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Papst Leo bei der Generalversammlung der FAO Papst Leo bei der Generalversammlung der FAO  (@Vatican Media)

Papst bei der FAO: Bekämpfung von Hunger geht jeden an

Der weltweite Hunger muss gemeinsam bekämpft werden – und dazu ist es unabdingbar, von Slogans zu Taten zu kommen. Das betonte Papst Leo XIV. an diesem Donnerstag am Hauptsitz der Welternährungsorganisation in Rom. Anlass für seine Ansprache war die Zeremonie zum Welternährungstag an diesem Donnerstag und zur Feier der FAO-Gründung vor 80 Jahren.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Papst Leo XIV. hat vor der FAO-Versammlung eindringlich zur Zusammenarbeit im globalen Kampf gegen Hunger und Ungerechtigkeit aufgerufen. Ein Sieg über den Hunger könne zu weltweitem Frieden beitragen, zeigte sich der Papst überzeugt. Fast 200 Staaten sind der FAO als Mitglieder verbunden, um gemeinsam das Ziel von einer „besseren Ernährung“ und damit einer „besseren Zukunft“ – so das Motto des aktuellen Welternährungstages - zu verfolgen.

In seiner Ansprache machte das Kirchenoberhaupt auch die moralische Dringlichkeit eines entschiedenen und raschen Handelns deutlich: „Achtzig Jahre nach der Gründung der FAO muss unser Gewissen erneut angesichts des – stets aktuellen – Dramas von Hunger und Mangelernährung befragt werden.“ Das Drama des Hungers sei kein fernes Problem, dessen Lösung auf anonyme Institutionen abgeschobenen werden könne, sondern eine persönliche Verantwortung: „Wer Hunger leidet, ist kein Fremder. Er ist mein Bruder, und ich muss ihm ohne Zögern helfen.“

„Wo stehen wir im Kampf gegen die Geißel des Hungers, der weiterhin einen bedeutenden Teil der Menschheit grausam heimsucht?“

Hunger sei ein Symptom für die Leugnung der Menschenwürde und Motiv für zahlreiche Migrationsströme unserer Zeit, so die Analyse des US-Amerikaners auf dem Stuhl Petri weiter. Seit ihrer Gründung habe die FAO „unermüdlich ihren Dienst darauf ausgerichtet“, die Entwicklung der Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit zu vorrangigen Zielen der internationalen Politik zu machen, würdigte Papst Leo den Einsatz der Internationalen Organisation gegen das Phänomen:

„In diesem Sinne müssen wir, fünf Jahre vor der Vollendung der Agenda 2030, mit Nachdruck daran erinnern, dass das Ziel ,Null Hunger‘ nur dann erreicht werden kann, wenn ein wirklicher Wille dazu besteht – nicht nur feierliche Erklärungen. Gerade deshalb sind wir heute mit neuer Dringlichkeit aufgerufen, eine grundlegende Frage zu beantworten: Wo stehen wir im Kampf gegen die Geißel des Hungers, der weiterhin einen bedeutenden Teil der Menschheit grausam heimsucht?“

Die Ansprache des Papstes
Die Ansprache des Papstes   (@Vatican Media)

Kindern wird ihre Entwicklung verwehrt

Trotz positiver Signale wie der technischen, wissenschaftlichen und produktiven Fortschritte litten 673 Millionen Menschen weltweit an Hunger, während weitere 2,3 Milliarden Menschen mit Nahrungsmittelunsicherheit konfrontiert seien, erinnerte der Papst mit Blick auf die jüngsten FAO-Berichte. „Hinter jeder dieser Zahlen steht ein zerbrochenes Leben, eine verletzliche Gemeinschaft; Mütter, die ihre Kinder nicht ernähren können.“ Besonders aufwühlend sei in diesem Zusammenhang die Situation von Kindern:

„Vielleicht ist die erschütterndste Zahl die der Kinder, die an Unterernährung leiden, mit den daraus folgenden Krankheiten und Verzögerungen in der motorischen und kognitiven Entwicklung.“ Hunger dürfe nicht als natürliches Schicksal abgetan werden, sondern er müsse als ein Zeichen menschlicher Verantwortungslosigkeit gelesen werden, liest man in den Worten des Kirchenoberhauptes: „In einer Zeit, in der die Wissenschaft die Lebenserwartung verlängert, die Technologie Kontinente einander nähergebracht und das Wissen Horizonte eröffnet hat, bedeutet es ein kollektives Versagen, eine ethische Verirrung, eine historische Schuld, Millionen von Menschen hungern und sterben zu lassen. (…) Wir dürfen nicht so weitermachen, denn Hunger ist nicht das Schicksal des Menschen, sondern seine Zerstörung.“

„Wir dürfen nicht so weitermachen, denn Hunger ist nicht das Schicksal des Menschen, sondern seine Zerstörung“

Besonders scharf verurteilte Papst Leo in diesem Zusammenhang die Missachtung des humanitären Völkerrechts in Konflikten und die Verwendung von Nahrung als Kriegswaffe: „Wir sind Zeugen der fortgesetzten Anwendung dieser grausamen Strategie, die Männer, Frauen und Kinder zum Hungertod verurteilt und ihnen das elementarste Recht verwehrt: das Recht auf Leben.“ Niemand dürfe „am Rande dieses erbitterten Kampfes gegen den Hunger“ stehen, so der eindringliche Appell des Papstes: „Es ist ein Kampf aller.“

Der Papst und die Moderatoren der Zeremonie
Der Papst und die Moderatoren der Zeremonie   (@Vatican Media)

Soziale Ungerechtigkeit

Gleichzeitig kritisierte er globale Ungerechtigkeit und Verschwendung: „Wie können wir weiterhin hinnehmen, dass gewaltige Tonnen von Lebensmitteln verschwendet werden, während unzählige Menschen verzweifelt im Abfall nach etwas Essbarem suchen? Wie lassen sich die Ungleichheiten erklären, die es einigen wenigen erlauben, alles zu besitzen, während viele nichts haben?“

Eindringlich warf er die Frage auf, warum „nicht sofort“ den Kriegen ein Ende gesetzt werde, die nicht nur die Städte, sondern zuallererst auch die Ernten zerstörten, „und die zu Szenen führen, die der menschlichen Würde unwürdig sind – wo das Leben der Menschen, insbesondere der Kinder, anstatt geschützt zu werden, erlischt, während sie, auf Haut und Knochen reduziert, nach Nahrung suchen?“

„Dürfen politische und gesellschaftliche Verantwortungsträger weiterhin polarisiert bleiben, Zeit und Ressourcen in nutzlose und hasserfüllte Diskussionen verschwenden, während jene, denen sie dienen sollten, vergessen und für Einzelinteressen instrumentalisiert werden?“

Angesichts eines trostlos scheinenden gegenwärtigen konfliktbeladenen Weltpanoramas gelte es, sich für den Frieden einzusetzen und aus der Apathie zu erwachen, die viele ergriffen habe, so der flammende Appell des Papstes, der als moralische Instanz eine ernstzunehmende Stimme auf dem internationalen Parkett darstellt: „Die Welt darf nicht weiterhin Zeuge so makabrer Szenen sein, wie sie sich derzeit in zahlreichen Regionen der Erde abspielen. (…) Es ist daher an der Zeit, uns mit Klarheit und Mut zu fragen: Verdienen die kommenden Generationen eine Welt, die nicht fähig ist, Hunger und Elend ein für alle Mal auszurotten? Ist es möglich, dass so viele und so schmerzliche Ungerechtigkeiten, die die Menschheitsfamilie belasten, nicht beendet werden können? Dürfen politische und gesellschaftliche Verantwortungsträger weiterhin polarisiert bleiben, Zeit und Ressourcen in nutzlose und hasserfüllte Diskussionen verschwenden, während jene, denen sie dienen sollten, vergessen und für Einzelinteressen instrumentalisiert werden?“

Empfang durch Qu Dongyu
Empfang durch Qu Dongyu   (@Vatican Media)

Parolen befreien nicht aus dem Elend

Wir dürften uns jedoch „nicht darauf beschränken, Werte zu verkünden“, vielmehr gelte es, sich zu „verkörpern“, so der Aufruf des Kirchenoberhauptes: „Parolen befreien nicht aus dem Elend. (…) Es genügt nicht, Solidarität zu beschwören: Wir müssen Ernährungssicherheit, Zugang zu Ressourcen und nachhaltige ländliche Entwicklung gewährleisten.“

Der Papst betonte in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung von politischem Handeln und internationaler Verantwortung: „Wir dürfen nicht von anderen verlangen zu handeln, wenn wir selbst unsere Verpflichtungen nicht erfüllen. Durch unser Unterlassen werden wir zu Komplizen der Förderung von Ungerechtkompigkeit.“ Solidarität, staatenübergreifend wie seitens der Einzelnen, sei unverzichtbar, so Leo XIV. mit Bezug auf das Motto des diesjährigen Welternährungstages: „Nur indem wir unsere Hände vereinen, können wir eine würdige Zukunft errichten, in der Ernährungssicherheit sich wieder als ein Recht und nicht als ein Privileg behauptet.“

Bei der Ansprache vor der FAO
Bei der Ansprache vor der FAO   (@Vatican Media)

Unverzichtbare Rolle der Frau

Besonders hob der Papst die Rolle der Frau für die Ernährungssicherheit hervor: „Die Frauen sind die ersten, die über das fehlende Brot wachen, die Hoffnung in die Furchen der Erde säen, die Zukunft mit Händen kneten, die von der Arbeit verhärtet sind.“

Das Kirchenoberhaupt erinnerte in seiner Rede stellvertretend für alle Leidenden auch an die Menschen in Krisenregionen wie Ukraine, Gaza, Haiti, Afghanistan, Mali, der Zentralafrikanischen Republik, dem Jemen und dem Südsudan und mahnte: „Die internationale Gemeinschaft darf sich nicht abwenden. Wir müssen ihren Schmerz zu dem unseren machen.“

„Durch unser Unterlassen werden wir zu Komplizen der Förderung von Ungerechtigkeit.“

Eindringlich rief er dazu auf, Gleichgültigkeit und Untätigkeit zu überwinden. Eine gerechtere Welt sei nur möglich, wenn die Menschen bereit seien, „das zu teilen, was wir selbst empfangen haben“. Alle Staaten, Organisationen und Einzelpersonen müssten aktiv handeln, „damit es in der Welt niemandem am notwendigen Brot mangelt – weder in der Menge noch in der Qualität“, und damit niemand zurückgelassen werde.

Zum Abschluss segnete der Papst die Mitarbeiter der FAO und alle Anwesenden: „Möge Gott in jedem von uns jene Hoffnung erneuern, die nicht enttäuscht.“ Er erinnerte daran, dass Hunger viele Namen habe – materiell wie geistlich – und schloss mit dem Appell Jesu: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mk 6,37).

In der ersten Reihe: zahlreiche hochrangige politische Vertreter
In der ersten Reihe: zahlreiche hochrangige politische Vertreter   (@Vatican Media)

Illustre Gäste

Vor seiner Ansprache war Papst Leo XIV. am Eingang der FAO von deren chinesischem Generaldirektor Qu Dongyu empfangen worden. Nach einem gemeinsamen Foto und einem Eintrag ins Goldene Buch grüßte er einige der illustren Gäste, die zu diesem Anlass nach Rom gekommen waren, darunter die FAO-Botschafterinnen Königin Letizia von Spanien und Jordaniens Prinzessin Basma Bint Ali. Seine Ansprache hatte Leo XIV. mit einem Verweis auf historische Nähe der Päpste zur Welternährungsorganisation eröffnet, die die erste zwischenstaatliche Organisation darstellt, mit der der Heilige Stuhl formell regelmäßige diplomatische Beziehungen aufgenommen hat.

Daran hatte auch schon Papst Johannes Paul II. bei einer Ansprache vor der FAO 1979 erinnert. 1945 nach Kriegsende gegründet, wurde 1948 ein formelles Abkommen zwischen der FAO und dem Heiligen Stuhl unterzeichnet. Zugleich wurde eine Ständige Beobachtermission des Heiligen Stuhls bei der FAO in Rom eingerichtet – bei den Vereinten Nationen war dies erst 1964 der Fall. Mehrere Päpste waren mittlerweile auch persönlich bei der Feier des 1981 eingerichteten Welternährungstages beziehungsweise zu Gründungsjubiläen bei der FAO.

(vatican news)

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16. Oktober 2025, 13:09