Türkei: Christen erinnern an Konzil vor 1.700 Jahren
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Abwechselnd auf Griechisch und auf Latein sangen die Chöre, als christliche Verantwortliche der unterschiedlichsten Couleur sich feierlich auf einem Steg am See von Iznik trafen: Papst und Patriarchen, Kirchenoberhäupter, Präsidenten oder Generalsekretäre christlicher Weltgemeinschaften, Vertreter ökumenischer Organisationen. Umgeben von den Resten einer antiken Basilika und eines kaiserlichen Palastes entzündeten sie Kerzen vor einer Ikone. Im Jahr 325 hat Kaiser Konstantin hier das erste allgemeine Konzil der Christenheit zusammengetrommelt; es formulierte den Großteil eines Glaubensbekenntnisses, das auch heute noch nahezu alle Christen untereinander verbindet. Eine Weltreligion blickt zurück auf ihre Anfänge.
„Wir sind hier, um lebendiges Zeugnis für denselben Glauben abzulegen, den die Väter von Nizäa bekundet haben.“ Das sagte der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., in seiner Begrüßungsrede.
Zurück an die Quelle
„Wir kehren zu dieser Quelle des christlichen Glaubens zurück, um voranzuschreiten. Wir erfrischen uns an diesen Wassern der Ruhe, um Kraft für die vor uns liegenden Aufgaben zu schöpfen. Die Kraft dieses Ortes liegt nicht in dem, was vergeht, sondern in dem, was ewig währt. In Nizäa hat die Geschichte Zeugnis abgelegt für die Ewigkeit, für die Tatsache, dass unser Herr und Erlöser Jesus Christus wahrer Gott von wahrem Gott ist, eines Wesens mit dem Vater (ὁμοούσιος τῷ Πατρί).“
Damit war eine der entscheidenden christologischen Formulierungen aufgerufen, zu denen sich einst das erste christliche Konzil durchgerungen hatte. Die Teilnehmenden rezitierten das Große Nizäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis und außerdem - jeder in seiner Sprache - das Vaterunser.
Gemeinsam das Credo rezitiert
Leo XIV. rief in einer Ansprache zu einer Gewissenserforschung auf: Jeder Christ solle sich fragen, „wer Jesus Christus für einen jeden von uns ist“. Damit bezog er sich direkt auf die heftige Kontroverse von Nizäa vor 1.700 Jahren.
„Indem er die Göttlichkeit Christi leugnete, reduzierte Arius ihn auf einen einfachen Mittler zwischen Gott und den Menschen und ignorierte dabei die Wirklichkeit der Menschwerdung, sodass das Göttliche und das Menschliche unüberbrückbar voneinander getrennt blieben. Aber wenn Gott nicht Mensch geworden ist, wie können die Sterblichen dann an seinem unsterblichen Leben teilhaben? Das stand in Nizäa auf dem Spiel und steht auch heute auf dem Spiel: der Glaube an den Gott, der in Jesus Christus einer von uns geworden ist, um uns Anteil an der göttlichen Natur zu geben.“
Ein Augustinus-Zitat
Dieses Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus ist für Papst Leo „von grundlegender Bedeutung“ auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft der Christen, der unverzichtbare Ausgangspunkt. „In diesem Sinne können wir, um den heiligen Augustinus zu zitieren, auch im ökumenischen Bereich sagen: ‚Obgleich wir Christen viele sind, sind wir in dem einen Christus eins‘.“
In diesem Bewusstsein sollten die Christen „das Ärgernis der leider noch bestehenden Spaltungen überwinden“: „Je mehr wir untereinander versöhnt sind, desto mehr können wir Christen ein glaubwürdiges Zeugnis für das Evangelium Jesu Christi geben, das eine Botschaft der Hoffnung für alle ist“. Dieses „für alle“ unterstrich Papst Leo dann noch einmal ganz dick: Christliche Einheit gehe einher „mit dem Streben nach Geschwisterlichkeit unter allen Menschen“. Damit rührte Leo an ein Thema, das seinem verstorbenen Vorgänger Franziskus besonders am Herzen gelegen hat.
Gegen die Vereinnahmung der Religion
„Es gibt eine universale Geschwisterlichkeit, unabhängig von Ethnie, Nationalität, Religion oder Meinung. Die Religionen sind von Natur aus Hüter dieser Wahrheit und sollten die einzelnen Personen, Gruppen von Menschen und Völker dazu ermutigen, sie anzuerkennen und zu praktizieren. Das Heranziehen von Religion, um Krieg und Gewalt zu rechtfertigen, muss, wie jede Form von Fundamentalismus und Fanatismus, entschieden abgelehnt werden...“
Bei diesem Appell gegen die Vereinnahmung von Religion braucht man nicht unbedingt an den Islam zu denken, die Mehrheitsreligion in der Türkei. Auch unter Christen gibt es dieses Phänomen. So rechtfertigt etwa die russisch-orthodoxe Kirche den Angriffskrieg in der Ukraine auch mit religiösen Motiven. Zum Gedenken in Iznik hatte die russische Orthodoxie offenbar keinen Vertreter geschickt.
(vatican news)
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