacht. Dort gibt es Betroffenenbeiräte, dort gibt es Gremien, Austausch zwischen betroffenen Menschen und Klerikern oder überhaupt Mitgliedern der Kirche und auch der Hierarchie. Das gibt es hier alles so noch nicht. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das heute der Auftakt dazu war."
(pm/vatican news - cs/sst)
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